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Verkehrsunfall: Sorgfaltspflichten eines Müllfahrzeugfahrers

LG Bielefeld, Az.: 2 O 343/16, Urteil vom 23.03.2017

Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin 2.024,61 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.05.2016 zu zahlen; die Beklagte zu 2) wird weiter verurteilt, die Rechtsanwaltsgebühren für die außergerichtliche Tätigkeit gemäß §§ 13, 14 Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 330,95 EUR an die Klägerin zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) sowie die Hälfte ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten und die Hälfte der Gerichtskosten, sowie die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2).

Die Beklagte zu 2) trägt die Hälfte der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin und die Hälfte ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten.

Im Übrigen tragen die Klägerin und die Beklagte zu 1) jeweils die Hälfte der Gerichtskosten und ihre eigenen außergerichtlichen Kosten.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls in Anspruch, der sich am 29.03.2016 gegen 7:39 Uhr morgens auf der B.-Straße in Bielefeld ereignet hat.

Zur fraglichen Zeit befanden sich die Klägerin und der Zeugen C. mit dem Fahrzeug der Klägerin, einem Peugeot Combi mit dem amtlichen Kennzeichen xx, auf dem Weg zur Arbeit. Das Fahrzeug wurde von dem Zeugen C. gesteuert, während die Klägerin auf dem Beifahrersitz saß.

Auf der B.-Straße mussten sie vor einer Baustellenampel, die für sie Rotlicht zeigte, verkehrsbedingt anhalten. Vor ihnen standen das von dem Beklagten zu 1) gesteuerte Fahrzeuge der Beklagten zu 2), ein Müll-LKW der Marke Volvo mit dem amtlichen Kennzeichen xx sowie dahinter, also zwischen den beiden unfallbeteiligten Fahrzeugen, ein weiteres Müllfahrzeug der Beklagten, in dem sich die Zeugen K. und L. befanden.

Nachdem die Ampel auf „Grün“ umschaltete, ordnete sich das Fahrzeug der Beklagten mit dem amtlichen Kennzeichen xx auf die unmittelbar hinter der Baustellenampel befindliche Linksabbiegerspur ein, weil es beabsichtigte nach links in die Waldemarstraße einzubiegen, wo Sperrgut abgeholt werden sollte. Am Ende der Linksabbiegerspur hielt das Fahrzeug der Beklagten zu 2) zunächst an, weil es den beabsichtigten Abbiegevorgang zunächst nicht fortsetzen konnte, da entgegenkommende Fahrzeuge durchzulassen waren.

Das zweite Müllfahrzeug hielt auf der Geradeausspur unter Inanspruchnahme des dort befindlichen Fahrradstreifens am rechten Fahrbahnrand an.

Als der Beklagte zu 1) schließlich mit dem Müllfahrzeug anfuhr um in die Waldemarstraße abzubiegen, schwenkte sein Fahrzeuge mit dem Heck ein Stückchen in den Straßenraum der Geradeausfahrspur, auf der sich das Fahrzeug der Klägerin befand, ein. Dabei stieß das Fahrzeug der Beklagte hinten rechts gegen das Fahrzeug der Klägerin.

Das Fahrzeug der Klägerin wurde dabei beschädigt.

Die Klägerin macht folgende Schadenspositionen geltend:

1) Reparaturkosten netto 3.133,05 EUR

2) Wertminderung 150,00 EUR

3) Kostennote Reparatur 248,21 EUR

4) Pauschkosten 30,00 EUR

5) Kosten des Sachverständigen (brutto) 672,95 EUR

Summe: 4.204,21 EUR.

Die Klägerin behauptet, der Zeuge C. habe als Fahrer ihres Fahrzeuges zunächst abgewartet, bis das zweite Müllfahrzeug, das, nachdem die Ampel auf Grün umgesprungen war, unstreitig auf der Geradeausspur am rechten Fahrbahnrand anhielt, mit dem Rangieren fertig gewesen sei. Da danach die Durchfahrtsbreite für ihr Fahrzeug ausreichend gewesen sei, sei der Zeuge dann normal angefahren. Der unfallbeteiligte Müllwagen der Beklagten sei, womit wegen des Gegenverkehrs nicht zu rechnen gewesen sei, ebenfalls angefahren und dabei nach rechts ausgeschwenkt, wodurch es zur Kollision gekommen sei.

Sie behauptet, durch den Unfall sei über die unbestritten gebliebene Schadenspositionen hinaus, die von ihr mit 150,00 EUR in Ansatz gebrachte Wertminderung an ihrem Fahrzeug eingetreten. Des Weiteren hält sie eine Unkostenpauschale von 30,00 EUR für angemessen.

Die Klägerin beantragte, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,

1)

an die Klägerin 4.204,21 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.05.2016 zu zahlen;

2)

die Rechtsanwaltsgebühren für die außergerichtliche Tätigkeit gemäß §§ 13, 14 Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 492,54 EUR an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie meinen, der Beklagte zu 1) hafte schon deshalb nicht, weil er das Müllfahrzeug in Ausübung seines Dienstes für die Beklagte zu 2) geführt habe und deshalb von einem hoheitlichen Handeln auszugehen sei.

Im Übrigen treffe ihn an dem Unfall keine Schuld.

Er habe sich ordnungsgemäß unter Setzen des linken Fahrtrichtungsanzeigers auf der Linksabbiegerspur eingeordnet und dort zunächst wegen des Gegenverkehrs anhalten müssen.

Da er in seiner Warteposition auch den hinteren Teil der Linksabbiegerspur teilweise blockiert habe, habe ein entgegenkommendes Fahrzeug mit Lichthupe zu verstehen gegeben, dass es das Beklagten-Fahrzeug würde durchfahren lassen. Zuvor habe der Beklagte zu 1) ca. 10 – 20 Sekunden unverändert gestanden und Gegenverkehr durchgelassen.

Verkehrsunfall: Sorgfaltspflichten eines Müllfahrzeugfahrers
Symbolfoto: Kzenon/Bigstock

Nach kurzem Blick in die Spiegel sei der Beklagte zu 1) angefahren und sei schon fast in die Waldemarstraße eingebogen, als es hinten äußerst rechts an seinem Fahrzeug zum Anstoß mit dem PKW der Klägerin gekommen sei. Angesichts der Dauer des Einbiegevorgangs, der einige Sekunden in Anspruch genommen habe, müsse der Zeuge C. sich hinter dem Müllfahrzeug in Erkenntnis der räumlichen Enge „durchgezwängt“ haben, weil die Geradeausspur in Richtung Herforder Straße zusätzlich durch das zweite, dort abgestellte Müllfahrzeug verengt gewesen sei. Dieses habe leicht in den Straßenraum der Geradeausspur hineingeragt.

Das Hineinschwenken des von dem Beklagten zu 1) gesteuerten Müllfahrzeugs in die Geradeausspur sei wegen der Fahrzeuggröße und der geringen Breite der Linksabbiegerspur unvermeidlich gewesen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Erklärungen der Parteien im Termin vom 23.03.2017 Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis durch uneidliche Vernehmung der Zeugen C., K. und L. erhoben. Es hat ferner Beweis durch Einholung eines mündlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen S. erhoben. Wegen des Beweisergebnisses wird auf das Protokoll vom 23.03.2017 sowie die von dem Sachverständigen S. zu seinem mündlichen Gutachten gefertigte Fotoanlage Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Gegen den Beklagten zu 1) ist sie insgesamt unbegründet, denn dieser hat schon nach dem unstreitigen Parteivortrag in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt. Die Müllabfuhr ist der der öffentlichen Hand obliegenden Daseinsvorsorge zuzurechnen. Ausweislich der Satzung über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen in der Stadt Bielefeld vom 20.12.2004 in der Fassung vom 23.12.2015 betreibt die Stadt Bielefeld zur Erfüllung dieser Aufgaben eine öffentliche Einrichtung und darf sich zur Erfüllung dieser Aufgaben auch ganz oder teilweise Dritter bedienen.

Unabhängig davon, ob die Müllabfuhr im Einzelnen privatrechtlich ausgestaltet ist oder nicht, stellt sie sich jedenfalls gegenüber der Bevölkerung nicht als privatrechtliche Veranstaltung sondern als ein hoheitliches Handeln dar (Palandt 75. Auflage, § 839 Rd-Nr. 20).

Nach Artikel 34 GG haftet der Staat (bzw. eine andere Körperschaft) anstelle des Beamten (bzw. desjenigen, der in Ausübung hoheitlicher Aufgaben gehandelt hat) anstelle des Beamten, soweit dieser in Ausübung des ihm anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt hat; es handelt sich um eine befreiende gesetzliche Schuldübernahme; die persönliche Haftung des Beamten ist ausgeschlossen (Palandt, 75. Auflage, Rd.-Nr. 12 zu § 839 m.w.N.). Dabei erstreckt sich die Geltung des Artikels 34 nicht nur auf Beamte im staatsrechtlichen Sinne sondern auf alle Personen, die in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt haben. Das traf für den Beklagten zu 1) zu.

Gegen die Beklagte zu 2) ergibt sich der Schadensersatzanspruch der Klägerin dem Grunde nach aus § 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 7 Abs. 1 StVG, 17 StVG, denn der Schaden der Klägerin ist beim Betrieb der Kraftfahrzeuge der Parteien entstanden.

Entgegen der Ansicht der Klägerin trägt die Beklagte jedoch nicht die alleinige Haftung.

Die Haftung ist weder für die Klägerin noch für die Beklagten nach § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen, da der Unfall nicht durch höhere Gewalt verursacht worden ist. Durch § 7 Abs. 2 StVG sollen nämlich nur solche Risiken ausgeschaltet werden, die nichts mit dem Kraftfahrzeugbetrieb zu tun haben und bei rechtlicher Beurteilung nicht diesem sondern ausschließlich einem Drittereignis zuzurechnen sind. Im vorliegenden Fall ist das Unfallereignis aber zweifelsfrei dem Kraftfahrzeugbetrieb der unfallbeteiligten Fahrzeuge zuzurechnen.

Der Unfall war auch für keine der Parteien unabwendbar gemäß § 17 Abs. 3 StVG. Für den Unabwendbarkeitsnachweis nach § 17 Abs. 3 StVG trägt derjenige die Beweislast, der sich darauf beruft. Als unabwendbar gilt ein Unfallereignis aber nur dann, wenn die äußerst mögliche Sorgfalt beachtet worden ist.

Da der genaue Unfallhergang nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ungeklärt geblieben ist und nach den Ausführungen des Sachverständigen S. das Vorbringen beider Parteien nicht plausibel ist, lässt sich jedenfalls nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit feststellen, dass der Unfall für das Fahrzeug der Klägerin unvermeidbar in diesem Sinne war.

Gemäß § 17 Abs. 1 StVG hängt im Verhältnis der beteiligten Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Nach anerkannten Rechtsgrundsätzen (BGH, Urteil vom 21.11.2006 – VI ZR 115/05, NJW 2007, 506; Urteil vom 27.06.2000 – VI ZR 126/99, NJW 2000, 3069; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Auflage 44. Auflage; § 17 StVG Rd.-Nr. 5) sind bei der Abwägung der beiderseitigen Verursacherbeiträge nur solche Umstände einzubeziehen, die erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden geworden sind. Die für die Abwägung maßgebenden Umstände müssen nach Grund und Gewicht feststehen, d.h. unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesen sein. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung auf Grund geschaffener Gefährdungslage haben deswegen außer Betracht zu bleiben. Dabei ist es im Regelfall ohne Belang, ob die Halter die unfallbeteiligten Fahrzeuge selbst gefahren haben, da die Verantwortungsbeiträge von Halter und Fahrer zu einer einheitlichen Haftungs- bzw. Zurechnungseinheit verschmelzen (Burmann/Heß/Jahnke/Janker – Straßenverkehrsrecht, 21. Auflage, § 17 Rd.-Nr. 5).

Der konkrete Unfallhergang hat durch die Beweisaufnahme nicht geklärt werden können. Die Aussagen der Zeugen K. und L. sind unergiebig geblieben, weil beide den Unfall nicht beobachtet haben. Die Darstellungen der Klägerin und des Zeugen C. einerseits und des Beklagten zu 1) stehen in einem gewissen Widerspruch zueinander und sind darüber hinaus, wie der Sachverständige S. ausgeführt hat, auch nicht plausibel:

Wie der Sachverständige gut nachvollziehbar ausgeführt hat, zeigt das Schadensbild, dass der Peugeot der Klägerin von hinten angestoßen wurde, also bei der Kollision langsamer als der LKW war oder sogar gestanden hat. Wäre der Peugeot aus einer Position hinter dem Müllwagen normal angefahren, als der zweite Müllwagen mit dem Rangieren fertig war, und wäre der unfallbeteiligte Müllwagen erst danach angefahren, hätte der Peugeot bei der Kollision aber schneller sein müssen als der abbiegende LKW, so dass ihn der Anstoß nicht von hinten hätte treffen können. Auf Grund des Schadensbildes am Fahrzeug der Klägerin muss sich der PKW der Klägerin stehend oder sehr langsam fahrend in der Nähe des Müllwagens befunden haben, als dieser den Abbiegevorgang begann. Dem Zeugen C. fällt damit ein Verstoß gegen § 1 StVO zur Last. Die Verkehrslage war nach dem unstreitigen Parteivorbringen unübersichtlich. Der Zeuge C. konnte erkennen und hat erkannt, dass der Beklagte zu 1) nach links in die Waldemarstraße abbiegen wollte. Er musste damit rechnen, dass er den Abbiegevorgang fortsetzen würde, sobald sich für ihn die Möglichkeit dazu ergab. Ob und wann das der Fall war konnte der Zeuge C. nicht beurteilen. Er hat zwar ausgesagt, er habe nicht damit gerechnet, dass das Fahrzeug anziehen werde, weil es schon geraume Zeit dort gestanden habe und wegen des Gegenverkehrs eigentlich auch gar keine Möglichkeit dazu bestanden habe, dass es links abbog. Andererseits hat er nach eigenen Angaben nicht sehen können, ob noch entgegenkommende Fahrzeuge vorhanden waren und wie sich diese ggfs. verhalten würden, weil ihm das Fahrzeug der Beklagten insoweit die Sicht genommen hatte. Aus diesem Grund hätte er sich darauf einrichten müssen, dass der Beklagte zu 1) den Abbiegevorgang jederzeit fortsetzen könnte. Dass es dabei zum Ausschwenken des ersichtlich großen Fahrzeuges kommen könnte, hätte sich ihm schon nach der Lebenserfahrung aufdrängen müssen. Angesichts der vor Ort gegebenen Enge – das Fahrzeug des Beklagten befand sich beim Warten unstreitig am äußersten rechten Rand der Linksabbiegerspur – war auch damit zu rechnen, dass die Geradeausspur, die er selbst befuhr, dadurch tangiert werden könnte. Mit einem gefahrlosen Vorbeifahren an dem nach links eingeordnet wartend stehenden Müllfahrzeug durfte der Zeuge C. deshalb nicht rechnen, als er sich auf der Geradeausspur, die zudem noch durch das vor ihm rangierende zweite Müllfahrzeug beeinträchtigt war, in die Position neben dem unfallbeteiligten Müllfahrzeug begab, in der es schließlich zur Kollision kam.

Andererseits fällt dem Beklagten zu 1) ein Verstoß gegen § 9 StVO zur Last, denn es spricht schon der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass er der ihm obliegenden doppelten Rückschaupflicht nicht genügt hat. Zwar hat der Beklagte zu 1) im Rahmen seiner persönlichen Anhörung gesagt, er habe unmittelbar vor dem Fortsetzen des Abbiegevorganges noch einmal in den Rückspiegel geschaut und sich vergewissert ob von hinten etwas kam, das Fahrzeug der Klägerin dann aber „irgendwie“ nicht wahrgenommen. Er habe sich tatsächlich auch nach vorne orientiert, weil er auf den Gegenverkehr geachtet habe. Da nach den Ausführungen des Sachverständigen das Fahrzeug der Klägerin aber unabhängig von seinem genauen Standort für den Beklagten zu 1) bei einem Blick in den Rückspiegel jederzeit erkennbar war, ist das Gericht davon überzeugt, dass der Beklagte zu 1) sich gerade nicht ausreichend vergewissert hat, ob ein Fortsetzen des Abbiegevorganges für ihn gefahrlos möglich war.

Den Beklagten kommt die Privilegierung des § 35 Abs. 6 StVO hier nicht zugute. Nach dieser Vorschrift dürfen Fahrzeuge, die der Müllabfuhr dienen und entsprechend gekennzeichnet sind, auf allen Straßen und Straßenteilen und auf jeder Straßenseite in jeder Richtung zu allen Zeiten fahren und halten, soweit ihr Einsatz dies erfordert. Diese Vorschrift suspendiert allerdings nicht vom Allgemeinen Rücksichtnahmegebot. Das bedeutet, dass der Fahrer des privilegierten Fahrzeuges auch in Ausübung dieser Sonderbefugnisse seine Fahrweise darauf auszurichten hat, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als nur unwesentlich behindert oder belästigt wird. Das Kriterium „soweit ihr Einsatz dies erfordert“ enthält nämlich auch eine inhaltliche Beschränkung dahingehend, dass die Erforderlichkeit der Fahrweise im Sinne des § 35 Abs. 6 StVO erst zu bejahen ist, wenn im Sinne einer Unmöglichkeit bei Einhaltung der in der StVO für alle Fahrzeuge geltenden Vorschriften eine Entsorgung nicht mehr möglich wäre. Das war hier aber nicht der Fall. Die Müllentsorgung wäre hier nämlich durch die Einhaltung der sich aus § 9 StVO ergebenden Verpflichtungen in keiner Weise tangiert gewesen.

Bei Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge wiegen diese gleich schwer, so dass eine Haftungsquote von 50 % gerechtfertigt erscheint.

Dabei hat das Gericht davon abgesehen, für das Fahrzeug der Beklagten eine erhöhte Betriebsgefahr anzusetzen. Die Betriebsgefahr eines KFZ wird nämlich durch die Gesamtheit aller Umstände definiert, die geeignet sind, Gefahr in den Verkehr zu tragen. Auf Grund der physikalischen Natur des Fahrvorgangs hängt das Gefahrenpotential u.a. von der Fahrzeuggröße, der Fahrzeugart und dem Gewicht des Fahrzeugs ab. Jedoch ist die Höhe der Betriebsgefahr nicht abstrakt zu berechnen. Vielmehr ist die Betriebsgefahr als Faktor bei der Abwägung der Verursachungsbeiträge bezogen auf den konkreten Schaden zu beurteilen, da sich die Betriebsgefahr erst im Unfallgeschehen manifestiert. Die Höhe der Betriebsgefahr kann nicht losgelöst von der konkreten Unfallsituation, vor allem nicht ohne Blick auf das Fahrverhalten des Unfallgegners bestimmt werden (MDR, 2005, 1287). Die Größe und Schwere des Müllfahrzeugs hat sich für den konkreten Unfall nicht nachhaltig ausgewirkt. Dieser war letztlich der Enge des zur Verfügung stehenden Raums, die der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs gleichermaßen unterschätzt hat, geschuldet.

Der Höhe nach vermindert sich der aufzuteilende Gesamtschaden zum einen um die von der Klägerin in Ansatz gebrachte Wertminderung von 150,00 EUR, denn die Klägerin hat den ihr obliegenden Beweis dafür, dass eine solche eingetreten ist, nicht erbracht. Der Sachverständige S. hat den Ansatz nicht nachvollziehen können.

Pauschale Unkosten schätzt die Kammer in ständiger Rechtsprechung auf 25,00 EUR.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280, 286 und 288 BGB. Darüber hinaus steht der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung der ihr entstandenen Rechtsanwaltskosten aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 839 und 249 BGB zu, jedoch nur nach einem entsprechend der Verurteilung reduzierten Gegenstandswert.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Ziff. 11 und 709 ZPO.

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