LG Frankenthal – Az.: 2 S 180/11 – Urteil vom 07.03.2012
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 29. April 2011 unter Aufhebung im Kostenpunkt geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.131,24 € nebst Zinsen hieraus iHv. 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. März 2010 zu zahlen.
II. Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtstreits zu tragen.
IV. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 1.131,24 €.
Gründe
Zur Darstellung des Sachverhaltes kann auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen werden. Hiervon ausgehend führt die zulässige Berufung des Klägers in der Sache zu dem mit ihrer Einlegung erstrebten Erfolg, das Anschlussrechtsmittel der Beklagten hingegen nicht.
Der Kläger hat aufgrund des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB Anspruch auf vollen Ersatz der durch das Gutachten des Sachverständigen Z vom 3. März 2011 als zur ordnungsgemäßen Behebung der an seinem Pkw entstandenen Unfallbeschädigungen erforderlich erachteten Reparaturkosten iHv. 5.480,15 € (netto). Entgegen dem Amtsgericht ist dieser Betrag nicht etwa deshalb in Höhe des Wiederbeschaffungsaufwandes – hier 4.496,- € – gedeckelt, weil der Kläger nur auf Gutachtensbasis (fiktiv) abrechnet und nicht nachgewiesen hat, dass er sein Fahrzeug fachgerecht entsprechend den gutachterlichen Vorgaben hat. Die im angefochtenen Urteil zwar nicht erwähnte, vom Erstgericht jedoch offenbar ins Auge gefasste Entscheidung des BGH vom 7. Juni 2005 (VI ZR 192/04; NZV 2005, 453 ff), ist hier nicht einschlägig. Denn jener Entscheidung lag zugrunde, dass der – wie hier fiktiv abrechnende – Geschädigte nicht mitgeteilt hatte, was er nach dem Unfall mit seinem Unfallfahrzeug gemacht hat; nach den dortigen Feststellungen war vielmehr davon auszugehen, dass er es überhaupt nicht weiterbenutzt, sondern alsbald in unrepariertem Zustand weiterveräußert und dadurch den ihm verbliebenen Restwert realisiert hat. Da der (dortige) Geschädigte sich mithin den darin liegenden teilweisen Schadensausgleich anrechnen lassen müsse, sei der Anspruch auf Ersatz der fiktiven Reparaturkosten durch den Wiederbeschaffungsaufwand begrenzt (BGH aaO. S. 454).
Der vorliegend zur Entscheidung stehende Fall ist indes anders gelagert: Hier hat der Kläger sein Unfallfahrzeug erst weit nach Ablauf der zum Nachweis seines Integritätsinteresses üblicherweise erforderlichen 6-monatigen Frist verkauft. Als Herr des Restitutionsverfahren in seiner Dispositionsbefugnis grundsätzlich frei, hat er sich in die Schädigerseite schadensrechtlich bindender Weise dafür entschieden, sein Fahrzeug nach dem Unfall weiter zu benutzten und den ihm verbliebenen Restwert gerade nicht zu realisieren. Damit stellt der Restwert lediglich einen hypothetischen Schadensposten dar, der sich nach höchstrichterlicher Rechtsprechung in der Schadensbilanz nicht niederschlagen darf. Deshalb ist es für den Anspruch auf Ersatz der fiktiven Reparaturkosten ohne Berücksichtigung des Restwertes allein entscheidend, dass der Geschädigte sein Fahrzeug weiter nutzt, sei es auch in beschädigtem, aber noch verkehrstauglichem Zustand. Er kann es nach allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen unrepariert weiternutzen und den zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag sogar anderweitig verwenden. Tut er dies mindestens 6 Monate lang, so kann er zum Ausgleich des durch den Unfall verursachten Fahrzeugschadens, der – wie hier – den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigt, die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes ohne Abzug des Restwertes verlangen (BGH NJW 2006, 2179 mwN.).
Da mithin nach alledem davon auszugehen ist, dass sich die bei einer Reparatur der Unfallbeschädigungen in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallenden und damit nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als zur Herstellung erforderlich anzunehmenden Kosten auf den vom Kläger durch Vorlage des Gutachtens Zimmer vom 3. März 2010 nachgewiesenen Nettobetrag belaufen, stellt sich allenfalls noch die Frage, ob sich der Kläger im Rahmen seiner fiktiven Schadensabrechnung auf den Einwand der Beklagten verweisen lassen muss, dass ein qualitativ gleichwertiges Reparaturergebnis in einer der im DEKRA-Prüfgutachten aufgelisteten Werkstätten zu einem Nettopreis iHv. 4.348,91 € hätte erreicht werden können. Diese Frage hat das Amtsgericht zutreffend verneint. Damit unterliegt die Anschlussberufung der Zurückweisung.
Denn nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGHZ 155, 1 ff = NJW 2003, 2086 ff; sog. „Porsche-Urteil“) hat der Geschädigte grundsätzlich einen Anspruch auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten – und zwar unabhängig davon, ob er sein Auto voll, minderwertig oder überhaupt nicht repariert. Dies gilt auch dann, wenn er seinen Reparaturkostenschaden fiktiv, d. h. auf der Grundlage eines Kostenvoranschlages oder eines Sachverständigengutachtens, geltend macht (BGH NJW 2010, 606 ff). Allerdings ist der Geschädigte unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, im Rahmen des Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Deshalb muss er sich grundsätzlich auch auf eine kostengünstigere Reparaturmöglichkeit verweisen lassen, wenn ihm eine solche ohne weiteres zugänglich ist und sie ihm ein einer Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt qualitativ und technisch gleichwertiges Ergebnis liefert. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür liegt beim Schädiger.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend aber nicht erfüllt. Eine andere, kostengünstigere Reparaturmöglichkeit ist dem Geschädigten nämlich nur dann mühelos zugänglich, wenn er sie kennt oder wenn sie ihm vom Schädiger vor der Reparatur in einer Weise nachgewiesen wird, dass er die qualitative Gleichwertigkeit des dortigen Reparaturergebnisses ohne eigene weitere Recherchen unschwer erkennen kann (OLG Düsseldorf DAR 2008, 523 ff; LG Krefeld NZV 2010, 580 f). Hiervon kann hinsichtlich der Angaben im DEKRA-Prüfgutachten vom 17. März 2010 auch nur etwa annähernd nicht die Rede sein, wo es – völlig nichtssagend – heißt, dass die dort benannten Betriebe „eine sach- und fachgerechte sowie qualitativ hochwertige Reparatur nach Herstellervorgaben“ gewährleisten würden. Selbst wenn, was die Beklagte noch nicht einmal behauptet hat, dieses Prüfgutachten dem Abrechnungsschreiben vom 18. März 2010 beigefügt gewesen sein sollte, hätte der Kläger sich nicht ohne weitere Nachforschungen ein zuverlässiges Bild davon machen können, ob dort die Reparaturarbeiten denen einer markengebundenen Fachwerkstatt qualitativ gleichwertig sind.
Demgegenüber kann die Beklagte nicht mit Erfolg geltend machen, dass sie die Gleichwertigkeit spätestens jetzt im Prozess durch Sachverständigengutachten unter Beweis gestellt habe und dass dies jedenfalls deshalb auch nicht verspätet sei, weil der Kläger ja nur fiktiv abrechne. Der in diesem Zusammenhang erstinstanzlich erfolgte Hinweis der Beklagten auf die Entscheidung des OLG Braunschweig vom 27. Juli 2010 (7 U 51/08; Verkehrsrecht aktuell 2011, 21 f) verfängt nicht. Denn dort ging es darum, dass der Schädiger den Geschädigten zwar erst mehrere Wochen nach dem Schadensereignis, aber jedenfalls noch vorprozessual rechtzeitig auf eine kostengünstigere Reparaturmöglichkeit hingewiesen hatte. Anders ist es dagegen in dem der oben genannten Entscheidung des OLG Düsseldorf zugrunde liegenden Fall gewesen: Dort hatte der Schädiger dem Geschädigten – wie hier – vorprozessual keine ausreichenden Informationen für eine eigene Gleichwertigkeitsprüfung oder für eine Überprüfung der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer Verweiswerkstatt zukommen lassen, sondern – wie hier – erstmals in der Klageerwiderung 4 angeblich zertifizierte Karosseriefachbetriebe benannt. Wenn aber eine Verweisung auf die günstigere Reparatur in einer nicht markengebundenen Fachwerkstatt überhaupt Wirksamkeit entfalten können soll, so muss diese nicht nur konkrete Informationen zu der Ausstattung und den Qualitätsmerkmalen der benannten Fachwerkstatt enthalten, sondern darf auch nicht erst im Prozess zu einem Zeitpunkt erfolgen, der jeden Zusammenhang zum Schadensereignis vermissen lässt und die Schadensminderungspflicht des Geschädigten nicht tangiert (Nugel in jurisPR-VerkR 18/2001 Anm. 1 zu OLG Düsseldorf aaO.).
Das leuchtet ein: Denn wenn man die aus dem Verweis auf eine ohne weiteres zugängliche qualitativ gleichwertige günstigere Reparaturmöglichkeit folgende Verpflichtung des Geschädigten, diese Möglichkeit auch wahrzunehmen, – dogmatisch richtig – im Zusammenhang mit der ihm nach § 254 Abs. 2 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht sieht, kann ein solcher Verweis allenfalls dann Wirksamkeit entfalten, wenn und solange der Geschädigte überhaupt noch vor der Entscheidung steht, ob und wie er sein Unfallauto reparieren lässt.
Das wird in aller Regel nur in der Zeit unmittelbar nach dem Schadensereignis der Fall sein. Sobald der Geschädigte sich aber wie hier der Kläger dafür entschieden hat, das Auto nicht nach den Vorgaben des Schadensgutachtens reparieren zu lassen, sondern es ggf. unrepariert oder in nur teilrepariertem Zustand weiter zu nutzen, so kann sich für ihn naturgemäß auch nicht mehr die Frage einer Minderung der im Gutachten ausgewiesenen Kosten durch die Vergabe eines Reparaturauftrages an die Verweiswerkstatt stellen. Denn der Verweis auf eine kostengünstigere Reparaturmöglichkeit soll den Geschädigten in die Lage versetzen, die problemlose Zugänglichkeit sowie insbesondere die Gleichwertigkeit der alternativ vorgeschlagenen Instandsetzung ein einer nicht markengebundenen Fachwerkstatt zu überprüfen. Diese Überprüfung ist aber dann obsolet, wenn die Reparatur bereits stattgefunden hat oder wenn sie – wie hier aufgrund anderweitiger Dispositionen des als Herr des Restitutionsverfahrens insoweit freien Geschädigten – nicht mehr stattfinden wird. Die Sachlage ist dann nicht grundlegend anders, als wenn der Geschädigte die Unfallschäden in einer markengebundenen Fachwerkstatt hätte zu Kosten reparieren lassen, die unterhalb der gutachterlich geschätzten liegen. Auch dann könnte er nach § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB die gutachterlich ausgewiesenen Reparaturkosten fiktiv abrechnen, ohne sich auf eine demgegenüber kostengünstigere Reparaturmöglichkeit in einer nicht markengebundenen freien Werkstatt verweisen lassen zu müssen.
Da nach alledem die angefochtene Entscheidung auf die klägerische Berufung hin unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Beklagten im Sinne des erstinstanzlichen Klagebegehrens zu ändern gewesen ist, hat die Beklagte nach §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO auch die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.