OLG Saarbrücken
Az.: 4 U 484/11
Urteil vom 03.04.2014
Leitsatz: Ein Busfahrer, der einem Rollstuhlfahrer durch Ausfahren der Rampe Hilfestellung beim Einstieg leistet, ist gehalten, einen erkennbar schwerbehinderten Fahrgast auf die korrekte Positionierung seines Rollstuhls im Bus hinzuweisen, wenn er erkennt, dass der Fahrgast seinen Rollstuhl im Bus quer statt längs zur Fahrrichtung ausrichtet.
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 1. Dezember 2011 – 12 O 323/10 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
a. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an B. W., 250 EUR zu zahlen.
b. Die Beklagten werden verurteilt, an die ÖRAG AG, 48 EUR zu zahlen.
c. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger war am 22.5.2010 Insasse eines bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Linienbusses der Beklagten zu 1) und nimmt die Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit wegen eines behaupteten Sturzes auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden in Anspruch.
Am bezeichneten Tag bestieg der Kläger mit seinem elektroangetriebenen Rollstuhl den Linienbus der Linie 110 an der Haltestelle am Stadtbad in Völklingen in Richtung Saarbrücken. In dem Linienbus befand sich in dem Bereich vor der hinteren Einstiegstür ein für Rollstuhlfahrer vorgesehener Platz. Rollstuhlfahrer sind danach gehalten, sich mit dem Rollstuhl entgegen der Fahrtrichtung mit der Lehne des Rollstuhls an die rückwärtige Lehne einer Sitzbank zu positionieren. Diesen Platz nahm der Kläger nicht ein. Stattdessen fuhr der Kläger über eine ausgefahrene Rampe gerade in den Bus hinein und parkierte den Rollstuhl quer zur Fahrtrichtung so, dass er aus dem linken Seitenfenster blicken konnte. Der Kläger hielt sich rechts und links an den im Bus befindlichen Haltestangen fest. Zwischen Luisenthal und Burbach bremste der Fahrer den Linienbus stärker ab. In Saarbrücken verließ der Kläger den Bus, wobei ihm der Fahrer durch Betätigung der Einfahrrampe behilflich war.
Der Kläger hat behauptet, der Zeuge B. sei mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren. Bei der Abfahrt Matzenberg habe er sich ein Wettrennen mit einem anderen Fahrzeug geliefert. Da eine Ampel auf „rot“ geschaltet habe, habe der Zeuge B. stark bremsen müssen. Durch das starke Bremsmanöver sei sein linker Arm von der Haltestange losgerissen worden und der Rollstuhl zur rechten Seite gekippt. Dabei sei der Rollstuhl mit der Rückenlehne in den Zwischengang zwischen den Sitzen gekippt und auf der rechten Seite liegengeblieben. Der Kläger habe den Rollstuhl nicht verlassen können. Der Zeuge Ö. habe den Rollstuhl an der Rückenlehne und an der linken Armlehne gepackt und den Kläger samt dem Rollstuhl wieder aufgerichtet. Der Rollstuhl habe ein Eigengewicht von 150 kg gehabt, er selber habe 160 Kilo gewogen. Allein aufgrund des erheblichen Fahrfehlers des Zeugen B. sei er zu Fall gekommen. Er wäre allerdings auch dann gestürzt, wenn er mit seinem Rollstuhl in Fahrtrichtung gestanden hätte.
Bei dem Sturz habe sich der Kläger den Kopf an der Haltestange angestoßen und sich dabei vier Zähne ausgeschlagen; er habe aus dem Mund geblutet. Weitergehende sichtbare Verletzungen habe er nicht davongetragen. Er habe durch den Unfall ein Schädel-Hirn-Trauma und eine Beeinträchtigung der Schulter-Arm-Funktion und eine erhebliche Beckenprellung erlitten. Der Sturz habe bei ihm einen Schock verursacht. Es habe sich eine posttraumatische Belastungssymptomatik entwickelt. Diese sei von Angst, innerer Unruhe, nächtlichen Unruhezuständen, Angst vor der Teilnahme am öffentlichen Leben gekennzeichnet und führe zu einer massiven Lebensverunsicherung sowie einer erheblichen Einschränkung der Freizügigkeit.
Trotz seiner körperlichen Behinderungen sei der Kläger vor dem behaupteten Unfall in der Lage gewesen, als Immunologe im Rahmen einer Praxis für Naturheilverfahren Tätigkeiten zu entfalten. So habe er täglich Sprechstunden mit 4-5 Patienten durchgeführt, bei denen er insbesondere Behandlungen im Rahmen einer immunologischen Praxisinfusion, Oraltherapien, Eigenblutbehandlungen, Ozonbehandlungen und chiropraktische Behandlungen durchgeführt habe.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass der Zeuge B. ihn auf die falsche Sitzposition hätte hinweisen müssen.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger den ihm aufgrund des Verkehrsunfalls vom 22.5.2010 entstandenen Schaden zu ersetzen, soweit dieser nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist oder übergehen wird;
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe ausdrücklich in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aufgrund des Verkehrsunfalls vom 22.5.2010 zu zahlen;
3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 775,64 EUR zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben behauptet, der Zeuge B. habe etwas stärker abbremsen müssen, da ein vor ihm fahrendes Fahrzeug plötzlich und ohne ersichtlichen Grund mitten auf der Fahrbahn stehen geblieben sei. Unmittelbar nach diesem verkehrsbedingt erforderlichen Abbremsvorgang habe er in den Rückspiegel geschaut, um sich zu vergewissern, dass bei den Fahrgästen alles in Ordnung sei. Hierbei habe er nichts Auffälliges festgestellt. Er habe lediglich gesehen, dass ein Fahrgast hinter dem Rollstuhl gestanden habe. Als er dem Kläger durch Herausfahren der Rampe beim Ausstieg behilflich gewesen sei, habe der Kläger gefragt, ob der Zeuge nicht bemerkt habe, dass er umgefallen sei. Dies habe der Zeuge B. verneint. Der Kläger habe ihm mitgeteilt, dass es ihm zu umständlich sei, den Rollstuhl gegen die Lehne des Sitzes zu manövrieren. Der Kläger habe dem Fahrer des Weiteren mitgeteilt, dass mit ihm alles in Ordnung sei.
Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, dass den Kläger zumindest ein überwiegendes Mitverschulden an den von ihm behaupteten Verletzungen treffe, da er sich nicht in der vorgeschriebenen Position auf dem für Rollstuhlfahrer vorgesehenen Platz gefunden habe.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung wird auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter.
Die Berufung des Klägers wendet sich zunächst gegen die Tatsachenfeststellung des Landgerichts und vertritt die Auffassung, der Kläger habe den Beweis für einen Sturz erbracht. Der Zeuge Ö. habe nachvollziehbar und deutlich gemacht, dass in seiner Anwesenheit ein Rollstuhlfahrer gestürzt sei. Er habe den Kläger wiedererkannt. Dass sich in Details hinsichtlich der Schilderung des Sturzablaufs zwischen der Schilderung des Klägers und der Schilderung des Zeugen Ö. Widersprüche ergäben, stelle die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage nicht grundsätzlich infrage. Auch habe der Zeuge B. ausgesagt, dass er im Nachhinein vom Sturz des Klägers erfahren habe.
Weiterhin sei nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung ein Geschwindigkeitsverstoß des Fahrers nachgewiesen. Am Fahrtenschreiber der Beklagten zu 1) seien Manipulationen vorgenommen worden, die dazu geführt hätten, dass der Fahrtenschreiber nicht habe ausgewertet werden können. Überdies habe der Rollstuhl aufgrund seiner Konstruktion, seines niedrigen Schwerpunkts und seines sehr hohen Gewichts nur kippen können, wenn eine große Kraft auf ihn eingewirkt habe.
Schließlich sei dem Kläger kein Mitverschulden anzulasten: Der Rollstuhl sei zu groß gewesen, um ihn im Bus zu wenden. Dies könne nicht zulasten des Klägers gehen, zumal der Fahrer gesehen habe, wie der Kläger den Rollstuhl positioniert habe.
Der Kläger beantragt (zuletzt), unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 1. Dezember 2011 – 12 O 323/10 –
1. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger den ihm aufgrund des Verkehrsunfalls vom 22.5.2010 entstandenen Schaden zu ersetzen, soweit dieser nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist oder übergehen wird;
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Pfändungsgläubiger B. W., ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe ausdrücklich in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aufgrund des Verkehrsunfalls vom 22.5.2010 zu zahlen;
3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die ÖRAG Rechtsschutzversicherung AG, Hansa-Allee 199, 40549 Düsseldorf außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 775,64 EUR zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung und behaupten, dass der Rollstuhl nicht hätte kippen können, wenn sich der Kläger im Bus so positioniert hätte, wie es ihm oblegen habe. Der Kläger sei zu bequem gewesen, um den Rollstuhl in die korrekte Position zu bringen. Dies erschließe sich insbesondere daraus, dass der Kläger gegenüber dem Zeugen B. angegeben habe, sein Rollstuhl habe zwar eine Indoor-Funktion, deren Bedienung allerdings sehr umständlich sei, so dass er von dieser Funktion keinen Gebrauch mache. Diese Funktion diene gerade dazu, Schadensfälle bei einer Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln zu verhindern.
Weiterhin treten die Beklagten der Behauptung entgegen, die Beklagte zu 1) habe am Fahrtenschreiber Manipulationen vorgenommen. Dass das Aufzeichnungsgerät gemäß der versuchten Diagrammauswertung vom 1.7.2011 nicht ordnungsgemäß aufgezeichnet habe, sei der Beklagtenseite nicht bekannt gewesen, da ansonsten unverzüglich eine entsprechende Überprüfung und eine erforderlichenfalls notwendige Reparatur durchgeführt worden wäre.
Der Fahrer des Busses habe erst beim Ausstieg des Klägers aus dem Bus erfahren, dass dieser sich nicht gemäß den Vorgaben der im Bus vorhandenen Piktogramme positioniert habe.
Wenn der Rollstuhl des Klägers tatsächlich zu groß sei, um diesen korrekt im Bus zu positionieren, wäre die einzige Konsequenz aus dieser Behauptung, dass der Kläger mit diesem Rollstuhl in den Bussen der Beklagten zu 1) nicht mehr befördert werden könne.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze, insbesondere auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 5.3.2012 (GA I Bl. 148 ff.) und der Berufungserwiderung vom 14.5.2012 (GA I Bl. 165 f.) Bezug genommen. Der Senat hat aufgrund Beweisbeschlusses vom 7.2.2013 (GA I Bl. 192) und 18.4.2013 (GA II Bl. 220 ff.) durch Einholung schriftlicher Zeugenaussagen der den Kläger behandelnden Ärzte sowie durch Einholung von Sachverständigengutachten Beweis erhoben. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Aussage der Ärzte Dr. R. vom 21.2.2013 (GA I Bl. 199 f.) und Dr. B. vom 26.2.2013 (GA I Bl. 203 f.) sowie der Zahnärztin Ba. vom 18.9.2013 (GA II Bl. 272g) und auf die Sachverständigengutachten des Sachverständigen G. H. vom 2.9.2013 (GA II Bl. 252 ff.) und des Sachverständigen Prof. Dr. R. vom 23.10.2013 (GA II Bl. 273 ff.) Bezug genommen. Hinsichtlich der Einzelheiten der mündlichen Verhandlung wird auf die Protokolle vom 28.2.2013 (GA I Bl. 208 ff.) und vom 13.3.2014 (GA II Bl. 319) verwiesen.
II.
A. Die zulässige Berufung des Klägers bleibt überwiegend ohne Erfolg. Zwar hält die angefochtene Entscheidung einer Rechtskontrolle nicht stand, soweit das Landgericht die straßenverkehrsrechtliche Haftung der Beklagten wegen überwiegenden Mitverschuldens des Klägers ausgeschlossen hat. Stattdessen ist eine hälftige Haftungsverteilung sachgerecht. Hinsichtlich des Umfangs der erlittenen Schäden ist es dem Kläger jedoch auch auf der Grundlage der im Berufungsrechtszug ergänzten Beweisaufnahme nicht gelungen, den Beweis dafür zu erbringen, dass er durch den fraglichen Sturz über Prellungen hinaus einen dauerhaften Gesundheitsschaden erlitten hat. Zum Ausgleich der unfallursächlichen Beschwerden war lediglich ein Schmerzensgeld von 250 EUR zuzuerkennen.
1. Eine Haftung der Beklagten nach § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG setzt voraus, dass der Kläger bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs einen Schaden erlitten hat. Der sachliche Anwendungsbereich der Haftungsnorm ist erfüllt: Der Linienbus befand sich zum Zeitpunkt des Schadensereignisses i.S.v. § 7 StVG im Betrieb.
2. Auch hat der Kläger während der Busfahrt einen seine körperliche Unversehrtheit mehr als nur unerheblich beeinträchtigenden Schaden erlitten. Das Landgericht hat es nach Vernehmung der Zeugen Ö. und B. für nachgewiesen erachtet, dass der Rollstuhl mitsamt dem Kläger anlässlich des Bremsmanövers schräg gegen die Rückenlehne einer Sitzbank kippte. Demgegenüber war das Landgericht nicht davon überzeugt, dass der Rollstuhl vollständig umgekippt war.
Diese Feststellungen binden den Senat (§ 529 ZPO), da sie verfahrensfehlerfrei getroffen worden sind und keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich sind, die Zweifel an ihrer Richtigkeit wecken: Die Beweiswürdigung steht insbesondere mit der Aussage des Zeugen Ö. in Einklang: Der Zeuge hat zwar eingangs seiner Vernehmung berichtet, dass der Rollstuhl komplett umgefallen sei; der Kläger sei aus dem Rollstuhl herausgefallen. Allerdings hat der Zeuge auf den nachvollziehbaren Vorhalt des Gerichts, wie es dem (schmächtigen) Zeugen gelingen konnte, den 160 kg schweren Kläger in den 150 kg schweren Rollstuhl zu verfrachten und Rollstuhl und Kläger anschließend aufzurichten, seine Aussage korrigiert. Nunmehr hat der Zeuge – glaubhaft – ausgesagt, dieses Unterfangen sei deshalb gelungen, weil der Rollstuhl nicht komplett auf die Seite gefallen sei, sondern schräg zum Stehen gekommen sei und noch auf den seitlichen Rädern gestanden habe. Der Kläger sei nicht ganz aus dem Rollstuhl gefallen, sondern zur Rückenlehne der gegenüber liegenden Sitzreihe gestürzt. Aus dieser Position sei es dem Zeugen möglich gewesen, den Rollstuhl wieder aufzurichten.
3. Soweit das Landgericht der Klage deshalb ein Erfolg versagt hat, weil die Haftung der Beklagten nach § 7 Abs. 1 StVG hinter dem überwiegenden Mitverschulden des Klägers vollständig zurücktrete, vermag sich der Senat dieser Sichtweise nicht anzuschließen.
a) Gem. § 9 StVG findet die Vorschrift des § 254 BGB Anwendung, wenn bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Verletzten mitgewirkt hat. Hierbei folgt die Haftungsabwägung den zu § 17 Abs. 1 StVG entwickelten Rechtsgrundsätzen: Bei der Abwägung der beiderseitigen Verursacherbeiträge sind nur solche Umstände einzubeziehen, die erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden geworden sind. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage haben deswegen außer Betracht zu bleiben (BGH, Urt. v. 21.11.2006 – VI ZR 115/05, NJW 2007, 506; Urt. v. 24.6.1975 – VI ZR 159/74, VersR 1975, 1121; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 9 StVG Rdnr. 7). Im Grundsatz kann die Haftungsabwägung zum vollständigen Ausschluss des Ersatzanspruchs führen, wenn das Verschulden des Geschädigten derart überwiegt, dass die vom Schädiger ausgehende Ursache völlig zurücktritt. Jedoch ist ein vollständiger Haftungsausschluss nach der zum 1.8.2002 in Kraft getretenen Reform des § 7 StVG, dem die gesetzgeberische Intention zugrunde lag, die Rechtsposition des nicht motorisierten Verkehrs zu stärken (BT-Drucksache 14/7752, S. 30), regelmäßig erst dann gerechtfertigt, wenn sich lediglich die einfache Betriebsgefahr des Kraftfahrzeughalters und ein grobes Mitverschulden des nicht motorisierten Verkehrsteilnehmers gegenüberstehen (Senat, Urt. v. 20.3.2014 – 4 U 64/13; Urt. v. 13.2.2014 – 4 U 59/13; Urt. v. 4.7.2013 – 4 U 65/12-19-; NJW 2012, 3245, 3247; Schaden-Praxis 2012, 209; MDR 2011, 517, vgl. BGH, Urt. v. 24.9.2013 – VI ZR 255/12, MDR 2014, 27; vgl. KG, MDR 2011, 27; OLG Schleswig, MDR 2011, 846; vgl. auch OLG Hamm,Schaden-Praxis 2003, 84; OLG Koblenz, Urt. v. 11.12.2006 – 12 U 1184/04; OLG Köln, Schaden-Praxis 2002, 376; Dörr, MDR 2012, 503; Hentschel/König/Dauer, aaO, Rdnr. 9; Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl., § 22 Rdnr. 239; Budewig/Gehrlein/Leipold, Der Unfall im Straßenverkehr, Rdnr. 99).
b) Eine solche Haftungslage liegt jedoch im zur Entscheidung stehenden Sachverhalt nicht vor.
aa) Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme ist nicht erwiesen, dass der Busfahrer zu schnell fuhr. Das Ergebnis der Zeugenbefragung hat den Geschwindigkeitsverstoß nicht bestätigt. Aus den zutreffenden Erwägungen des Landgerichts kann dem Kläger auch mit den Grundsätzen zur Beweisvereitelung nicht geholfen werden:
aaa) Unter Beweisvereitelung wird regelmäßig ein Verhalten verstanden, durch das eine Partei dem beweisbelasteten Gegner die Beweisführung schuldhaft unmöglich macht oder erschwert, indem sie vorhandene Beweismittel vernichtet oder ihre Benutzung erschwert, obwohl die spätere Notwendigkeit einer Beweisführung bereits erkennbar war (Urt. v. 23.10.2008 – VII ZR 64/07, MDR 2009, 80; Urt. v. 23.9.2003 – XI ZR 380/00, NJW 2004, 222; Urt. v. 25.6.1997 – VIII ZR 300/96, NJW 1997, 3311, 3312). Hierbei können sowohl Verhaltensweisen während des Prozesses auch als auch im vorprozessualen Stadium zu beanstanden sein (PG/Laumen, ZPO, 5. Aufl., § 286 Rdnr. 87; Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 286 Rdnr. 14a). Ein vorprozessuales Verhalten erfüllt den Vorwurf der schuldhaften Beweisvereitelung jedoch nur dann, wenn die betreffende Partei erkennen musste, dass das Beweismittel in einem zukünftigen Prozess Bedeutung erlangen könnte (PG/Laumen, aaO, Rdnr. 89).
bbb) Im zur Entscheidung stehenden Sachverhalt liegen die Voraussetzungen für eine schuldhafte Beweiserschwerung nicht vor: Es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagten zu 1) der Gerätedefekt, welcher letztendlich zur fehlenden Auswertbarkeit des Fahrtenschreibers geführt hat, vor dem Schadensfall bekannt war. Damit kann der Beklagten nicht vorgeworfen werden, zur Verbesserung ihrer Beweissituation vorwerfbar untätig geblieben zu sein und von einer zeitnahen Reparatur des Fahrtenschreibers Abstand genommen zu haben.
bb) Auf der Grundlage des Berufungsvortrags des Klägers kann den Beklagten auch nicht vorgeworfen werden, dass es der Zeuge B. fahrlässig versäumt hätte, den Kläger vor Antritt der Fahrt auf die falsche Positionierung hinzuweisen: Der darlegungsbelastete Kläger hat seinem erstinstanzlichen Vortrag im zweiten Rechtszug durch einen abweichenden Sachvortrag zum Ablauf des Einstiegsvorgangs selbst die Grundlage entzogen.
aaa) Im ersten Rechtszug hat der Kläger zum Verlauf des Einstiegsvorgangs vorgetragen, dass der Busfahrer die Einstiegsrampe an dem hinteren Einstieg ausgefahren habe. Dann sei der Kläger in den Bus hineingefahren und habe ganz dicht an der dem Einstieg gegenüber liegenden Seitenwand gestanden. Erst dann habe der Busfahrer die Klappe wieder eingeklappt und sei zu seinem Sitz zurückgekehrt.
Auf der Grundlage dieses Sachvortrags liegt ein Sorgfaltsverstoß nicht fern: Zwar ist der Fahrgast in öffentlichen Verkehrsmitteln selbst gehalten, für seine Sicherheit zu sorgen. Er kann nicht damit rechnen, dass sich der Wagenführer, der sein Hauptaugenmerk auf die übrigen Verkehrsteilnehmer richten muss, um die Sicherheit einzelner Fahrgäste bemüht. Allerdings gilt dieser Grundsatz nicht ausnahmslos: Der Fahrer muss sich jedenfalls dann vergewissern, ob ein Fahrgast festen Halt im Wagen gefunden hat, wenn eine erkennbare schwere Behinderung des Fahrgastes ihm die Überlegung aufdrängen musste, dass dieser andernfalls beim Anfahren stürzen werde (BGH, Urt. vom 1.12.1992 – VI ZR 27/92; OLGR Köln 1999, 275).
Eine solche Situation war in der erstinstanzlichen Version des Klägers zum Ablauf des Einstiegsvorgangs durchaus gegeben: Der Kläger war erkennbar schwerbehindert. Es konnte dem Fahrer nicht verborgen geblieben sein, dass sich der Kläger mit dem Rollstuhl zwar im Bus an die richtige Stelle begab, sich dort aber entgegen der vorgegebenen Position quer zur Fahrtrichtung ausrichtete. Es hätte den Fahrbetrieb nicht unzumutbar belastet, wenn der Fahrer dem Kläger einen entsprechenden Hinweis auf die korrekte Positionierung des Rollstuhls erteilt hätte.
bbb) Eine weitere Diskussion dieser Rechtsfrage ist indessen entbehrlich, da der Kläger an seiner erstinstanzlichen Sachverhaltsschilderung nicht mehr festhält. Denn nunmehr insistiert der Kläger in den Schriftsätzen seiner Prozessbevollmächtigten vom 31.10.2013 (GA II Bl. 272w f.) 9.12.2013 (GA II Bl. 305 f.) nachdrücklich darauf, dass die Rampe nicht vom Busfahrer, sondern aufgrund des starken Passagieraufkommens von Fahrgästen aus- und eingefahren worden sei. Auf der Grundlage dieses Vorbringens, das vor Eintritt in die Beweisstation auf seine Schlüssigkeit zu überprüfen ist, ist ein schuldhafter Sorgfaltsverstoß des Fahrers nicht erkennbar:
Es ist nämlich nicht mehr ersichtlich, dass der Fahrer in der nunmehr vom Kläger geschilderten Situation überhaupt Kenntnis von der fehlerhaften Positionierung des Rollstuhls besaß. Der Umstand, dass der Fahrer nach der neuen Sachverhaltsschilderung des Klägers möglicherweise unter Verstoß gegen betriebsinterne Anweisungen den Fahrgästen das Herausfahren der Rampe überlassen hat, begründet einen haftungsrelevanten Sorgfaltsverstoß noch nicht: Ein Busfahrer ist nicht deshalb in eigener Person zum Betätigen der Rampe verpflichtet, um Rollstuhlfahrer zu einer richtigen Positionierung des Rollstuhls anzuhalten: Die Betätigung der Einrichtungen des Busses ist dem Personal vorbehalten, um den Bus und seine Einrichtungen vor unsachgemäßer Behandlung zu bewahren. Dieses Risiko hat sich vorliegend nicht realisiert, weshalb es am Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen einem etwaig pflichtwidrigen Delegieren des Rampenbetriebs und dem Schaden fehlt.
cc) Jedoch begegnet es durchgreifenden Bedenken, soweit das Landgericht dem Kläger einen grob fahrlässigen Verstoß in der Wahrnehmung der im eigenen Interesse gebotenen Sorgfalt vorgeworfen hat.
aaa) Nach Einholung des Gutachtens des Sachverständigen H. steht zwar fest, dass es dem Kläger keineswegs unmöglich war, den Rollstuhl längs zur Fahrtrichtung auszurichten: Der Sachverständige hat in Fahrversuchen mit dem klägerischen Rollstuhl festgestellt, dass ein Einparken des Rollstuhls in der Fahrzeuglängsachse technisch durchaus möglich war. Zugleich hat der Sachverständige in den Fahrversuchen demonstriert, dass der elektrische Rollstuhl aufgrund seiner Außenmaße nur mit einigem Rangieraufwand längsachsial auszurichten war: Der Einparkvorgang dauerte in den Fahrversuchen mindestens eine Minute. Dieser Zeitraum ist recht lang. Der Kläger konnte daher nicht von vornherein davon ausgehen, dass es ihm gelingen würde, den Einparkvorgang abzuschließen, bevor der Bus seine Fahrt fortsetzen würde. In Anbetracht des Umstandes, dass der Kläger sich gesteigerten Gefahren ausgesetzt hätte, wenn sich der Rollstuhl zum Anfahrzeitpunkt noch in Bewegung befunden hätte, übersteigt der Sorgfaltsverstoß die Grenze der einfachen Fahrlässigkeit noch nicht. Hierbei ist in die Bewertung einzubeziehen, dass das nicht augenfällige Piktogramm (Bl. 52 d. A.) durchaus übersehen oder auch falsch gedeutet werden kann. Letztendlich kann dem Piktogramm nicht mit Eindeutigkeit entnommen werden, dass das Piktogramm nicht nur den Standort eines Rollstuhls, sondern auch dessen Ausrichtung symbolisieren will, wenngleich der Senat keine Zweifel daran hat, dass dem Kläger als erfahrenem Rollstuhlfahrer bewusst gewesen ist, dass eine längsachsiale Ausrichtung ein Sturzrisiko vermindert hätte.
bbb) Stehen sich in der Haftungsabwägung nach § 9 StVG, § 254 BGB die einfache, nicht um ein Verschulden des Fahrers gesteigerte Betriebsgefahr des Busses und ein einfach fahrlässiger Verstoß des Klägers in der Wahrnehmung seiner eigenen Angelegenheiten gegenüber, so erscheint es interessengerecht, die unfallursächlichen Schäden auf der Grundlage einer hälftigen Haftungsquote zu liquidieren.
4. Für die Bemessung des mit dem Klageantrag zu 2) geltend gemachten Schmerzensgeldes besitzen Gegenstand und Umfang der unfallursächlichen Verletzungen ein besonderes Gewicht.
a) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist nicht zur Überzeugung des Senats festgestellt, dass der Kläger – so seine Behauptung – infolge des Sturzes vier Zähne verloren habe: Eine solche Verletzungsfolge lag bereits nach der Aussage des Zeugen Ö. fern (GA I Bl. 59 ff.): Der Zeuge hat ausgesagt, er habe keine äußerlichen Verletzungsfolgen gesehen. Auf Frage habe der Kläger ihm mitgeteilt, dass ihm der linke Arm weh tue und er Schmerzen im Rückenbereich habe. Mit dieser Aussage ist es kaum zu vereinbaren, dass sich der Kläger vier Zähne ausgeschlagen hat (so seine Einlassung im Termin vom 31.3.2011; GA I Bl. 56 d. A.): Unabhängig davon, dass eine solche Verletzung kaum „unblutig“ und mithin für einen außenstehenden Unfallhelfer unbemerkt verlaufen kann, wären mit einem Verlust von vier Zähnen im Regelfall erhebliche Schmerzen verbunden gewesen, die eine solch gravierende Verletzungsfolge nicht in den Hintergrund hätten treten lassen.
Auch die ergänzende schriftliche Befragung der den Kläger behandelnden Zahnärztin Ba. hat den Klägervortrag nicht bestätigt: Die Ärztin hat in ihrer Stellungnahme vom 18.9.2013 zwar mitgeteilt, dass im Mai 2010 eine Oberkieferneuversorgung in Angriff genommen worden sei. Allerdings ist der Stellungnahme nicht zu entnehmen, dass diese Maßnahme im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Unfallereignis stand: Die Zahnärztin hat berichtet, dass sie dem Kläger bereits am 12.6.2008 zu einer Neuversorgung des Oberkiefers angeraten habe, nachdem sich eine Oberkiefer-Frontzahnbrücke komplett gelockert hatte. Hinzu kam, dass der Zahn Nummer 13 komplett zerstört war und die Frontzahnbrücke bzw. die Kronen nicht mehr richtig abschlossen. Zusammenfassend lässt sich in der ärztlichen Stellungnahme kein Anhaltspunkt dafür finden, dass der Kläger zu irgendeinem Zeitpunkt anlässlich eines Unfallereignisses in der Praxis der Zahnärztin vorsprach und eine Behandlung wegen „ausgeschlagener Zähne“ in Anspruch nahm.
b) Soweit der Kläger bis heute unter fortdauernden Beeinträchtigungen und Schmerzen in Schulter und Hüfte klagt, ist eine Unfallursächlichkeit dieser Beeinträchtigungen auch unter dem abgeschwächten Beweismaß des § 287 ZPO nicht bewiesen:
Zwar haben die den Kläger behandelnden Ärzte Dr. R. und B. in ihren schriftlichen Stellungnahmen (GA I Bl. 199; II Bl. 272 t) ausgeführt, dass der Kläger kontinuierlich anhaltend vom 26.5.2010 bis heute unter Funktionseinbußen des rechten Armes und Schmerzen in der Rotatorenmanschette sowie im Bereich der rechten Oberschenkelhüftregion leide. Indessen steht die Unfallursächlichkeit dieser Beschwerden nicht fest: Der Sachverständige Prof. Dr. R. hat in seinem Sachverständigengutachten vom 23.10.2013 (GA II Bl. 273 ff.) die von den Hausärzten attestierten aktuellen Beschwerden bestätigt. Allerdings hat der Sachverständige zugleich ausgeführt, dass diese gesundheitlichen Beschwerden nicht adäquate Folgen des Unfallereignisses sind, sondern dass die im einzelnen dargelegten Veränderungen der Halswirbelsäule, der Defekte an den Rotatorenmanschetten der rechten und linken Schulter sowie die massiv fortgeschrittene Hüftgelenksarthrose rechts ausschließlich degenerativer Natur sind. Diese sachverständige Einschätzung tritt insbesondere darin anschaulich zu Tage, dass die arthrotischen Veränderungen in der rechten Hüfte zu einer vollständigen Zerstörung des Gelenks führten. Eine solche Gesundheitsbeeinträchtigung steht mit dem Unfallereignis erkennbar in keinem Zusammenhang. Letztendlich hat der Sachverständige eine Unfallursächlichkeit der Funktionsbeeinträchtigungen auch der oberen Extremitäten plausibel für ausgeschlossen erachtet, weil das Unfallereignis selber unstreitig keine strukturell-anatomischen Schäden hervorrief und die massiven degenerativen Veränderungen auch auf der nicht vom Unfall betroffenen Körperhälfte symmetrisch aufgetreten sind. Nach der Einschätzung des Sachverständigen R. hat der Kläger als nachweisbare Unfallfolgen lediglich Prellungen im Gesicht, Schulter- und Beckenbereich davongetragen, die die körperliche Befindlichkeit mit abnehmender Intensität für die Dauer von längstens sechs Wochen beeinträchtigten.
In Anbetracht dieses eindeutigen medizinischen Befundes wird der Nachweis der Unfallursächlichkeit nicht allein aufgrund der zeitlichen Nähe geführt, die zwischen dem Unfallereignis und der Aufnahme der hausärztlichen Behandlung (am 26.5.2010 bei Dr. Rieder) besteht. Es ist nicht ersichtlich, dass die behandelnden Ärzte die Ursache der vom Kläger geklagten Beschwerden anlässlich der Aufnahme der Behandlungen ergründeten und diagnostische Maßnahmen ergriffen, um die Plausibilität des vom Kläger geschilderten Unfallablaufs und hieraus entstandener Beschwerden zu überprüfen. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass der Kläger das Unfallereignis nur zum Anlass nahm, um sich wegen bereits manifester Beschwerden in ärztliche Behandlung zu begeben.
c) Schließlich kann unentschieden bleiben, ob der Kläger derzeit unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet, die einer fortdauernden Behandlung durch den Neurologen und Psychiater B. bedarf. Auch hinsichtlich dieser Beschwerde fehlt es an belastbaren Anknüpfungstatsachen, die eine Unfallursächlichkeit dieser behaupteten Gesundheitsbeeinträchtigung möglich erscheinen lassen: Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kippte der Rollstuhl des Klägers nicht vollständig um, sondern geriet lediglich in eine Schräglage, woraus sich der Kläger leichte bis allenfalls mittelgradige Prellungen zuzog. Es ist nicht plausibel, dass ein solches Schadensereignis – so die Diagnose des Facharztes B. (GA I Bl. 203, II Bl. 272 t) – geeignet war, das Selbstwertgefühl des Klägers und dessen Selbstsicherheit dauerhaft einzuschränken. Dem steht nicht zuletzt entgegen, dass der Kläger – wie der Bericht in der Saarbrücker Zeitung vom ….2013 (GA II Bl. 272 p) beweist – als Leserreporter durchaus in der Lage ist, seine Interessen als Rollstuhlfahrer gegenüber der Bahn nachhaltig wahrzunehmen: Im Bericht stellt der Kläger dar, dass er zur Betreuung seiner Patienten saarlandweit Fahrten mit Bussen und der Bahn unternehme. Auf einer Fahrt nach Merzig sei ihm auf der Hin- und der Rückfahrt ein Zugang zu den Bahnen zunächst verweigert worden. Dies geschehe ihm regelmäßig, worüber sich der Kläger empörte.
Weiterhin ist von Relevanz, dass auch der Facharzt B. seine Diagnose vom Bestehen einer posttraumatischen Belastungsstörung auf die Prämisse stützt, dass der Kläger seit dem Unfallereignis fortdauernd unter Funktionseinbußen seines Bewegungsapparates leide (GA II Bl. 272 t). Nachdem ein Kausalzusammenhang zwischen diesen andauernden Beschwerden und dem Unfallereignis nicht hergestellt werden konnte, erscheint eine weitere psychiatrische Begutachtung zur Validierung der behaupteten posttraumatischen Belastungsstörung nicht mehr sachgerecht, der definitionsgemäß (Wikipedia, Suchbegriff: posttraumatische Belastungsstörung, Version 9.2.2014) ein oder mehrere Ereignisse von außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophalem Ausmaß vorangehen. Diese Grenze wird vorliegend bei Weitem nicht erreicht.
d) Damit steht zur Überzeugung des Senats lediglich fest, dass der Kläger durch den partiellen Sturz Prellungen im Gesicht, Schulter- und Beckenbereich erlitt, die die körperliche Befindlichkeit mit abnehmender Intensität über einen Zeitraum von längstens sechs Wochen belasteten. Unter Berücksichtigung des Mitverschuldens erachtet der Senat zum Ausgleich dieser Gesundheitsbeeinträchtigungen ein Schmerzensgeld von 250 EUR für angemessen, aber auch für hinreichend. Nach der Pfändung der Ansprüche hat der Kläger seinen Klageantrag auf Zahlung an den Pfändungsgläubiger umgestellt, weshalb auf Leistung an den Pfändungsgläubiger zu erkennen war.
5. Auch die Feststellungsklage bleibt ohne Erfolg: Die Erhebung einer Feststellungsklage setzt gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ein Feststellungsinteresse voraus. Dieses ist – sofern die Feststellungsklage bei der Verletzung eines absoluten Rechtsgutes die Einstandspflicht bezüglich künftiger Schadensfolgen betrifft – nachgewiesen, wenn der Eintritt künftiger Schadensfolgen möglich, nicht notwendigerweise wahrscheinlich ist (BGH, Urt. v. 16.1.2001 – VI ZR 381/99, NJW 2001, 1432, vgl. BGHZ 116, 60, 75). Diese Rechtsgrundsätze sind nicht dahin zu verstehen, dass jede noch so fernliegende Möglichkeit einer Spätfolge ausreicht, um das Feststellungsinteresse zu begründen, solange eine Spätfolge nur nicht mit absoluter Gewissheit ausgeschlossen werden kann. Vielmehr fehlt das Feststellungsinteresse schon dann, wenn bei verständiger Würdigung mit dem Eintritt des Schadens nicht mehr zu rechnen ist (BGH, Beschl. v. 9.1.2007 – VI ZR 133/06, NJW-RR 2007, 601). Davon ist im vorliegende Fall auszugehen: Die allein unfallursächlichen Prellungen sind bei verständiger Würdigung folgenlos verheilt.
6. Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten folgt aus § 249 Abs. 2 S. 1 BGB, da die Mandatierung eines Rechtsanwalts eine zweckentsprechende Maßnahme der Rechtsverfolgung darstellt. Der Höhe nach war der Aufwendungserstattungsanspruch auf die Gebühren zu begrenzen, die aus der Geltendmachung der berechtigten Forderung resultieren.
B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2, § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).