AG Essen – Az.: 20 C 463/11 – Urteil vom 03.02.2012
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 598,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz nach BGB seit dem 12.10.2011 zu zahlen.
Die Beklagten werden ferner als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger von vorprozessualen angefallenen, nicht mit der Verfahrensgebühr zu verrechnenden Gebühren der Rechtsanwälte M & Partner in Höhe von 41,77 € freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 15 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 85 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird festgesetzt auf 703,13 €.
Tatbestand
Von der Darstellung des Sachverhaltes wird gemäß § 313 a Absatz 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist teilweise begründet.
Dem Kläger steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme gegen die Beklagten als Gesamtschuldner aus dem Verkehrsunfall vom 12.05.2011 ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 598,13 € gemäß §§ 7 Absatz 1, 18 Absatz 1 StVG, 823 Absatz 1 BGB, 115 Absatz 1 Nummer 1 VVG zu.
1. Aktivlegitimation des Klägers
Die Beklagten haben das Eigentum des Klägers an dem beschädigten Fahrzeug unstreitig gestellt, so dass über seine Eigentümerstellung kein Beweis mehr zu erheben war.
2. Haftung dem Grunde nach
Keiner der Unfallbeteiligten hat den Unabwendbarkeitsnachweis im Sinne von § 17 Absatz 3 StVG geführt, sodass eine Abwägung nach § 17 Absatz 1 und 2 StVG stattzufinden hat. Keiner Partei ist der Beweis gelungen, dass der Unfall für den jeweiligen Fahrer unabwendbar war. Das Gericht ist, wie noch auszuführen sein wird, der Überzeugung, dass die Beklagte zu 1) bei Rotlicht in die Kreuzung eingefahren ist. Gleichwohl ist der Klägerin der Unabwendbarkeitsnachweis nicht gelungen, weil nach ihrem eigenen Vortrag die in den Spuren links und rechts von ihr befindlichen Fahrzeuge rechtzeitig vor der in die Kreuzung einfahrenden Beklagten zu 1) gehalten haben, während dies der Klägerin nicht gelungen ist. Dieser Umstand spricht dafür, dass die Klägerin mit gehöriger Aufmerksamkeit den Unfall hätte vermeiden können.
Die nach § 17 Absatz 1 und 2 StVG vorzunehmende Abwägung führt zu dem Ergebnis, dass die Beklagten allein für den verursachten Schaden haften. Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Beklagte zu 1) bei Rotlicht in die Kreuzung eingefahren ist und auf diese Weise gegen die sich aus § 37 Absatz 3 Nummer 1 Satz 7 StVO ergebende Anordnung gehandelt hat, dass bei Rotlicht vor der Kreuzung anzuhalten ist. Dass sie bei Rotlicht eingefahren ist, steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der Bekundungen der Zeugin C in Verbindung mit der eigenen Einlassung der Beklagten zu 1) fest.
Insofern ist zunächst festzuhalten, dass ausweislich des beigezogenen Signalplans nicht die Möglichkeit besteht, dass die Beklagte zu 1) bei Grünlicht von der F-Straße in die Kreuzung B-Straße./F-Straße eingefahren ist, wenn für die Zeugin C auf der B-Straße. Grünlicht galt. Denn in der Grünlichtphase für die Beklagte zu 1) (Signale 3 und V 3) zeigt die Signalanlage für die Zeugin C (Signal 1) Rotlicht und umgekehrt. Dies bedeutet, dass einer der beiden Unfallbeteiligten bei Rotlicht in die Kreuzung eingefahren sein muss. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Beklagte zu 1) gegenüber der unfallaufnehmenden Polizei angegeben hat, sie sei bei Gelblicht in die Kreuzung eingefahren, und noch gegenüber dem erkennenden Gericht bekundet hat, sie habe das Gelblicht soeben noch aus dem Augenwinkel erkannt, ist damit keine Situation geschildert, die zu erklären vermag, weshalb die Zeugin C angefahren ist. Denn wenn die Vorampel V 3 und Ampel 3 auf der F-Straße Gelblicht anzuzeigen beginnen (Sekunde 42 bzw. Sekunde 43), dauert es noch bis zur Sekunde 53, bis der Klägerin an der Signalampel 1 Grünlicht angezeigt wird. Hieraus kann geschlossen werden, dass eine der Parteien bei Rotlicht in die Kreuzung eingefahren sein muss. Die von der Beklagten zu 1) angeführte Situation eines Kreuzungsräumers gibt es nach ihren eigenen Angaben nicht. Die Beklagte ist nach ihren Bekundungen nicht etwa wegen eines Verkehrshindernisses oder wegen entgegenkommender Fahrzeuge im Kreuzungsbereich stehengeblieben, vielmehr hat sie sich der Kreuzung zügig genähert und ist in sie eingefahren, ohne zuvor angehalten zu haben.
Nach alledem ist ein Rotlichtverstoß bewiesen, wobei das Gericht davon überzeugt ist, dass es die Beklagte zu 1) war, die ihn begangen hat. Insofern ist zunächst festzuhalten, dass sie selbst gegenüber den unfallaufnehmenden Polizeibeamten angegeben hat, sie sei bei „Gelblicht“ in die Kreuzung eingefahren, was immerhin darauf hinweist, dass sie sich nach dem Ende der Grünphase in die Kreuzung hineinbegeben hat. Hier kommt die Aussage der Zeugin C, der anderen Unfallbeteiligten, hinzu, die angegeben hat, sie habe bei Rotlicht vor der Kreuzung gehalten und sei sodann wie die beiden anderen Fahrzeugen rechts und links neben ihr angefahren. Dies wird von der Beklagten zu 1) bestätigt. Denn sie hat wörtlich in ihrer Anhörung gemäß § 141 ZPO erklärt:
„Ich habe noch in Erinnerung, dass zu dem Zeitpunkt, als ich in die Kreuzung einfuhr, die Fahrzeuge losfuhren.“
Gemeint sind damit die Fahrzeuge, die gemeinsam mit der Zeugin C zunächst vor rotem Ampellicht an der Kreuzung standen. Zwar hat die Beklagte zu 1), nachdem ihr von dem Gericht die Bedeutung ihrer Aussage vor Augen geführt worden ist, ihre Angaben revidiert und erklärt, es könne auch so gewesen sein, dass nur die Zeugin C nach vorne gefahren sei, während die anderen Fahrzeug stehengeblieben seien. Sie hat aber nach weiterem Vorhalt folgendes eingeräumt:
„Auch die anderen Fahrzeuge werden angefahren sein, es hat mich aber außer dem Fahrzeug der Zeugin C keiner berührt.“
Unter diesen Umständen geht das Gericht davon aus, dass die Zeugin C zu Beginn der von der Signalampel 1 gezeigten Grünphase in Sekunde 53 losgefahren sein muss. Dies bedeutet dabei gleichzeitig, dass für die Beklagte die Vorampel V3 bereits seit Sekunde 45 und die Ampel 3 seit Sekunde 46 Rotlicht anzeigte. Die Rotphase für die Beklagte muss mindestens 8 Sekunden betragen haben.
Im Rahmen der nach § 17 Absatz 1 + 2 StVG vorzunehmenden Abwägung hat das Gericht zu berücksichtigen, dass die Beklagte zu 1) einen schwerwiegenden Verkehrsverstoß begangen hat. Das Verschulden der Zeugin C beschränkt sich darauf, dass sie bei gehöriger Aufmerksamkeit diesen Verkehrsverstoß hätte erkennen und ebenso wie die Fahrzeuge rechts und links von ihr anhalten können, um den Zusammenstoß zu verhindern. Angesichts des schwerwiegenden Verschuldens der Beklagten zu 1) tritt die vom Klägerfahrzeug ausgehende Betriebsgefahr in Verbindung mit dem Vorwurf, die Zeugin C habe auf den schweren Verkehrsverstoß noch unfallverhindernd reagieren können, zurück. Insofern folgt das Gericht den Überlegungen des OLG Hamm (NZV 2010, 79), wonach die Betriebsgefahr und etwa sie erhöhende Umstände wie ein verspätetes Bremsen hinter dem schwerwiegenden Verschulden des von einem anderen begangenen Verkehrsverstoßes zurückzutreten haben.
3. Schadenshöhe
Die Reparaturkosten veranschlagt das Gericht auf netto 578,13 €. Hierbei geht es von dem von dem Kläger vorgelegten Kostenvoranschlag der Firma F vom 14.07.2011 aus, der mit einem Reparaturkostennettobetrag von 678,13 € abschließt. Die Beklagten haben ihrerseits ihren ursprünglichen Vortrag, das nahezu 10 Jahre alte Fahrzeug müsse Vorschäden haben, aufgegeben, und stattdessen darauf hingewiesen, dass bei einem so alten Fahrzeug ein Abzug „neu für alt“ vorzunehmen sei. Das Gericht folgt der Überlegung der Beklagten, wobei es unter Berücksichtigung des Fahrzeugalters und der zu erwartenden üblichen Gebrauchsspuren gemäß § 287 Absatz 1 ZPO von einem Abzug in Höhe von 100 € ausgeht. Dies sind, was die Beklagten vorgerechnet haben, etwa 30 % der Nettoreparaturkosten. Es verbleibt unter Berücksichtigung des Abzuges „neu für alt“ ein Schadensbetrag von 578,13 €, dem noch die Unkostenpauschale von 20 € zuzuschlagen ist, so dass sich ein Klagebetrag von 598,13 € ergibt. Die Pauschale veranschlagt das Gericht nur auf den Betrag von 20 €, weil der Aufwand der Klägerin denkbar gering war und sich hier darin erschöpfte, dass sie den Kostenvoranschlag der Firma F einholte. Größerer Fahrten- und Telefonaufwand, wie er z. B. bei Unfällen mit einer Körperverletzung entsteht, ist hier nicht angefallen.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 Absatz 1, 291 BGB. Der Freistellunganspruch beruht auf § 280 Absatz 2, 286 Absatz 1 BGB. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Gegenstandswert, von dem die Geschäftsgebühr zu berechnen ist, nur 598,13 € beträgt, so dass die Geschäftsgebühr insgesamt den Betrag von 83,54 € ausmacht, wovon die Klägerseite die Hälfte, also den Betrag von 41,77 €, geltend macht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Absatz 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht aufgrund der §§ 708 Nummer 11, 711 ZPO.