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Verkehrsunfall -Kollision mit Fahrstreifen wechselnden vorfahrtsberechtigten Fahrzeug

LG Wuppertal – Az.: 9 S 42/18 – Urteil vom 12.07.2018

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Solingen, 14 C 337/17, vom 30.1.2018 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die haftungsrechtlichen Folgen eines Verkehrsunfalles, der sich am 14.09.2016 in T ereignet hatte. Der Ehemann der Klägerin und Zeuge M befuhr die D-Straße mit einem PKW Ford Focus und wollte nach rechts in die bevorrechtigte L-Straße abbiegen. Auf dieser näherte sich zu diesem Zeitpunkt von links die Beklagte zu 2 mit einem PKW VW Tiguan auf der mittleren der für seine Fahrtrichtung vorgesehenen Fahrspuren. Im späteren Unfallbereich befand sich eine Großbaustelle, wobei zur Verdeutlichung auf das Foto, Bl. 36 der Beiakte, Bezug genommen wird. Die Beklagte zu 2 wechselte auf die rechte Fahrspur, und der VW kollidierte unter im einzelnen streitigen Umständen mit dem Ford, wobei dieser vorne links und der VW an der hinteren rechten Seite beschädigt wurde.Die Klägerin hat 100 % des ihr entstandenen Sachschadens von 1.725 EUR nebst Zinsen und Kosten verlangt.Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Allein der Zeuge M habe den Unfall schuldhaft verursacht. Ihm sei ein Verstoß gegen § 8 StVO vorzuwerfen. Dafür spreche der Beweis des ersten Anscheins. Dieser sei nicht dadurch erschüttert, dass die Beklagte zu 2 vor der Kollision die Fahrspur gewechselt habe, denn § 7 V StVO schütze nur den gleichgerichteten fließenden Verkehr.Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiter verlangt. Die vorzunehmende Abwägung ergebe ein Mitverschulden der Beklagten. Der Anscheinsbeweis sei nicht uneingeschränkt anwendbar, da es sich nicht um einen typischen Geschehensablauf gehandelt habe. Es sei eine Großbaustelle eingerichtet gewesen. Dort wo die Beklagte zu 2 die Fahrspur gewechselt habe, sei die gelbe Leitlinie ununterbrochen gewesen. Der Zeuge M sei auf die freie rechte Fahrspur eingebogen, habe angehalten, da er den VW auf der linken Fahrspur erkannt habe und passieren habe lassen wollen. Zudem sei die Fahrbahn durch Baken verengt gewesen. Die Beklagte zu 2 habe während der Vorbeifahrt den Fahrstreifenwechsel vollzogen und sei dabei mit dem Ford kollidiert. Mit dem Fahrstreifenwechsel habe der Zeuge M nicht rechnen müssen.Im Übrigen wird von der Darstellung eines Tatbestandes gemäß §§ 540 II, 313a ZPO, 26 Nr. 8 S. 1 EGZPO abgesehen.

II.

Verkehrsunfall -Kollision mit Fahrstreifen wechselnden vorfahrtsberechtigten Fahrzeug
(Symbolfoto: Panumas Yanuthai/Shutterstock.com)

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung; § 513 ZPO. Die Klägerin kann von den Beklagten keinen Schadensersatz beanspruchen.Zwar steht nicht fest, dass der Unfall für die Beklagten ein unabwendbares Ereignis dargestellt hatte, sodass nach §§ 7 I, 17, 18 I, III StVG, 823 I, II BGB i. V. m. §§ 8 II 1 und 2 StVO, 115 I 1 Nr. 1 VVG, 426, 249 BGB eine Abwägung der Verursachungsanteile stattzufinden hat. Diese ergibt jedoch, dass allein auf Seiten der Klägerin ein unfallursächliches Verschulden zu berücksichtigen ist, das die auf Seiten der Beklagten einzustellende Betriebsgefahr zurücktreten lässt.Zulasten der Klägerin ist ein Verstoß gegen § 8 II 1 und 2 StVO, d.h. eine Vorfahrtsverletzung zu berücksichtigen.Dafür spricht bereits der eigene Vortrag der Klägerin. Denn danach ist der Zeuge M in die L-Straße eingebogen, obwohl sich auf der mittleren Spur Fahrzeuge näherten und obwohl er – tatsächlich oder nur nach seiner Fehleinschätzung – zur Vollendung des Einbiegens die mittlere Spur hätte mitbenutzen müssen.Jedenfalls aber spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Zeuge M die sich aus § 8 II StVO ergebenden Sorgfaltsanforderungen nicht beachtet hat. Denn die Kollision hat sich in zeitlich und örtlich unmittelbarem Zusammenhang mit seinem Abbiegemanöver ereignet. Der Annahme eines Anscheinsbeweises steht hier auch nicht entgegen, dass die Beklagte zu 2 einen Spurwechsel vorgenommen hat. Denn ihr Vorfahrtsrecht bestand ungeachtet dessen. Die Vorfahrt erstreckt sich nämlich nach ständiger Rechtsprechung auf die Fahrbahn in ihrer gesamten Breite. Der Zeuge M durfte auch grundsätzlich nicht darauf vertrauen, dass die auf der vorfahrtsberechtigten Straße fahrende Beklagte zu 2 den gewählten Fahrstreifen einhält und jedenfalls nicht ohne Ankündigung durch Blinkzeichen die Fahrspur wechselt. Vielmehr musste er selbst mit – nicht fernliegenden – Verkehrsverstößen der Vorfahrtsberechtigten rechnen. Diese Auffassung wird in der Rechtsprechung allgemein (LG Hamburg, 331 O 76/14, bei juris) oder jedenfalls für den Fall vertreten, dass besondere Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der bevorrechtigte Fahrer einen Fahrspurwechsel vornehmen könnte (OLG Hamm, 1 Ss OWi 3164/79, bejaht für eine mehrspurige Straße vor einer Rotlicht zeigenden Ampelanlage; LG Hamburg, 331 S 114/02, beide bei juris). Solche Anhaltspunkte lagen hier vor. Denn es ist bei mehrspurigen Fahrbahnen, die in einem Baustellenbereich, wie hier, verschwenken, und teils auf den eigentlichen Bereich der Gegenfahrbahn geführt werden, oft zu beobachten, dass Fahrzeugführer im letzten Moment doch lieber die Fahrspur benutzen, die nicht im Bereich der Gegenfahrbahn liegt und zu diesem Zweck von einer anderen Fahrspur auf diese wechseln.Dagegen ist auf Seiten der Beklagten ein unfallursächliches Verschulden nicht in die Abwägung mit einzustellen. Soweit die Beklagte zu 2 in ihrer persönlichen Anhörung selbst nicht angegeben hat, vor dem Spurwechsel den Fahrtrichtungsanzeiger betätigt zu haben, ergibt sich hieraus nichts anderes. Denn der Zeuge M hatte ihr Fahrzeug vor der Kollision überhaupt nicht wahrgenommen, so dass sich das Versäumnis der Beklagten zu 2 nicht unfallursächlich ausgewirkt hat. Dass sie eine durchgezogene Linie überfahren hätte, steht nicht fest und liegt unter Berücksichtigung des Fotos, Bl. 36 der Beiakte, auch nicht nahe. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass § 7 V 1 StVO, der einen Fahrspurwechsel nur erlaubt, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist, lediglich den gleichgerichteten und nicht den einmündenden Verkehr schützt.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 I, 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO.Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 2.000 EUR (§§ 43 I, 48 I GKG, 6 S. 1 ZPO)Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 I Nr. 1, II ZPO), bestand nicht. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.Eine grundsätzliche Bedeutung ist nämlich nur dann zu bejahen, wenn die Entscheidung der Sache von einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt, die über den konkreten Rechtsstreit hinaus in Rechtsprechung und Rechtslehre oder den beteiligten Verkehrskreisen umstritten ist (BGH, IV ZR 543/15, bei juris). Anlass zur Fortbildung des Rechts durch Entwicklung höchstrichterlicher Leitsätze im Sinne von § 543 II 1 Nr. 2, 1. Alt. ZPO besteht nur dann, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (BGH, V ZR 291/02, bei juris).

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