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Totalschaden: Darf Versicherung höheren Online-Restwert fordern, wenn ich das Auto weiterfahre?

Eine Autofahrerin wollte ihr unfallbeschädigtes Fahrzeug, obwohl es ein Totalschaden war, unbedingt weiterfahren. Doch während ihr Gutachter den Restwert des Wagens mit 500 Euro bezifferte, rechnete die gegnerische Versicherung eine fast fünffach höhere Restwertforderung von 2.450 Euro an. Plötzlich fehlten der Frau über 2.000 Euro für die erforderliche Ersatzbeschaffung ihres Autos.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 33 S 48/23 e | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landgericht Schweinfurt
  • Datum: 04.04.2024
  • Aktenzeichen: 33 S 48/23 e
  • Verfahren: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Schadensrecht, Verkehrsrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Eine Person, deren Fahrzeug nach einem Verkehrsunfall einen Totalschaden erlitt. Sie forderte von der Versicherung des Unfallverursachers Schadensersatz auf Basis des Gutachtens, wobei sie ihr Fahrzeug weiterhin nutzte.
  • Beklagte: Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers. Sie wollte einen höheren Wert für das beschädigte Fahrzeug anrechnen, um weniger Schadensersatz zahlen zu müssen.

Worum ging es genau?

  • Sachverhalt: Nach einem Verkehrsunfall erlitt das Fahrzeug der Klägerin einen Totalschaden. Sie nutzte das beschädigte Fahrzeug weiter und forderte Schadensersatz unter Anrechnung des höchsten regionalen Restwerts aus dem Sachverständigengutachten.

Welche Rechtsfrage war entscheidend?

  • Kernfrage: Muss jemand, der sein unfallbeschädigtes Auto nach einem Totalschaden weiterfährt, einen viel höheren Restwert anrechnen lassen, der nur über spezielle Online-Börsen zu erzielen wäre und nicht vom Gutachter vor Ort gefunden wurde?

Entscheidung des Gerichts:

  • Urteil im Ergebnis: Die Berufung der Klägerin hatte Erfolg und das Urteil der Vorinstanz wurde abgeändert.
  • Zentrale Begründung: Ein Geschädigter, der sein unfallbeschädigtes Fahrzeug weiterhin nutzt, muss sich keinen höheren Restwert anrechnen lassen, den er nur durch Verkauf über spezielle Online-Börsen realisieren könnte.
  • Konsequenzen für die Parteien: Die Klägerin erhält den geforderten Restschadensersatz sowie weitere Anwaltskosten, und die Beklagte muss die gesamten Prozesskosten tragen.

Der Fall vor Gericht


Was passiert, wenn die Versicherung den Wert eines Unfallwagens viel höher einschätzt als der eigene Gutachter?

Nach einem Verkehrsunfall stand eine Autofahrerin vor einem Dilemma. Ihr Fahrzeug war so stark beschädigt, dass eine Reparatur wirtschaftlich keinen Sinn mehr machte – ein sogenannter Totalschaden. Trotz der erheblichen Schäden war das Auto aber noch fahrbereit und die Eigentümerin entschied sich, es vorerst weiter zu nutzen.

Ein Mann reicht der Frau im beschädigten Wagen das Restwertangebot der Versicherung, während sie prüfend aus dem Fenster blickt – eine Entscheidung, die den Wert ihres Unfallschadens neu schreibt.
Wie wird der höhere Restwert beim Totalschaden richtig anerkannt? Ein Blick hinter die Kulissen zwischen Geschädigten und Versicherern zeigt: Konflikt und Klärung liegen oft nah beieinander. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Sie beauftragte einen Sachverständigen, um den Schaden für die gegnerische Haftpflichtversicherung zu beziffern. Das Gutachten war eindeutig: Der Wiederbeschaffungswert für ein gleichwertiges Fahrzeug lag bei 5.500 €. Der Restwert des Unfallwagens, also der Betrag, den man bei einem Verkauf auf dem regionalen Markt noch erzielen könnte, wurde auf 500 € taxiert.

Doch die Versicherung des Unfallverursachers sah das anders. Sie war der Meinung, das Wrack sei deutlich mehr wert und wollte der Fahrerin einen fast fünfmal höheren Betrag anrechnen. Dieser Konflikt führte die beiden Parteien schließlich vor das Landgericht Schweinfurt, das eine grundlegende Frage des Schadensrechts klären musste.

Wie kam es zu der finanziellen Auseinandersetzung zwischen der Fahrerin und der Versicherung?

Die Berechnung des Schadensersatzes bei einem Totalschaden ist im Grunde eine einfache Subtraktion: Man nimmt den Wert, den ein Ersatzfahrzeug kosten würde (Wiederbeschaffungswert), und zieht davon den Wert ab, den das beschädigte Fahrzeug noch hat (Restwert). Die Differenz muss die Versicherung erstatten.

Die Autofahrerin rechnete auf Basis ihres Gutachtens: 5.500 € Wiederbeschaffungswert minus 500 € Restwert, plus weitere Kosten wie die für das Gutachten selbst. Ihr Sachverständiger hatte sich bei der Ermittlung des Restwerts an die gängige Praxis gehalten: Er holte drei verbindliche Angebote von Autohändlern aus der Region ein und legte das höchste dieser Angebote – eben jene 500 € – zugrunde.

Die gegnerische Versicherung widersprach dieser Berechnung. Sie argumentierte, für das Unfallfahrzeug sei am Markt ein Restwert von 2.450 € erzielbar. Dieser deutlich höhere Betrag stammte vermutlich von einer spezialisierten Online-Plattform, einer sogenannten Restwertbörse, auf der Händler aus dem ganzen Land auf Autowracks bieten. Die Versicherung zahlte daher nur einen Teil des geforderten Betrags und zog von der Gesamtsumme den von ihr ermittelten, höheren Restwert ab. Für die geschädigte Fahrerin bedeutete dies eine Lücke von über 2.000 € in ihrer Schadensabrechnung.

Warum gab das erste Gericht der Versicherung recht?

Die Fahrerin zog vor das Amtsgericht Schweinfurt, um die ausstehende Summe einzuklagen. Überraschenderweise folgte das Gericht zunächst der Argumentation der Versicherung. Es entschied, dass sich die Klägerin den höheren Restwert von 2.450 € anrechnen lassen müsse. Ihre Klage wurde daher größtenteils abgewiesen; ihr wurde nur ein kleiner Bruchteil der geforderten Summe zugesprochen.

Die Logik des Amtsgerichts basierte auf dem Grundsatz der Schadensminderungspflicht. Dieses Prinzip besagt, dass ein Geschädigter verpflichtet ist, den Schaden so gering wie möglich zu halten. Wenn es also eine realistische Möglichkeit gibt, für das Unfallwrack einen deutlich höheren Preis zu erzielen, müsse der Geschädigte diese auch wahrnehmen. Nach dieser Auffassung war es der Fahrerin zumutbar, sich den höheren Verkaufserlös anrechnen zu lassen, auch wenn dieser nicht von einem lokalen Händler, sondern von einem überregionalen Aufkäufer stammte.

Mit welcher Begründung wehrte sich die Autofahrerin gegen das erste Urteil?

Die Autofahrerin akzeptierte dieses Urteil nicht und legte Berufung beim Landgericht Schweinfurt ein. Ihr zentrales Argument war, dass die Entscheidung des Amtsgerichts ihr Recht auf Selbstbestimmung verletze. Dieses Recht, von Juristen als Dispositionsfreiheit bezeichnet, ist im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert (§ 249 BGB). Es gibt dem Geschädigten die Befugnis, frei darüber zu entscheiden, wie er den Schaden beheben möchte. Er kann das Auto reparieren lassen, ein neues kaufen oder – wie in diesem Fall – das beschädigte Fahrzeug einfach weiterfahren.

Die Klägerin argumentierte, dass sie genau von diesem Recht Gebrauch gemacht hatte, indem sie sich entschied, das Auto nicht zu verkaufen, sondern weiter zu nutzen. Sie könne daher nicht gezwungen werden, einen theoretischen Verkaufserlös zu akzeptieren, den sie in der Realität nie erzielen wird. Ein Verweis auf eine Restwertbörse sei unzumutbar. Solche Angebote sind oft nur für sehr kurze Zeit gültig und setzen einen sofortigen Verkauf voraus. Dies würde sie zwingen, ihr Auto abzugeben, obwohl sie es behalten will. Das Ziel des Schadensersatzes sei es, ihren ursprünglichen Zustand wiederherzustellen, nicht den Gewinn für die Versicherung durch einen Zwangsverkauf zu maximieren.

Warum hat das Landgericht das Urteil der ersten Instanz vollständig aufgehoben?

Das Landgericht Schweinfurt schloss sich der Sichtweise der Autofahrerin vollumfänglich an und korrigierte die Entscheidung der Vorinstanz. Die Richter stellten klar, dass das Urteil des Amtsgerichts einer rechtlichen Überprüfung nicht standhält, weil es die Rechte der Geschädigten falsch bewertet hatte.

Der entscheidende Punkt für das Gericht war die Tatsache, dass die Klägerin ihr Fahrzeug weiterhin nutzte. In einem solchen Fall, so die Richter, gelten die vom Bundesgerichtshof seit Langem aufgestellten Grundsätze. Die Dispositionsfreiheit des Geschädigten hat hier Vorrang. Die Versicherung darf dem Opfer keine bestimmte Art der Verwertung aufzwingen, die seinen eigenen Plänen widerspricht.

Das Gericht erklärte, dass sich ein Geschädigter, der sein Auto behält, nicht auf einen hypothetischen Restwert von einer überregionalen Börse verweisen lassen muss. Die Grundlage für die Abrechnung ist in so einem Fall das, was ein seriöser Sachverständiger auf dem allgemeinen, regional zugänglichen Markt ermittelt. Die Fahrerin hatte sich bereits den höchsten der drei von ihrem Gutachter ermittelten regionalen Werte anrechnen lassen. Mehr könne man von ihr nicht verlangen.

Welches Recht des Geschädigten stand im Mittelpunkt der Entscheidung?

Im Kern der Entscheidung des Landgerichts stand die Ersetzungsbefugnis des Geschädigten nach § 249 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Man kann sich das wie ein Wahlrecht vorstellen: Nach einem unverschuldeten Unfall hat das Opfer die Wahl. Es kann den Zustand von vor dem Unfall wiederherstellen lassen (Reparatur) oder sich den dafür notwendigen Geldbetrag auszahlen lassen.

Dieses Wahlrecht darf nicht durch die Versicherung untergraben werden. Die Richter stellten fest, dass genau dies geschehen würde, wenn man die Fahrerin zwingen würde, einen Restwert zu akzeptieren, den sie nur durch einen Verkauf erzielen könnte. Das Gericht fasste die geltende Rechtslage im Wesentlichen so zusammen:

  • Der Standardfall: Ein Geschädigter darf sich auf das Gutachten seines Sachverständigen verlassen, solange dieses den Restwert auf dem für ihn maßgeblichen regionalen Markt korrekt ermittelt.
  • Die Weiternutzung als Schlüsselfaktor: Entscheidet sich der Geschädigte, das Fahrzeug zu behalten und weiterzufahren, kann er nicht auf einen höheren Verkaufserlös verwiesen werden. Ein Verkauf steht ja gerade nicht zur Debatte.
  • Die Ausnahme: Nur unter ganz besonderen Umständen könnte ein Geschädigter verpflichtet sein, eine günstigere Verwertungsmöglichkeit zu nutzen. Die Versicherung müsste dann aber beweisen, dass diese Möglichkeit für den Geschädigten ohne Weiteres und ohne unzumutbare Bedingungen zugänglich ist. Diesen Beweis hatte die Versicherung hier nicht erbracht.

Das Erzwingen eines Verkaufs über eine Online-Börse mit engen Zeitfenstern wäre eine solche unzumutbare Bedingung und ein unzulässiger Eingriff in die Rechte der Autofahrerin.

Wie berechnete das Gericht den endgültigen Schadensersatz?

Auf Grundlage dieser klaren rechtlichen Einordnung nahm das Landgericht eine Neuberechnung des gesamten Schadens vor. Es setzte dabei konsequent die Werte aus dem Gutachten der Klägerin an. Die Rechnung sah nun so aus:

Der Wiederbeschaffungswert von 5.500,00 € wurde um den korrekten Restwert von 500,00 € gemindert. Hinzu kamen die Kosten für das Gutachten (1.440,38 €), die Kosten für eine Reparaturbestätigung (129,71 €) und eine allgemeine Auslagenpauschale (30,00 €). Dies ergab eine Gesamtschadenssumme von 6.600,09 €.

Da die Versicherung bereits 4.515,38 € gezahlt hatte, verblieb eine offene Differenz von exakt 2.084,71 €. Das Gericht verurteilte die Versicherung, diesen Betrag nebst Zinsen an die Klägerin zu zahlen. Zusätzlich musste die Versicherung auch die restlichen Anwaltskosten der Klägerin übernehmen, die aufgrund des höheren Streitwerts ebenfalls neu berechnet wurden. Damit trug die Versicherung am Ende die gesamten Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

Wichtigste Erkenntnisse

Ein Geschädigter entscheidet bei einem Totalschaden souverän über die Art der Schadensbehebung und kann sein Fahrzeug auch weiter nutzen.

  • Recht auf Selbstbestimmung: Ein Geschädigter entscheidet frei über die Art der Schadensbehebung und ob er ein beschädigtes Fahrzeug weiter nutzen oder veräußern will.
  • Abrechnung bei Weiternutzung: Bleibt ein beschädigtes Fahrzeug im Besitz des Geschädigten, bemisst sich der anzurechnende Restwert nach regionalen Gutachterangeboten, nicht nach überregionalen Verkaufsplattformen.
  • Grenzen der Schadensminderungspflicht: Die Pflicht, den Schaden gering zu halten, zwingt Geschädigte nicht dazu, ihr Fahrzeug unter unzumutbaren Bedingungen zu verkaufen.

Diese Prinzipien schützen die Autonomie des Geschädigten und sichern eine faire Schadensregulierung.


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Das Urteil in der Praxis

Für jeden, der nach einem Unfall sein Fahrzeug weiter nutzen will, ist dieses Urteil des Landgerichts Schweinfurt ein Fels in der Brandung. Es macht unmissverständlich klar: Die Dispositionsfreiheit des Geschädigten steht über dem Bestreben der Versicherung, mittels Restwertbörsen einen künstlich hohen Verwertungserlös herbeizureden. Wer sein Unfallfahrzeug behält, muss sich nicht auf hypothetische Erlöse überregionaler Märkte verweisen lassen, die einen sofortigen Verkauf erzwingen würden. Dieses Urteil stärkt die Rechte des Geschädigten massiv und verhindert, dass Versicherungen die Schadensminderungspflicht als Hebel zur unzulässigen Beschneidung der Wahlfreiheit missbrauchen.


Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was ist der grundlegende Anspruch auf Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall?

Der grundlegende Anspruch auf Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall zielt darauf ab, den Geschädigten so zu stellen, als wäre der Unfall nie passiert. Diesen Zustand nennt man auch Naturalrestitution. Man kann sich dies wie ein Wahlrecht vorstellen: Hat Ihnen jemand versehentlich etwas beschädigt, soll dieser den ursprünglichen Zustand wiederherstellen. Wenn etwa ein Nachbar versehentlich einen Zaunpfahl beschädigt, ist er verpflichtet, den Pfahl zu reparieren oder Ihnen das Geld für die Reparatur zu geben, damit Sie es selbst tun können.

Der Geschädigte hat dabei die Befugnis, frei darüber zu entscheiden, wie der Schaden behoben werden soll. Gemäß § 249 des Bürgerlichen Gesetzbuches besteht die Wahlmöglichkeit, das beschädigte Eigentum reparieren zu lassen oder sich den zur Reparatur erforderlichen Geldbetrag auszahlen zu lassen. Dies wird als Ersetzungsbefugnis oder Dispositionsfreiheit bezeichnet.

Diese Entscheidungsfreiheit ist ein hohes Gut und darf von der gegnerischen Versicherung nicht untergraben werden. Der Geschädigte trifft die eigenständige Entscheidung darüber, was mit seinem beschädigten Eigentum geschieht. Er kann es reparieren, ein neues kaufen oder auch beschädigt weiterfahren. Die Versicherung darf ihm keine bestimmte Art der Verwertung aufzwingen, die seinen eigenen Plänen widerspricht. Diese Regelung schützt die Selbstbestimmung des Geschädigten und sein Recht, über sein Eigentum zu verfügen.


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Wie werden der Wiederbeschaffungswert und der Restwert eines Fahrzeugs bei einem Totalschaden ermittelt?

Bei einem Totalschaden ermittelt ein qualifizierter, unabhängiger Sachverständiger den Wiederbeschaffungswert und den Restwert eines Fahrzeugs. Der Wiederbeschaffungswert ist der Preis, den ein vergleichbares unfallfreies Fahrzeug unmittelbar vor dem Unfall hatte. Der Restwert hingegen ist der Betrag, den das beschädigte Fahrzeug trotz seiner Schäden noch auf dem regionalen Markt erzielen kann.

Man kann sich das vorstellen wie beim Verkauf eines gebrauchten Gegenstandes: Der Wiederbeschaffungswert ist der Preis für ein gleichwertiges, unversehrtes Ersatzstück. Der Restwert ist der Betrag, den man für das beschädigte Original noch erhält, selbst wenn es nicht mehr vollständig nutzbar ist. Die Differenz beider Werte stellt den finanziellen Verlust dar.

Die grundlegende Formel zur Ermittlung des Schadensersatzes bei einem Totalschaden lautet daher: Der Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts. Die Differenz ist der Betrag, den die gegnerische Versicherung dem Geschädigten erstatten muss. Ein unabhängiger Sachverständiger ist die maßgebliche Instanz für die korrekte Ermittlung dieser Werte. Für die Bestimmung des Restwerts holt der Sachverständige typischerweise verbindliche Angebote von Autohändlern aus der Region ein und legt das höchste dieser Angebote zugrunde.

Diese präzise Wertermittlung stellt sicher, dass der Geschädigte den ihm zustehenden finanziellen Ausgleich für den erlittenen Fahrzeugschaden erhält.


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Welche Auswirkungen hat es auf den Schadensersatz, wenn ein unfallbeschädigtes Fahrzeug nach einem Totalschaden weitergenutzt wird?

Entscheiden Sie sich nach einem Totalschaden, Ihr unfallbeschädigtes Fahrzeug weiter zu nutzen, so hat dies besondere Auswirkungen auf die Berechnung des Schadensersatzes. In diesem Fall wird der Restwert des Fahrzeugs ausschließlich auf Basis des allgemeinen, regional zugänglichen Marktes ermittelt, wie er von einem unabhängigen Sachverständigen festgestellt wurde.

Stellen Sie sich vor, Sie haben ein geliebtes, aber leicht beschädigtes Möbelstück. Sie möchten es behalten und weiterverwenden, obwohl Ihnen jemand einen hohen Preis dafür bieten würde, wenn Sie es verkaufen würden. Niemand kann Sie zwingen, Ihr Möbelstück zu verkaufen, nur weil ein Dritter mehr dafür bieten würde. Ähnlich verhält es sich mit Ihrem Auto nach einem Unfall.

Dies liegt an der sogenannten Dispositionsfreiheit, einem grundlegenden Recht des Geschädigten, das im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert ist. Dieses Recht erlaubt es Ihnen, frei darüber zu entscheiden, wie Sie mit dem beschädigten Eigentum verfahren möchten. Wenn Sie das Fahrzeug behalten und weiter nutzen möchten, müssen Sie sich nicht auf höhere Restwertangebote von überregionalen Märkten oder Online-Börsen verweisen lassen. Solche Angebote sind oft nur für sehr kurze Zeit gültig und setzen einen sofortigen Verkauf voraus, was der Absicht der Weiternutzung widerspricht.

Diese Regelung stellt sicher, dass das Unfallopfer die volle Kontrolle über seine Entscheidung behält und nicht zu einem Verkauf gezwungen wird, der seinen persönlichen Bedürfnissen widerspricht.


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Unter welchen Umständen können Versicherungen auf höhere Restwertangebote von Online-Plattformen verweisen?

Versicherungen können nur dann auf höhere Restwertangebote von Online-Plattformen verweisen, wenn der Geschädigte beabsichtigt, sein beschädigtes Fahrzeug tatsächlich zu verkaufen. Grundsätzlich ist man als Geschädigter verpflichtet, den Schaden so gering wie möglich zu halten, was als Schadensminderungspflicht bezeichnet wird.

Stellen Sie sich vor, Sie haben ein wertvolles, aber beschädigtes Möbelstück, das Sie eigentlich behalten möchten. Jemand bietet Ihnen online einen hohen Preis dafür an. Trotz dieses Angebots müssen Sie es nicht verkaufen, wenn Sie es lieber behalten wollen.

Möchte der Geschädigte das Fahrzeug hingegen behalten und weiter nutzen, ist ein Verweis auf solche Online-Angebote in der Regel unzumutbar. Diese Angebote sind oft nur kurz gültig und erfordern einen sofortigen Verkauf, was die Entscheidungsfreiheit des Geschädigten unzulässig einschränken würde. Gerichte stellen klar, dass ein Geschädigter nicht gezwungen werden darf, sein Fahrzeug abzugeben, wenn er es eigentlich weiterfahren möchte.

Die Versicherung muss zudem beweisen, dass ein höheres Angebot für den Geschädigten ohne Weiteres und ohne unzumutbare Bedingungen tatsächlich zugänglich und realisierbar war. Diese Regelung schützt die Wahlfreiheit des Geschädigten.


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Warum ist ein unabhängiges Gutachten nach einem Verkehrsunfall so wichtig?

Ein unabhängiges Gutachten nach einem Verkehrsunfall ist äußerst wichtig, weil es eine verlässliche und neutrale Grundlage für die genaue Bestimmung des Schadens bildet. Es dient dazu, die eigenen Ansprüche gegenüber der Versicherung des Unfallverursachers präzise zu beziffern und durchzusetzen.

Stellen Sie sich einen Fußball-Schiedsrichter vor, der nicht nur auf die Aussage einer beteiligten Mannschaft hört, sondern eine unabhängige Videoanalyse nutzt, um eine faire Entscheidung zu treffen. Ähnlich schafft ein unabhängiges Gutachten eine solche neutrale Grundlage, auf die sich alle verlassen können – auch ein Gericht.

Das Gutachten eines eigenen Sachverständigen ermittelt den tatsächlichen Wert des Schadens, wie den Wiederbeschaffungswert eines Ersatzfahrzeugs und den Restwert des Unfallwagens. Es schützt somit davor, dass Versicherungen versuchen, geringere Beträge anzurechnen, als Ihnen tatsächlich zustehen. Insbesondere bei einem Totalschaden ist es entscheidend, den korrekten Restwert auf dem regionalen Markt zu ermitteln.

Darüber hinaus beinhaltet ein umfassendes Gutachten oft auch weitere wichtige Nebenkosten, die über den reinen Fahrzeugwert hinausgehen, wie die Kosten für das Gutachten selbst, für Reparaturbestätigungen oder allgemeine Auslagen. Im Streitfall dient ein solches fundiertes Gutachten als wichtiges Beweismittel, auf das sich Gerichte in der Regel stützen, um den Schaden objektiv zu berechnen.

Diese objektive Einschätzung durch einen unabhängigen Sachverständigen gewährleistet, dass Geschädigte ihre Rechte umfassend und fair geltend machen können.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Dispositionsfreiheit

Dispositionsfreiheit bedeutet, dass Sie als Geschädigter nach einem Unfall selbst und frei entscheiden können, wie Sie den Schaden an Ihrem Eigentum beheben möchten. Dieses Recht ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 249 BGB), wo es auch als Ersetzungsbefugnis bezeichnet wird, verankert. Es gibt Ihnen die Wahl, ob Sie Ihr Eigentum reparieren lassen, sich den notwendigen Geldbetrag auszahlen lassen oder das beschädigte Gut behalten und weiter nutzen. Es soll sicherstellen, dass Ihre persönliche Entscheidungsfreiheit über Ihr Eigentum gewahrt bleibt und nicht von der Versicherung untergraben wird.

Beispiel: Im vorliegenden Fall berief sich die Autofahrerin auf ihre Dispositionsfreiheit, indem sie ihr unfallbeschädigtes Fahrzeug behalten und weiter nutzen wollte. Das Landgericht bestätigte, dass sie aufgrund dieses Rechts nicht gezwungen werden konnte, einen höheren Restwert über eine Online-Börse zu akzeptieren, der einen Verkauf vorausgesetzt hätte.

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Restwert

Der Restwert ist der Betrag, den Ihr unfallbeschädigtes Fahrzeug trotz seiner Schäden bei einem Verkauf auf dem regionalen Markt noch erzielen könnte. Bei einem Totalschaden wird dieser Wert vom Wiederbeschaffungswert abgezogen, um den tatsächlichen finanziellen Verlust für den Geschädigten zu ermitteln. Er soll den Anteil des Schadens beziffern, den das beschädigte Objekt noch als Verwertungserlös hat.

Beispiel: Im vorliegenden Fall wurde der Restwert des Unfallwagens von der Autofahrerin auf 500 € geschätzt, basierend auf regionalen Angeboten. Die Versicherung wollte jedoch einen Restwert von 2.450 € anrechnen, der von einer überregionalen Restwertbörse stammte, was zum Kern des Rechtsstreits führte.

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Schadensminderungspflicht

Die Schadensminderungspflicht ist ein Grundsatz im Schadensrecht, der besagt, dass Sie als Geschädigter verpflichtet sind, den Schaden so gering wie möglich zu halten. Dieser Pflicht müssen Sie nachkommen, indem Sie zum Beispiel unnötige Kosten vermeiden oder eine offensichtlich günstigere Möglichkeit zur Schadensbehebung nutzen, sofern dies zumutbar ist. Sie soll verhindern, dass der Verursacher des Schadens durch unnötige oder überhöhte Forderungen zusätzlich belastet wird.

Beispiel: Das Amtsgericht argumentierte zunächst mit der Schadensminderungspflicht und urteilte, die Autofahrerin hätte sich den höheren Restwert von 2.450 € anrechnen lassen müssen, da dies den Schaden für die Versicherung minimiert hätte. Das Landgericht sah dies jedoch aufgrund der Weiternutzung des Fahrzeugs als unzumutbar an.

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Totalschaden

Ein Totalschaden liegt vor, wenn Ihr Fahrzeug nach einem Unfall so stark beschädigt ist, dass eine Reparatur wirtschaftlich keinen Sinn mehr macht. Dies ist der Fall, wenn die voraussichtlichen Reparaturkosten den Wert des Fahrzeugs vor dem Unfall (den Wiederbeschaffungswert) übersteigen oder die Reparatur technisch unmöglich ist. In solchen Fällen wird der Schaden in der Regel durch die Auszahlung der Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert reguliert.

Beispiel: Der Artikel beschreibt, dass das Fahrzeug der Autofahrerin einen Totalschaden erlitt, da eine Reparatur wirtschaftlich unsinnig war, obwohl das Auto noch fahrbereit war. Dies war der Ausgangspunkt für die Berechnung des Schadensersatzes und den folgenden Rechtsstreit um den Restwert.

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Wiederbeschaffungswert

Der Wiederbeschaffungswert ist der Betrag, den Sie aufwenden müssten, um ein gleichwertiges, unfallfreies Fahrzeug unmittelbar vor dem Unfallzeitpunkt zu kaufen. Er bildet die Basis für die Berechnung des Schadensersatzes bei einem Totalschaden und soll sicherstellen, dass der Geschädigte finanziell in die Lage versetzt wird, ein adäquates Ersatzfahrzeug zu erwerben. Der Wert wird typischerweise von einem unabhängigen Sachverständigen ermittelt.

Beispiel: Im Fall der Autofahrerin wurde der Wiederbeschaffungswert ihres Fahrzeugs vor dem Unfall auf 5.500 € festgelegt. Von diesem Betrag zog die Versicherung den strittigen Restwert ab, um den zu zahlenden Schadensersatz zu berechnen.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Ersetzungsbefugnis des Geschädigten (§ 249 Bürgerliches Gesetzbuch)
    Nach einem Unfall darf der Geschädigte grundsätzlich selbst entscheiden, wie er seinen Schaden beheben möchte.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Autofahrerin hatte das Recht, ihr beschädigtes Fahrzeug weiter zu nutzen und musste sich nicht zu einem Verkauf oder der Nutzung einer überregionalen Restwertbörse zwingen lassen.
  • Restwertbestimmung bei Weiternutzung (Grundsätze des Bundesgerichtshofs)
    Entscheidet sich ein Geschädigter, sein unfallbeschädigtes Fahrzeug weiterhin zu nutzen, muss er sich nur den Restwert anrechnen lassen, der auf dem regionalen Markt von einem Sachverständigen ermittelt wurde.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Fahrerin musste sich den von ihrem Gutachter auf dem regionalen Markt ermittelten Restwert von 500 € anrechnen lassen und nicht den deutlich höheren Wert einer überregionalen Online-Börse, da sie das Fahrzeug weiterfahren wollte.
  • Schadensminderungspflicht (Grundsatz)
    Wer durch einen anderen geschädigt wird, muss versuchen, den Schaden so gering wie möglich zu halten.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Amtsgericht meinte, die Fahrerin müsse den höheren Restwert anrechnen lassen, um den Schaden zu mindern; das Landgericht stellte jedoch fest, dass dies ihre Wahlfreiheit unzulässig einschränken würde.
  • Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands (§ 249 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch)
    Das Ziel des Schadensersatzes ist es, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der schädigende Unfall nie passiert wäre.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht wollte sicherstellen, dass die Fahrerin so gestellt wird, als hätte sie keinen Unfall gehabt, und nicht, dass die Versicherung durch einen erzwungenen Verkauf des Unfallwagens spart.

Das vorliegende Urteil


LG Schweinfurt – Az.: 33 S 48/23 e – Endurteil vom 04.04.2024


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