LG Kiel, Az.: 1 S 214/15, Beschluss vom 26.01.2017
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Norderstedt vom 07.09.2015, Aktenzeichen 47 C 57/15, wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Norderstedt ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.581,10 € festgesetzt.
Gründe
Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Norderstedt vom 07.09.2015, Aktenzeichen 47 C 57/15, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung der Kammer das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis der Kammer Bezug genommen.
Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung geben zu einer Änderung keinen Anlass.
Zwar ist den Beklagten zuzugestehen, dass § 9 Abs. 5 StVO in der Rechtsprechung teilweise auch auf den Fall angewendet wird, dass aus dem fließenden Verkehr auf einen öffentlichen Parkplatz abgebogen wird. Darauf kommt es hier jedoch nicht an, da auch der erhöhte Sorgfaltsmaßstab des § 9 Abs. 5 StVO an der Haftungsverteilung nichts ändert. Aus der gesteigerten Sorgfaltspflicht ergibt sich kein Anscheinsbeweis, der gegen den Kläger streitet. Zwar wird ein gegen den Abbiegenden sprechender Anscheinsbeweis angenommen, wenn es zu einer Kollision mit dem durchgehenden Verkehr kommt (vgl. Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht 44. Aufl. § 9 StVO Rn. 44). Für die hiesige Konstellation des Linksüberholens bei dem Rechtsabbiegen ist die Annahme eines Anscheinsbeweises gegen den Abbiegenden jedoch nicht zu rechtfertigen. Selbst bei der Beachtung der Sorgfaltspflicht des § 9 Abs. 5 StVO liegt es auf der Hand, dass eine Kollision allein deswegen erfolgen kann, weil der nachfolgende Verkehr nicht aufmerksam genug ist und den nötigen Abstand beim Überholen nicht einhält bzw. das Überholen wegen einer unklaren Verkehrslage nicht unterlässt.
Zudem gibt es keinen Anschein für die Unfallursächlichkeit einer Pflichtverletzung aus § 9 Abs. 5 StVO, weil die Möglichkeit des Abbiegers, auf den rückwärtigen Verkehr zu reagieren, sehr begrenzt ist. Insbesondere, wenn der Abbieger zum Stehen gekommen ist, erscheint es fraglich, wann er bei einem sich von hinten annähernden Motorrad das Bestehen einer Gefahr erkennen können soll und ob er bei dem Erkennen einer Gefahr noch wirksam reagieren kann. Von einer typischen Verantwortung kann daher nicht ausgegangen werden. Eine Mithaftung des Klägers scheidet aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung des § 3 ZPO bestimmt.