1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.040,89 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen gesetzlichen Basiszinssatz seit dem 16.12.2021 zu zahlen.
2. Die Beklagten werden weiter als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche nicht anrechenbare Rechtsanwaltskosten in Höhe von 18,56 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen gesetzlichen Basiszinssatz seit dem 12.11.2022 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreites haben die Klägerin 50 Prozent sowie die Beklagten gesamtschuldnerisch weitere 50 Prozent zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch die andere Partei jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht zuvor die die Vollstreckung betreibende Partei ihrerseits Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 2.081,78 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Zahlung weiteren Schadensersatzes aus dem Verkehrsunfallereignis, das sich am 17.11.2021 in 78713 Schramberg, Ortsteil Sulgen, auf Höhe des Hauses mit der Nummer siebzehn ereignete, in Anspruch.
Von klägerischer Seite an dem Vorfall beteiligt war der Personenkraftwagen Citroën C3 Picasso 1.6D, amtliches Kennzeichen … zu dem betreffenden Zeitpunkt geführt von der Zeugin …. Die Beklagte zu Ziffer 1) ist Halterin und zum Zeitpunkt des Ereignisses Fahrerin des bei der Beklagten zu Ziffer 2) haftpflichtversicherten Personenkraftwagens Audi A1, amtliches Kennzeichen ….
Am 17.11.2021 befuhr die Tochter der Klägerin, die Zeugin … mit dem benannten Fahrzeug gegen 12:40 Uhr die in 78713 Schramberg, Ortsteil Sulgen, gelegene Hardtstraße in Fahrtrichtung 78739 Hardt. Die Beklagte zu Ziffer 1) befand sich mit ihrem unfallbeteiligten Fahrzeug in gleicher Fahrtrichtung vor der Zeugin, wobei sie von ihrer Tochter, der Zeugin … als Beifahrerin begleitet wurde. Die Beklagte zu Ziffer 1) beabsichtigte, mit ihrem Fahrzeug von der Hardtstraße in eine zu deren Linken gelegene Grundstückseinfahrt ab- beziehungsweise in diese einzubiegen und stand auf Grund entgegenkommenden Verkehrs zunächst auf der Straße. Zwischen den Parteien ist streitig, wo genau sich das von der Beklagten zu Ziffer 1) geführte Kraftfahrzeug relativ zur Fahrbahn gesehen befand und ob beziehungsweise wann die Beklagte zu Ziffer 1) den Fahrtrichtungsanzeiger betätigte. Die sich dem Fahrzeug der Beklagten zu Ziffer 1) rückwärtig nähernde Zeugin wechselte in der Folge auf den linken Fahrstreifen, um das Beklagtenfahrzeug zu überholen und ihre Fahrt fortzusetzen. Während die Zeugin … sich mit dem von ihr geführten Fahrzeug auf der Höhe des Beklagtenfahrzeuges befand, kam es zu einer Kollision zwischen den beteiligten Personenkraftwagen, dessen konkreter Hergang im Einzelnen wiederum zwischen den Parteien des Rechtsstreits in Streit steht.
In Folge des Zusammenstoßes der unfallbeteiligten Fahrzeuge wurde unter anderem der Personenkraftwagen der Klägerin in dem Bereich von dessen rechter Seite beschädigt. Die Reparaturkosten betreffend das von der Zeugin … geführte Fahrzeug belaufen sich ausweislich des durch die Klägerin eingeholten Kostenvoranschlages vom 20.11.2021 (Anlage K2) auf unstreitig 3.097,67 Euro netto zuzüglich einer Unfallkostenpauschale in Höhe von 25,00 Euro, mithin 3.122,67 Euro in Summe.
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 01.12.2021 (Anlage K3) forderte die Klägerin die Beklagte zu Ziffer 2) unter Bezugnahme auf den vorgenannten Kostenvorschuss zur Zahlung eines Gesamtbetrages von 3.576,54 Euro inklusive Unkostenpauschale sowie vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 453,87 Euro bis zum 15.12.2021 auf. Auf die genannten Schadenspositionen bezahlte die Beklagte zu Ziffer 2) mit Schreiben vom 25.08.2022 (Anlage K4) unter Annahme einer Mithaftung der Klägerin von 2/3 einen Betrag von 1.040,89 Euro auf die unfallbedingten Sachschäden sowie von 220,27 Euro auf die geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren. Weitere Zahlungen wurden nicht geleistet.
Die Klägerin behauptet, der Unfall habe sich dergestalt zugetragen, dass die Zeugin … sich dem Beklagtenfahrzeug zunächst mit angemessener Geschwindigkeit rückwärtig genähert habe. Die Beklagte zu Ziffer 1) habe den Fahrtrichtungsanzeiger nicht betätigt, so dass für die Zeugin nicht erkennbar gewesen sei, dass das Fahrzeug der Beklagten zu Ziffer 1) nicht auf der Straße abgestellt gewesen sei, sondern diese nach links auf eine Grundstückseinfahrt einzubiegen beabsichtigt habe. Zu dem Abbiegevorgang selbst habe die Beklagte zu Ziffer 1) erst angesetzt, als die Zeugin … ihrerseits bereits den aus Klägersicht ordnungsgemäßen Überholvorgang begonnen habe.
Sie ist der Auffassung, das Unfallereignis sei für die Zeugin … unvermeidbar gewesen. Zudem treffe die Beklagten auch vor demjenigen Hintergrund die Schuld an dem Unfallereignis, dass die Beklagte zu Ziffer 1) als Fahrzeugführerin ihre doppelte Rückschaupflicht verletzt habe. Letztere vorausgesetzt hätte die Beklagte zu Ziffer 1) die nahende Zeugin sehen müssen. Außerdem streit zu Gunsten der Klägerin der Beweis des ersten Anscheins hinsichtlich einer Sorgfaltspflichtverletzung der Beklagten zu Ziffer 1) als Linksabbiegerin. Die Betriebsgefahr des Fahrzeuges der Klägerin trete daher vollständig hinter das Verschulden der Beklagten zu Ziffer 1) zurück.
Die Klägerin beantragt mit ihrer den Beklagten am 11.11.2022 zugestellten Klage unter Berücksichtigung der bereits erfolgten Teilregulierung der Beklagten zu Ziffer 2) sinngemäß, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie
1. 2.081,78 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen gesetzlichen Basiszinssatz seit dem 16.12.2021 zu bezahlen;
2. weitere vorgerichtliche nicht anrechenbare Rechtsanwaltskosten in Höhe von 18,56 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen gesetzlichen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls und dessen Hergang tragen sie im Wesentlichen vor, die Beklagte zu Ziffer 1) habe im Zeitpunkt der Kollision bereits seit längerer Zeit – nämlich schon bei der Anfahrt an die Position, an der das Beklagtenfahrzeug später gestanden habe – den Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt gehabt. Die Beklagte zu Ziffer 1) habe sich auch relativ mittig im Verhältnis zu der Straße befunden. Weiter habe die Beklagte zu Ziffer 1) vor Einleitung des Abbiegevorganges die rückwärtige Verkehrslage sowohl durch Blick in den Innen- und die Außenspiegel als auch durch Durchführung eines Schulterblicks geprüft. Die Straße sei zu diesem Zeitpunkt frei gewesen, der Unfall dadurch entstanden, dass die das klägerische Fahrzeug führende Zeugin … unmittelbar bevor die Beklagte zu Ziffer 1) ihren Abbiegevorgang habe einleiten können, letztere mit überhöhter Geschwindigkeit vorschriftswidrig habe überholen wollen.
Die Beklagten sind der Auffassung, einen Überholvorgang habe die Zeugin … innerorts bereits nicht durchführen dürfen, so dass bereits aus diesem nach ihrer Rechtsansicht vorschriftswidrigen Verhalten eine überwiegende Haftung der Klägerin folge. Die Beklagten hafteten allenfalls in Folge der dem Beklagtenfahrzeug innewohnenden Betriebsgefahr.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die bei den Gerichtsakten befindlichen Schriftsätze der Parteien nebst etwaiger Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat im Rahmen des mündlichen Verhandlungstermins am 08.03.2023 die Beklagte zu Ziffer 1) persönlich zur Sache angehört und im Übrigen Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeuginnen … und … sowie durch ergänzende Einholung eines mündlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) … jeweils zum Hergang des streitgegenständlichen Verkehrsereignisses. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.04.2023 (Bl. 82-98 d.A.) nebst der von dem Sachverständigen als Anlage zu seinem mündlichen Gutachten zu den Akten gereichten Lichtbildmappen (Bl. 50-70, 71-72 d.A.) Bezug genommen.
Die Parteien des Rechtsstreits haben einer Entscheidung des Gerichts im schriftlichen Verfahren jeweils schriftsätzlich am 05.05.2023 (Bl. 106-107 d.A.) beziehungsweise am 22.05.2023 (Bl. 109-111 d.A.) zugestimmt. Mit Beschluss vom 23.05.2023 hat das Gericht sodann die Fortführung des Rechtsstreites im schriftlichen Verfahren beschlossen und die dem Schluss der mündlichen Verhandlung entsprechende Schriftsatzfrist auf den 20.06.2023 bestimmt (Bl. 112-113 d.A.). Das Gericht hat sodann im Nachgang auf Antrag der Klagepartei die hinsichtlich des streitgegenständlichen Verkehrsunfallereignisses durch die Stadt Schramberg geführte Bußgeldakte, Aktenzeichen 505.10000217.0, beigezogen.
Entscheidungsgründe
1) Nachdem die Parteien des Rechtsstreits im Nachgang des mündlichen Verhandlungstermins einer Fortführung des Rechtsstreites nebst Entscheidung im Wege des schriftlichen Verfahrens zustimmten, kann das Gericht diesen nunmehr ohne erneute mündliche Verhandlung entscheiden, § 128 Abs. 2 ZPO. Ein Ausschlussgrund des § 128 Abs. 2 S. 3 ZPO ist nicht ersichtlich.
2) Die zulässige Klage ist in dem tenorierten Umfang begründet. Über den tenorierten Anspruch hinaus stehen der Klägerin indes die geltend gemachten Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten nicht zu.
a) Die Klage ist zunächst zulässig, wobei sich die sachliche Zuständigkeit des entscheidenden Gerichts aus § 23 Nr. 1 GVG i.V.m. § 71 Abs. 1 GVG unter Berücksichtigung des Streitwertes von 2.081,78 Euro ergibt. Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichtes Oberndorf a.N. beruht auf § 20 StVG, da sich das streitgegenständliche Verkehrsgeschehen unstreitig in 78713 Schramberg und mithin in dem Bezirk des hiesigen Amtsgerichtes zutrug und der Klägerin insofern jedenfalls ein sich auch auf das hiesige Amtsgericht erstreckendes Wahlrecht gemäß § 35 ZPO zusteht.
b) Die erhobene Klage ist indes nur in Teilen begründet. Der mit der Klage geltend gemachte Schadensersatzanspruch steht der Klägerin nur in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe aus den §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 2 StVG, 823 BGB i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG und den §§ 249 ff. BGB gegen die Beklagten zu.
aa) Im Ausgangspunkt zutreffend ist zunächst, dass die Beklagten der Klägerin grundsätzlich als Gesamtschuldner gegenüberstehen, §§ 115 Abs. 1 S. 4, 116 VVG i.V.m. § 421 BGB. Insofern ist auch die Beklagte zu Ziffer 2) als Kraftfahrzeughaftpflichtversicherin der Beklagten zu Ziffer 1) hinsichtlich etwaiger Ansprüche aus dem Unfallgeschehen vom 17.11.2021 passivlegitimiert. Denn die durch die Beklagte zu Ziffer 1) bei der Beklagten zu Ziffer 2) unstreitig abgeschlossene Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung dient definitionsgemäß der Erfüllung der gemäß § 1 S. 1 PflVG bestehenden Verpflichtung, etwaig im Rahmen des Gebrauchs eines Kraftfahrzeuges entstehende Sachschäden abzudecken (vgl. Langheid/Rixecker/ Langheid, 7. Aufl. 2022, VVG § 115 Rn. 13; Prölss/Martin/Klimke, 31. Aufl. 2021, VVG § 115 Rn. 11; Langheid/Wandt/Schneider, 2. Aufl. 2017, VVG § 115 Rn. 15; BeckOK VVG/Steinborn, 18. Ed. 01.02.2023, VVG § 115 Rn. 16).
bb) Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten aus verschuldensunabhängiger (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2009 – VI ZR 239/08, BeckRS 2009, 89502, Rn. 2; BGH, Urteil vom 27. Oktober 2020 – XI ZR 429/19, Rn. 18; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 01. November 2017 – 7 W 39/17, Rn. 3; OLG München, Urteil vom 10. November 2017 – 10 U 491/17, Rn. 3; OLG Zweibrücken, Urteil vom 27. Januar 2021 – 1 U 63/19, Rn. 20, jew. zit. nach juris) Halterhaftung gemäß § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG steht der Klägerin zunächst dem Grunde nach zu.
a) Die Beklagte zu Ziffer 1) war – insoweit zwischen den Parteien des Rechtsstreites unstreitig – zum Zeitpunkt des Unfalles (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 1996 – VI ZR 97/96, Rn. 8, zit. nach juris; BeckOGK/Walter, 01.01.2022, StVG § 7 Rn. 71; MüKoStvR/Engel, 1. Aufl. 2017, StVG § 7 Rn. 21) Halterin des Personenkraftwagens, amtliches Kennzeichen … Denn sie gebrauchte das betreffende Kraftfahrzeug auf eigene Rechnung – zog also die Nutzungen aus seiner Verwendung und bestritt die Kosten für dieses (vgl. OLG München, Urteil vom 01. März 1977 – 5 U 4060/76, Rn. 20; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20. Juli 1990 – 5 Ss (OWi) 245/90 – (OWi) 114/90 I, Rn. 25; OLG Köln, Beschluss vom 08. Oktober 1993— Ss 414/93 (Z), Rn. 6; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 12. Juli 1996 – 3 Ss 114/96, Rn. 9; KG Berlin, Beschluss vom 22. November 2000 – 2 S 262/00 – 3 Ws (B) 529/00, Rn. 5, jew. zit. nach juris) – und besaß die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Fahrzeug, die ein solcher Gebrauch voraussetzt (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 1983 – VI ZR 108/81, Rn. 12; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 20. November 2012 – 6 U 36/12, Rn. 39; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 29. Juli 2020 – 5 U 2/20, Rn. 49; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 05. Januar 2023 – 2 O 6786/21, Rn. 69, jew. zit. nach juris).
ß) Ebenfalls unstreitig zwischen den Parteien des Rechtsstreits ist, dass die Klägerin ihrerseits Eigentümerin des in Folge des streitgegenständlichen Verkehrsunfallereignisses vom 17.11.2021 beschädigten Personenkraftwagens, amtliches Kennzeichen … im Zeitpunkt des Unfallereignisses selbst war sowie nach wie vor ist. Nähere Ausführungen hierzu erübrigen sich an dieser Stelle entsprechend.
y) Eine im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG relevante Rechtsgutsverletzung lag in Gestalt einer Beschädigung des Eigentums der Klägerin ebenfalls vor. Denn zwischen den Parteien des Rechtsstreits steht auch nicht in Streit, dass es einerseits am 17.11.2021 zu dem streitgegenständlichen Verkehrsunfallereignis kam und in Folge dessen andererseits auch das im Eigentum der Klägerin stehende Kraftfahrzeug beschädigt wurde.
δ) Hinsichtlich des für einen Fall des § 7 Abs. 1 StVG konstitutiven Merkmales des Schadenseintritts bei Betrieb eines Kraftfahrzeuges kommt es nach gerichtlicher Überzeugung letztlich weder, auf die zwischen den Parteien zumindest in Teilen streitige Position des von der Beklagten zu Ziffer 1) geführten Fahrzeuges relativ zur Fahrbahn noch auf die Frage, ob sich auch dieses im Zeitpunkt der Kollision in Bewegung befand, an.
Denn Voraussetzung dafür, dass von einem Schadensereignis bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges ausgegangen werden kann, ist nicht, dass sich dieses tatsächlich im Zeitpunkt des Zusammenstoßes in Bewegung befindet, sondern nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes lediglich, dass sich die von einem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang zu einer Fahrt auswirken und realisieren (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2019 – VI ZR 236/18, Rn, 8; BGH, Urteil vom 11. Februar 2020 – VI ZR 286/19, Rn. 10; BGH, Urteil vom 20. Oktober 2020 – VI ZR 158/19, Rn. 7; BGH, Urteil vom 21. September 2021 – VI ZR 726/20, Rn. 6; BGH, Urteil vom 24. Januar 2023 – VI ZR 1234/20, Rn. 9, jew. zit. nach juris). Es macht insofern rechtlich betrachtet keinen Unterschied, ob ein Schaden unabhängig von einem konkreten Fahrbetrieb vor, während oder nach einer Fahrt eintritt, da anderenfalls bereits all jene Konstellation von der Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ausgenommen wären, in denen unabhängig von einem Betriebsvorgang allein ein technischer Defekt einer Betriebseinrichtung für den Schaden eines Dritten ursächlich wurde (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2014 – VI ZR 253/13, Rn. 6; BGH, Urteil vom 20. Oktober 2020 – VI ZR 319/18, Rn. 9; BGH, Urteil vom 20. Oktober 2020 – VI ZR 158/19, Rn. 14; BGH, Urteil vom 20. Oktober 2020 – VI ZR 374/19, Rn. 9; BGH, Urteil vom 24. Januar 2023 – VI ZR 1234/20, Rn. 9, jew. zit. nach juris).
Es kann insofern dahinstehen bleiben, ob sich der von der Beklagten zu Ziffer 1) geführte Personenkraftwagen, bei dem es sich ohne Weiteres um ein Kraftfahrzeug im Sinne des § 1 Abs. 2 StVG handelt (vgl. MüKoStVR/Huppertz, 1. Aufl. 2016, StVG § 1 Rn. 12), im Zeitpunkt der Kollision bereits in Bewegung befand oder sich diese, wie die Beklagte zu Ziffer 1) im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung erklärte, noch bevor sie tatsächlich losfahren konnte, ereignete. Denn der Begriff der Fahrt meint nicht nur die aktive Bewegung eines Kraftfahrzeuges, sondern dessen bestimmungsgemäße Nutzung als Fortbewegungsmittel. Insofern stellt der Bundesgerichtshof regelmäßig zur Abgrenzung bei Kraftfahrzeugen mit Arbeitsfunktionen darauf ab, ob die Fortbewegungs- und Transportfunktion in der konkreten Konstellation eine Rolle spielt oder das betreffende Fahrzeug ausschließlich als Arbeitsmaschine Verwendung findet (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2005 – VI ZR 115/04, Rn. 11; BGH, Urteil vom 24. März 2015 – VI ZR 265/14, Rn. 6; BGH, Urteil vom 08. Dezember 2015 – VI ZR 139/15, Rn. 12; BGH, Urteil vom 21. September 2021 – VI ZR 726/20, Rn. 7, jew. zit. nach juris). Im Fall eines vorliegend auch von Beklagtenseite geschilderten verkehrsbedingten Halts ist davon auszugehen, dass ein in engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang eintretendes Schadensereignis jedenfalls bei Betrieb des Kraftfahrzeuges erfolgte.
cc) Eine Haftung der Beklagten in voller Höhe wie klägerseits vertreten war indes abzulehnen, da auch nach durchgeführter Beweisaufnahme nicht aufzuklären war, ob und wann die Beklagte zu Ziffer 1) den Fahrtrichtungsanzeiger betätigte. Die Klägerin vermochte nicht zur Überzeugung des Gerichts den Beweis für die Unabwendbarkeit des Unfallgeschehens für die Zeugin … zu erbringen, so dass sich die Klägerin im Ergebnis jedenfalls die Betriebsgefahr ihres Kraftfahrzeuges anrechnen lassen muss. Darüber hinaus hatte die vorzunehmende Quotelung den konkreten Umständen des vorliegenden Falls Rechnung zu tragen. Eine Haftungsquote von 1/3 zu 2/3 hält das Gericht daher für angemessen.
a) Zunächst ist festzuhalten, dass sich das streitgegenständliche Unfallereignis aus Sicht der Beklagten zu Ziffer 1) nicht als Fall höherer Gewalt im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG darstellt. Denn ein solcher liegt nur dann vor, wenn der Schaden durch ein betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch äußerste, nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit vom Betriebsunternehmen in Kauf zu nehmen ist, verursacht wird (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 01. November 2017 – 7 W 39/17, Rn. 3; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 16. November 2017 – 4 U 100/16, Rn. 25; OLG Koblenz, Beschluss vom 03. Juni 2019 – 12 U 1071/18, Rn. 8; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 08. März 2021 – 1 U 141/19, Rn. 14, jew.. zit. nach juris).
Ein Verhalten, das mit dem regulären Betrieb eines Fahrzeuges zusammenhängt, kann bereits per definitionem keine höhere Gewalt darstellen. Dies gilt nach Auffassung des Gerichts jedenfalls auch dann, wenn ein Fahrer „relative“ Verkehrsvorschriften wie etwa ein Überholverbot bei unklarer Verkehrslage missachtet. Denn anders als ein durch Verkehrszeichen angeordnetes Überholverbot lässt § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO dem jeweiligen Fahrer letztlich ein Ermessen, das dieser während des Fahrbetriebes ausnutzen kann, wohingegen ein Überholverbot nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 StVO unabhängig von den näheren Umständen im konkreten Fall gilt. Steht – wie vorliegend – lediglich ein Verstoß gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO im Raum, muss daher nach Auffassung des Gerichts ein anderer Verkehrsteilnehmer auch mit einer Fehleinschätzung rechnen. Eine solche ist nach menschlicher Einsicht und Erfahrung gerade nicht unvorhersehbar im Sinne höherer Gewalt.
ß) Die von Klägerseite als Hauptforderung geltend gemachten Schadenspositionen stehen auch der Höhe nach zwischen den Parteien des Rechtsstreites nicht im Streit. Ein Schaden ist der Klägerin zunächst in Außerachtlassung der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 3.122,67 Euro entstanden.
y) Unter Zugrundelegung der oben dargestellten Schadenshöhe erachtet das Gericht vorliegend unter Berücksichtigung der beidseitigen Verursachungsbeiträge eine Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 zu Lasten der Beklagten für angemessen.
aa) Das Gericht geht in freier richterlicher Beweiswürdigung, § 286 ZPO, unter Berücksichtigung der Aussagen der Zeuginnen sowie des erstatteten Gutachtens des Sachverständigen zunächst davon aus, dass sich der Unfall dergestalt ereignete, dass die Beklagte zu Ziffer 1) das von ihr gesteuerte Fahrzeug als die Zeugin … ihren Überholvorgang einleitete jedenfalls nicht sichtbar an den rechten Fahrbahnrand gesteuert hatte. Nicht aufgeklärt werden konnte zur Überzeugung des Gerichts, wann und ob die Beklagte zu Ziffer 1) den Fahrtrichtungsanzeiger betätigte.
Insofern gilt zwar, dass eine von alten Zweifeln freie Überzeugung des Gerichts nicht vorausgesetzt wird, sondern die eigene Überzeugung des entscheidenden Richters erforderlich ist. Auch darf sich der Richter in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl. BGH, Urteil vom 06. Mai 2015 – VIII ZR 161/14, Rn. 11; BGH, Urteil vom 01. Dezember 2016 – I ZR 128/15, Rn. 27; BGH, Urteil vom 05. Oktober 2017 – I ZR 229/16, Rn. 36; BGH, Urteil vom 19. Juli 2019 – V ZR 255/17, Rn. 27; OLG München, Urteil vom 13. Oktober 2022 – 25 U 2340/21, Rn. 17; OLG Nürnberg, Beschluss vom 07. Februar 2023 – 11 W 2076/22, Rn. 19, jew. zit. nach juris). Diesen Grad der Überzeugung konnte das Gericht hinsichtlich der als unaufklärbar zu wertenden Tatsachen indes nicht erreichen.
Die angenommenen Verursachungsbeiträge rechtfertigen sich insofern aus dem Überholen der Zeugin … bei unklarer Verkehrslage, § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO, sowie dem, im konkreten Fall jedoch schwerer wiegenden Verstoß der Beklagten zu Ziffer 1) insbesondere gegen die doppelte Rückschaupflicht, § 9 Abs. 1 S. 4 StVO, sowie die besonderen Pflichten als Linksabbiegerin auf ein Grundstück, § 9 Abs. 5 StVO.
ßß) Hinsichtlich der Position des Fahrzeuges der Beklagten zu Ziffer 1) relativ zur Fahrbahn führten die Klägervertreter zunächst aus, die Zeugin … habe davon ausgehen dürfen, das Fahrzeug der Beklagten zu Ziffer 1) habe in der konkreten Situation geparkt, weshalb ein Überholen zulässig gewesen sei. Die Annahme eines geparkten Fahrzeuges setzt jedoch grundsätzlich voraus, dass das Fahrzeug ordnungsgemäß und mithin am rechten Fahrbahnrand, § 12 Abs. 4 S. 1 StVO, abgestellt ist. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass ein Fahrzeug entgegen dieser Norm abgestellt wird, dies kann indes nach gerichtlicher Überzeugung kein Vertrauen eines anderen Verkehrsteilnehmers, vorliegend der Zeugin … dahingehend begründen, ein unbewegliches Fahrzeug parke.
Den erforderlichen Beweis dafür, dass das Fahrzeug der Beklagten zu Ziffer 1) zum rechten Fahrbahnrand hin orientiert war und mithin auch für die etwaige Berechtigung des Vertrauens der Zeugin … in einen Parkvorgang, konnte die Klägerin nicht erbringen.
Denn die Zeugin … selbst erklärte insoweit im Rahmen ihrer Vernehmung auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts, das Fahrzeug der Beklagten zu Ziffer 1) habe sich, als sie an diesem vorüberfahren wollte, mittig auf der rechten Fahrspur befunden. Allenfalls könne es gewesen sein, dass das Fahrzeug einen Tick rechts gestanden habe. Dass das Fahrzeug am rechten Fahrbahnrand gestanden wäre, sagte die Zeugin indes nicht aus. Schon nach ihrer eigenen Schilderung ist von einem ordnungsgemäß geparkten Fahrzeug nicht auszugehen. Gleichzeitig war die Zeugin eindeutig in ihrer spontanen Schilderung hinsichtlich der Orientierung zur Mitte.
Diese Aussage deckt sich insofern mit der Aussage der Zeugin … die ihrerseits erklärte, die Beklagte zu Ziffer 1) sei ganz normal rechts auf der rechten Fahrbahn gestanden, als auch dieser Aussage eine auf einen Parkvorgang schließende Orientierung hin zum rechten Fahrbahnrand nicht zu entnehmen ist. Insofern gab die Zeugin weiter an, sie hätten sich gerade noch nicht auf der Gegenfahrbahn befunden. Dies wiederum erscheint insofern glaubhaft, als dass sämtliche Beteiligte übereinstimmend von – wenngleich im Einzelnen verschiedenem – Gegenverkehr sprachen. Hätte sich das Fahrzeug der Beklagten zu Ziffer 1) bereits wesentlich auf der Gegenfahrbahn befunden, wäre davon auszugehen, dass die im Gegenverkehr befindlichen Fahrzeugführer hierauf durch entsprechende gestische oder akustische Signale vehement aufmerksam gemacht hätten, zumal die betreffende Straße ausweislich der von dem Sachverständigen gefertigten Lichtbilder keine Fahrbahnmittelmarkierung aufweist. Entsprechend sind genaue Einschätzungen der Beteiligten zwar schwerlich möglich, allerdings sieht es das Gericht angesichts des oben Gesagten jedenfalls als erwiesen an, dass eine sichtbare Orientierung hin zum rechten Fahrbahnrand nicht vorlag. Denn in dieser Hinsicht bietet jedenfalls der Bordstein einen hinreichenden Fixpunkt.
Auch der beigezogenen Akte der Stadt Schramberg lässt sich ein weiteres, wenngleich geringfügiges Indiz dafür entnehmen, dass ein Parkvorgang nicht anzunehmen war. Denn dort heißt es zum Unfallhergang, die Beklagte zu Ziffer 1) habe verkehrsbedingt gewartet. Worauf sich diese Schilderung stützt, ist der Akte indes nicht zu entnehmen, jedoch kann davon ausgegangen werden, dass dies auf die Erklärungen der Beteiligten gestützt ist. Letztlich spricht auch der Umstand, dass die Klägerin und auch die Klägervertreter jeweils von einem „Überholen“ des Beklagtenfahrzeuges durch die Zeugin sprechen, dafür, dass dieses gerade nicht geparkt war. Denn ein Überholen im Rechtssinn liegt allein dann vor, wenn man von hinten an einem anderen Verkehrsteilnehmer vorbeifährt, der sich auf derselben Fahrbahn in derselben Richtung fortbewegt oder der nur mit Rücksicht auf die Verkehrslage anhält (vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 10. Februar 2017 – 13 S 140/16, Rn. 9; zu der identischen Definition im Strafrecht auch BGH, Beschluss vom 03. Mai 1968 – 4 StR 242/67, Rn. 7; BGH, Beschluss vom 28. März 1974 – 4 StR 3/74, Rn. 11; BGH, Beschluss vom 13. Februar 1975 – 4 StR 508/74, Rn. 5; OLG Stuttgart, Beschluss vom 30. Dezember 1976 – 3 Ss (3) 970/76, Rn. 9; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 22. November 1978 – 2 Ob OWi 427/78, Rn. 6; OLG Hamm, Beschluss vom 25. Oktober 1979 – 3 Ss Owi 1683/79, Rn. 7; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 20. Dezember 1979 – 1 Ob OWi 538/79, Rn. 3; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 20. Mai 2003 … 2 Ss 216/01, Rn. 2, jew. zit. nach juris). Ein parkendes Kraftfahrzeug wird nicht im Sinne von § 5 StVO überholt. Vielmehr wird in diesem Zusammenhang von einem Vorbeifahren gesprochen. Streitentscheidend kommt es auf diese grammatikalische Spitzfindigkeit angesichts des bereits Gesagten indes nicht an, so dass auch dahinstehen bleiben kann, ob die Verwendung des dahingehenden Begriffs durch die Klägerseite möglicherweise lediglich versehentlich erfolgte.
Ob die Beklagte zu Ziffer 1) sich, wie in der Klageerwiderung vorgetragen, tatsächlich sichtbar zur Fahrbahnmitte hin orientierte, kann diesbezüglich ebenfalls dahinstehen bleiben. Auch der Sachverständige konnte anhand objektiver Tatsachen die Position der unfallbeteiligten Fahrzeuge relativ zur Fahrbahn nicht rekonstruieren, sondern fertigte unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Aussagen und Einlassungen verschiedene Anstoßskizzen an. Letztlich lässt sich jedenfalls den in dieser Hinsicht übereinstimmenden Aussagen der Zeuginnen entnehmen, dass angesichts der konkreten Position des Beklagtenfahrzeuges seitens der Zeugin … nicht von einem Parkvorgang im Sinne des § 12 StVO ausgegangen werden durfte.
yy) Soweit sich die Klägerin weiter darauf beruft, der Unfall sei für die Zeugin … unvermeidbar gewesen und hierauf ihre Klageforderung unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von einhundert Prozent der Beklagten stützt, hat sich auch hierfür den ihr obliegenden Beweis nicht zur Überzeugung des Gerichts führen können. Dabei setzt die Unabwendbarkeit voraus, dass das betreffende Unfallereignis auch bei der äußerst möglichen Sorgfalt unter Zugrundelegung des Maßstabes eines Idealfahrers nicht abgewendet werden konnte (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2005 – VI ZR 68/04, Rn. 21; BGH, Urteil vom 08. März 2022 – VI ZR 47/21, Rn. 7; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 20. September 2022 – 7 U 201/21, Rn. 13; OLG Celle, Urteil vom 05. Oktober 2022 – 14 U 19/22, Rn. 31; OLG Celle, Urteil vom 31. Januar 2023-14 U 133/22, Rn. 53, jew. zit. nach juris).
Zwar führte der Sachverständige im Rahmen seines Gutachtens aus, es seien Konstellationen denkbar, in denen der Unfall für die Zeugin … tatsächlich unabwendbar gewesen wäre, dies indes hänge allerdings wesentlich davon ab, ob der Fahrtrichtungsanzeiger des von der Beklagten zu Ziffer 1) geführten Fahrzeuges gesetzt gewesen sei. Dies wiederum könne aus Sicht des Sachverständigen nicht rekonstruiert werden.
Anhand der Aussagen der Zeuginnen … und … sowie der Einlassungen der Beklagten zu Ziffer 1) vermag auch das Gericht keine Überzeugung dahingehend zu bilden, ob und wann der Fahrtrichtungswechselanzeiger betätigt wurde.
Die Zeugin … gab an, dies sei nicht der Fall gewesen. Ein entsprechender – auch ausdrücklich als solcher bezeichneter – Vorwurf gegenüber der Beklagten zu Ziffer 1) ist auch in der beigezogenen Akte der Stadt Schramberg vermerkt. Angesichts der Bezeichnung als Vorwurf liegt es jedoch nahe, dass die aufnehmenden Beamten. des Polizeivollzugsdienstes hier einzig die ihnen gegenüber bei der Unfallanzeige getätigte Äußerung der Zeugin … wiedergaben. Dem entgegen stehen die Einlassung der Beklagten zu Ziffer 1) im Termin sowie der Zeugin …, die jeweils erklärten, die Beklagte zu Ziffer 1) habe den Fahrtrichtungsanzeiger betätigt. Im Ergebnis vermag das Gericht keiner der beiden Aussagen einen Vorrang einzuräumen. Es liegt ein non-liquet vor, das hinsichtlich der Unvermeidbarkeit des Unfalls zu Lasten der Klägerin geht.
א) Gestützt auf die Aussage der Zeugin … kann das Gericht vorliegend nicht davon ausgehen, dass der Fahrtrichtungsanzeiger durch die Beklagte zu Ziffer 1) nicht (rechtzeitig) betätigt worden war. Zwar erklärte die Zeugin, die Beklagte zu Ziffer 1) habe nicht geblinkt und erklärte dies ausweislich der beigezogenen Akte auch bereits vor Ort in dieser Form. Das Gericht kann indes auch angesichts der Aussage der Zeugin …-nicht ausschließen, dass es sich hierbei um eine Schutzbehauptung oder aber ein bloßes Übersehen handelt.
Die Beurteilung von Zeugenaussagen richtet sich nach Maßgabe der „Nullhypothese“, so dass eine Zeugenaussage nicht generell als glaubhaft einzustufen ist, sondern eine solche nur entsprechend gewertet werden darf, wenn zur Überzeugung des Gerichts reichende positive Punkte vorliegen (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 14. Oktober 2016 – 9 U 96/16, Rn. 29; OLG Frankfurt, Urteil vom 01. Juni 2018 – 2 U 30/17, Rn. 177; KG Berlin, Urteil vom 02. September 2019 – 25 U 163/17, Rn. 9; OLG München, Verfügung vom 22. April 2020 – 28 U 345/20 Bau, Rn. 14; OLG Rostock, Urteil vom 06. Januar 2022 – 3 U 59/20, Rn. 43; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 27. Oktober 2022— 15 U 118/20, Rn. 40, jew. zit. nach juris). Dabei darf vorliegend nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Zeugin … als Tochter der Klägerin letztlich auch ein nicht zu vernachlässigendes Interesse an dem konkreten Ausgang des Rechtsstreits besitzt.
Für das Gericht bleibt es unter Berücksichtigung aller Umstände nicht nachvollziehbar, weshalb die Zeugin … ohne nähere Schilderung der Umstände angab, die Beklagte zu Ziffer 1) habe nicht geblinkt, sie indes auf ausdrückliche Nachfrage weder Angaben zu dem allgemeinen Beleuchtungsstatus des Beklagtenfahrzeuges noch zu einem Aufleuchten der rückwärtigen Bremsleuchten machen konnte. Da indes die Unfallstelle laut Aussage des Sachverständigen an einer ansteigenden Straße liegt und die Beklagte zu Ziffer 1) in einem bloßen Nebensatz, dem sie selbst unter Berücksichtigung ihrer im Übrigen höchst zweifelhaften Einlassungen keine besondere Bedeutung zumaß, erklärte, sie sei möglicherweise bereits von der Bremse hinuntergegangen, ist jedenfalls davon auszugehen, dass die Beklagte zu Ziffer 1) zunächst die Fußbremse betätigt hatte, um im stehenden Zustand nicht rückwärts zu rollen. Dann hätten indes – insofern für die Zeugin … sichtbar – die rückwärtigen Bremsleuchten geleuchtet.
Zu bedenken ist sicherlich, dass ein gelbes Blinklicht besonders auffällig ist. Nichts anderes gilt indes für rote Bremsleuchten. Die Farbe rot findet allgemein als Signalfarbe zur Kennzeichnung gefährlicher Situationen Verwendung. Dies weil gerade allgemein bekannt ist, dass dieser Farbton zuverlässig optisch wahrgenommen wird. Aus diesem Grund sind auch normale Rückleuchten an Kraftfahrzeugen rot normiert, § 53 Abs. 4 S. 1 StVZO. So soll sichergestellt werden, dass ein Fahrzeug auch bei Dunkelheit für den rückwärtigen Verkehr gut erkennbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 1952 – 1 StR 850/51, Rn. 13, zit. nach juris). Auch Bremsleuchten sind grundsätzlich in roter Färbung gehalten, § 53 Abs. 2 S. 1 StVZO, da diesbezüglich zudem sichergestellt werden muss, dass auch tagsüber ein Abbremsen oder Anhalten eines voranfahrenden Fahrzeuges zuverlässig erkannt werden kann (vgl. Hentschel/König/Dauer/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 53 StVZO Rn. 5), um Auffahrunfälle zu vermeiden. Dass grundsätzlich ein gelber Fahrtrichtungsanzeiger besser in Erinnerung bleibt als ein rot gefärbtes Bremslicht, entspricht jedenfalls nicht der gerichtlichen Erfahrung. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Zeugin vorliegend angab, gerade kein gelbes Licht gesehen zu haben. Es müsste also davon ausgegangen werden, dass die Zeugin sich sicher an eine negative Tatsache (fehlender gelber Fahrtrichtungsanzeiger) erinnerte, ihr eine positive Tatsache mit Signalwirkung (rote Bremsleuchte) jedoch nicht erinnerlich ist. Schon vor diesem Hintergrund vermag das Gericht nicht mit erforderlicher Sicherheit auszuschließen, dass die Zeugin … einen etwaig betätigten Fahrtrichtungsanzeiger lediglich übersah und in Folge dessen auch aus eigener Sicht überzeugt aussagte, ein solcher sei nicht betätigt worden.
ב) Zu berücksichtigen ist auch, dass die Zeugin … aussagte, ihre Mutter habe den Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt. Dabei reklamiert die Zeugin für sich, den Unfalltag besonders gut in Erinnerung zu haben und entsprechend auch zu wissen, dass sie das Ticken des Fahrtrichtungsanzeigers akustisch vernommen habe.
Hierauf vermag das Gericht zwar ebenfalls unter Berücksichtigung der obigen Grundsätze keine Überzeugung positiver Art dahingehend zu bilden, dass der Fahrtrichtungsanzeiger tatsächlich betätigt worden war. Denn es überzeugt das Gericht nicht, weshalb die Zeugin … einen Umstand, der vor dem Unfallgeschehen stattgefunden haben soll, in besonders guter Erinnerung hätte behalten sollen. Das Betätigen des Fahrtrichtungsanzeigers ist ein alltäglicher Vorgang, der bei Autofahrten dutzende Male vorkommt oder jedenfalls vorkommen sollte. Die Zeugin … selbst erklärte, regelmäßig etwa wöchentlich mit der Beklagten zu Ziffer 1) als Beifahrerin zu fahren. Dass sich die Zeugin insofern an jedes einzelne Setzen des Fahrtrichtungsanzeigers erinnern würde, behauptet diese zwar nicht, für das Gericht ist indes nicht erkennbar, inwieweit sich das hier streitentscheidende Setzen des Fahrtrichtungsanzeigers von den vorigen und späteren Fällen dergestalt unterschieden hätte, dass ihr gerade dieser konkrete Fall im Gedächtnis bleiben sollte.
Das Unfallgeschehen ereignete sich jedenfalls nach dem etwaigen Setzen des Fahrtrichtungsanzeigers. Insofern ist es zwar nachvollziehbar, wenn die Zeugin sodann auf verschiedene Eindrücke besonders Acht gab und sich diese – vermittelt durch die einschneidende Wirkung des Unfallereignisses – in deren Gedächtnis »einbrannten“. Für vor dem Unfall liegende Ereignisse gilt dies jedoch nicht. Auch wenn die Zeugin die Schuldfrage mit dem Fahrtrichtungsanzeiger verknüpft hätte, konnte sie vor dem Unfall, als der Fahrtrichtungsanzeiger – je nach Lesart – betätigt wurde oder dies ausblieb, noch nicht wissen, dass es hierauf später einmal ankommen würde. Dass sie diesem wie bereits ausgeführt alltäglichen Umstand ohne besonderen Grund erhebliche Aufmerksamkeit schenkte, erscheint aus gerichtlicher Sicht abwegig.
Auch aus der Schilderung ihrer akustischen Wahrnehmung folgt letztlich keine verlässliche Grundlage für die objektive Richtigkeit der Aussage. Das Geräusch eines Fahrtrichtungswechselanzeigers ist zunächst allgemein bekannt. Auch ist dieses regelmäßig relativ unauffällig, so dass es ein etwaig aktives Autoradio beispielsweise schon nicht übertönen würde. Ob ein solches vorliegend aktiv war, kann angesichts der vorstehenden Ausführungen indes dahinstehen bleiben.
Aus dem bloßen Umstand, dass die Zeugin mitunter nicht zu Gunsten der Beklagten zu Ziffer 1) aussagte, kann aus gerichtlicher Sicht auch nicht gefolgert werden, dass ihre Aussage generell objektiv zutreffend war. Es handelt sich hier nicht um ein positives Merkmal im Sinne der Nullhypothese, sondern um die Abwesenheit eines negativen Merkmals. Letztlich kann das Gericht auch diesbezüglich nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausschließen, dass die Zeugin – subjektiv zutreffend – eine allgemeine Wahrnehmung früherer oder späterer Fahrten mit der Beklagten zu Ziffer 1) mitteilte. Eine positive Überzeugung dahingehend, die Zeugin … habe eine konkrete Erinnerung an den vorliegend relevanten Vorgang des Setzens des Fahrtrichtungsanzeigers kann das Gericht nicht bilden.
ג) Weitere ergiebige Beweismittel stehen nicht zur Verfügung. Der Sachverständige vermochte zur Frage der Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers keine Angaben zu machen und auch in der beigezogenen Akte der Stadt Schramberg finden sich hierzu mit Ausnahme der Wiedergabe der Angabe der Zeugin … zu deren Glaubhaftigkeit sich das Gericht bereits verhalten hat, keine näheren Angaben.
ד) Vervollständigend, wenngleich an dieser Stelle systematisch angesichts der Beweislast der Klägerin nicht relevant, sei zu der Einlassung der Beklagten zu Ziffer 1), sie habe den Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt, gesagt, dass das Gericht diese Einlassung nicht für überzeugend hält. Denn hinsichtlich weiterer Einlassungen der Beklagten zu Ziffer 1) hat der Sachverständige klar festgestellt, dass diese jedenfalls in wesentlichen Teilen nicht plausibel waren. So führte er beispielsweise aus, dass, die Richtigkeit der Einlassung der Beklagten vorausgesetzt, das Klägerfahrzeug für diese bei einem Schulterblick oder über den Außenspiegel sichtbar hätte sein müssen. Dass die Beklagte zu 1) jedoch erklärte, sie habe in den Spiegel geschaut, aber niemanden gesehen, stellt sich damit als Schutzbehauptung dar. Es ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, weshalb aber die Beklagte zu Ziffer 1) einerseits hinsichtlich des Blicks in den Spiegel eine offenbar unzutreffende Angabe machte, gleichzeitig aber deren Einlassung zur Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers zutreffend sein sollte, zumal diesbezüglich auch zu bedenken ist, dass die Einlassung der Beklagten zu Ziffer 1) auch in sich unstimmig war. Denn zunächst erklärte sie, den Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt zu haben, nachdem sie bereits angehalten und der Gegenverkehr vorübergefahren war. Dann erst ergänzte sie nach kurzer Bedenkzeit, bereits bei der Anfahrt an die Stelle geblinkt zu haben.
Ferner erklärte die Beklagte zu Ziffer 1), sie sei im Zeitpunkt des Unfalls noch nicht gefahren, sondern hatte dies gerade erst vor. Auch insofern erachtet das Gericht diese Einlassung angesichts der Ausführungen des Sachverständigen für widerlegt, der unter Bezugnahme auf das Schadensbild (schräg verlaufende Spuren) für das Gericht nachvollziehbar ausführte, diese ergäben sich nur bei Vorwärtsbewegung des Beklagtenfahrzeuges. Den Ausführungen des Sachverständigen, der dem Gericht zwischenzeitlich aus diversen Verfahren bekannt ist, schließt sich das Gericht nach eigener kritischer Prüfung an. Die Angaben des Sachverständigen waren einerseits von großer Sachkunde geprägt, andererseits jedoch für das Gericht zur Gänze nachvollziehbar und verständlich. Der Sachverständige vermochte auch auf Nachfragen mit der erwartbaren Sicherheit zu antworten, wobei er indes auch deutlich zu erkennen gab, wenn Einzelheiten, beispielsweise die Aufprallgeschwindigkeiten der beteiligten Fahrzeuge, auch unter Berücksichtigung seiner Sachkunde nicht rekonstruiert werden konnten.
Im Übrigen lag ein wesentlicher Fokus der Einlassung der Beklagten zu Ziffer 1) auch auf einer aus ihrer Sicht überhöhten Geschwindigkeit der Zeugin … Mehrfach und nachdrücklich erklärte die Beklagte zu Ziffer 1) in insofern eindeutig die Klägerseite belastender Tendenz, der Unfall sei nur auf Grund der überhöhten Geschwindigkeit der Zeugin … erfolgt. Wie die Beklagte zu Ziffer 1) zu dieser, von dem Sachverständigen nicht zu bestätigenden, Erkenntnis kommen konnte, ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, zumal die Beklagte zu Ziffer 1) selbst erklärte, kein rückwärtiges Fahrzeug gesehen zu haben und insofern auch den Fahrverlauf der Zeugin … überhaupt nicht beobachten konnte. Auch dies spricht gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben der Beklagten zu Ziffer 1), die letztlich allein den Eindruck erweckte, ihren eigenen Verschuldensbeitrag zu Lasten der Zeugin … möglichst gering darzustellen.
dd) Hinsichtlich des Verursachungsbeitrages auf Klägerseite ergibt sich vor dem Hintergrund des oben Gesagten, dass sich die Klägerin zunächst ein etwaiges Fehlverhalten der Zeugin … als Halterin zurechnen lassen muss (vgl. BeckOGK/Walter, 01.01.2022, StVG § 7 Rn. 99). Dies folgt bereits im Umkehrschluss aus § 7 Abs. 3 StVG, wonach eine Zurechnung bei erfolgter „Schwarzfahrt“ des Fahrers an den Halter nur ausnahmsweise erfolgt. Insofern handelt es sich bei dieser Vorschrift um eine Ausnahme von der Regel, dass der Halter sich das Verhalten des Fahrzeugführers zurechnen lassen muss.
a) Das Mitverschulden der Klägerin rechtfertigt sich vorliegend aus dem Umstand, dass die Zeugin … insbesondere unter Berücksichtigung der Position des Fahrzeuges der Beklagten zu Ziffer 1), soweit diese aufklärbar war, bei unklarer Verkehrslage entgegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO überholte.
Eine unklare Verkehrslage im Sinne des § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO liegt vor, wenn der Überholende nach den gegebenen Umständen mit einem ungefährlichen Überholvorgang nicht rechnen darf (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 09. Juli 2019 – 4 U 333/19, Rn. 5; OLG München, Urteil vom 21. Oktober 2020 – 10 U 893/20, Rn. 13; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 23. September 2021 – 12 U 128/20, Rn. 18; OLG Hamm, Urteil vom 03. Dezember 2021 – I-7 U 33/20, Rn. 15; OLG München, Beschluss vom 31. Januar 2022 – 24 U 7414/21, Rn. 20; OLG Nürnberg, Endurteil vom 29. März 2022 – 3 U 4188/21, Rn. 19; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Juni 2022 – I-7 U 19/22, Rn. 18; OLG Hamm, Urteil vom 08. Juli 2022 – I-7 U 106/20, Rn. 15, jew. zit. nach juris). Sie liegt dabei nicht bereits dann vor, wenn ein voranfahrendes Fahrzeug seine Geschwindigkeit verringert und sich nach links einordnet. Vielmehr müssen entweder weitere besondere Umstände, die auf einen bevorstehenden Abbiegevorgang schließen lassen, oder die Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers hinzutreten (vgl. Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Heß, 27. Aufl. 2022, StVO § 5 Rn. 27 m.w.N.). Vorliegend ist indes gerade von solchen besonderen Umständen auszugehen.
Sämtliche Beteiligte berichteten übereinstimmend, dass das von der Beklagten zu Ziffer 1) geführte Fahrzeug jedenfalls bis relativ kurz vor dem Unfallgeschehen stand. Bei einem stehenden Fahrzeug, zumal wenn ein Parkvorgang nach dem oben Gesagten objektiv nicht angenommen werden kann, ist in noch höherem Maße als bei einem abbremsenden Fahrzeug damit zu rechnen, dass dieses sobald zu einem konkreten Fahrmanöver ansetzen wird. Dahinstehen bleiben kann, in welcher konkreten Art. Denkbar wären ein scharfes Abbiegen nach rechts oder links oder auch ein Fortsetzen der Fahrt dem Straßenverlauf folgend. Gerade diese Unklarheit erfordert von dem rückwärtigen Verkehr indes eine besondere Aufmerksamkeit und angepasste Fahrweise. Einen Überholvorgang darf ein sich von hinten nähernder Verkehrsteilnehmer in einer solchen Situation nicht ohne Weiteres einleiten.
Ob und wie weit sich das Fahrzeug der Beklagten zu Ziffer 1) bereits zur Fahrbahnmitte orientiert hatte, kann und muss nicht beurteilt werden. Denn in Ermangelung einer Fahrbahnmittelmarkierung am Unfallort kommt der Orientierung hin zur Fahrbahnmitte ohnehin nur eine reduzierte Indizwirkung zu. Denn mangels eines entsprechenden Fixpunktes sowie des von sämtlichen Beteiligten übereinstimmend geschilderten Gegenverkehrs ist schon aus Sicherheitsgründen nicht mit einem besonders deutlichen Orientierung zur Fahrbahnmitte zu rechnen, da ohne Weiteres die Möglichkeit besteht, gefahrenträchtig die geometrische Fahrbahnmitte zu überschreiten. Das Gericht ist der Überzeugung, dass bei einem in unmittelbarer örtlichen Nähe zu einer links gelegenen Grundstückseinfahrt auf Grund von Gegenverkehr haltenden Fahrzeug jedenfalls damit gerechnet werden muss, dass dieses auf das Grundstück einfahren möchte. Denn bei Fortsetzung der Fahrt oder Absicht des Abbiegens nach rechts, wäre die Weiterfahrt durch den Gegenverkehr überhaupt nicht beeinträchtigt und ein Halten somit nicht erforderlich. Auf das Setzen des Fahrtrichtungsanzeigers kommt es insofern nicht erheblich an. Denn selbst wenn dies unterblieben sein sollte, verböte sich ein Überholen vorliegend schon auf Grund der dann widersprüchlichen Verhaltensweise der Beklagten zu Ziffer 1) dahingehend, dass zwar das verkehrsbedingte Halten auf einen Linksabbiegevorgang schließen lässt, dieser jedoch nicht entsprechend angezeigt worden wäre (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 12. September 1997 – 10 U 84/97, BeckRS 2008, 18660). Lässt sich nicht verlässlich beurteilen, was der Vorausfahrende tun wird, liegt grundsätzlich eine unklare Verkehrslage vor (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 28. September 2006 – 12 U 61/06, Rn. 6; OLG Hamm, Urteil vom 06. September 2011 – 9 U 64/11, Rn. 16; OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. Juni 2012 – I-1 U 167/11, Rn. 50; OLG Hamm, Urteil vom 09. Juli 2013 – I-9 U 191/12, Rn. 31; Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 28. Oktober 2016 – 7 U 152/16, Rn. 16; OLG Hamm, Urteil vom 27. Juni 2018 – 11 U 186/14, Rn. 32; OLG Karlsruhe, Urteil vom 10. September 2018 – 1 U 155/17, Rn. 44; OLG Koblenz, Urteil vom 08. Juni 2020 – 12 U 18/20, Rn. 23; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Oktober 2020 – 12 U 885/19, Rn. 19; OLG Hamm, Beschluss vom 13. Juli 2021 – I-7 U 66/20, Rn. 16, jew. zit. nach juris).
Auf Grund dieses über die bloße Betriebsgefahr hinausgehenden Verursachungsbeitrages der Zeugin … erachtet das Gericht ein Mitverschulden von einem Drittel für angezeigt.
ß) Soweit die Beklagten eine überhöhte Geschwindigkeit der Zeugin rügen und mithin einen höheren Verursachungsbeitrag annehmen, vermochten auch diese den dahingehenden Beweis nicht zu führen. Zwar erklärten die Beklagte zu Ziffer 1) sowie die Zeugin …‚ die Zeugin … sei „voll schnell“ beziehungsweise jedenfalls zu schnell, um das Beklagtenfahrzeug zu sehen, gefahren.
Neben den allgemeinen Ausführungen zu der fehlenden Glaubhaftigkeit der Einlassung der Beklagten zu Ziffer 1) ist hinsichtlich der Aussage der Zeugin zu sagen, dass die Schätzung der Geschwindigkeit eines Fahrzeuges selbst für hierin geübte Personen sehr schwer ist. Das von der Zeugin geschilderte Wackeln des Fahrzeuges kann ebenso dem geringen Abstand zwischen den Fahrzeugen geschuldet sein und muss gerade nicht auf eine überhöhte Geschwindigkeit schließen lassen. Gleichzeitig schilderte die Zeugin …, sie habe noch vor der Kurve das Fahrzeug mit fünfzig Stundenkilometern gesteuert und im Zeitpunkt der Kollision habe die Geschwindigkeit circa fünfundvierzig Stundenkilometer betragen. Wie zuvor gilt auch hier, dass das Gericht keiner der beiden Zeugenaussagen in dieser Hinsicht den Vorzug geben kann, zumal für die Zeugin … als Tochter der Beklagten zu Ziffer 1) ebenso wie für die Zeugin … gilt, dass auch diese ein nicht zu vernachlässigendes Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits unter Berücksichtigung ihrer emotionalen Verbundenheit zu der Beklagten zu Ziffer 1) hat.
Der Sachverständige seinerseits erklärte, lediglich feststellen zu können, dass die Zeugin … schneller fuhr als die Beklagte zu Ziffer 1). Nachdem diese indes jedenfalls vor nicht allzu langer Zeit ihren Abbiegevorgang begonnen haben musste, ist von einer besonders hohen Geschwindigkeit der Beklagten zu Ziffer 1) ohnehin nicht auszugehen. Aus dem Umstand, dass diese geringe Geschwindigkeit von der Zeugin … überschritten wurde, kann jedenfalls nicht auf eine generelle Überschreitung der innerorts höchstzulässigen Geschwindigkeit geschlossen werden.
ee) Im Ergebnis überwiegt vorliegend jedoch der Verursachungsbeitrag der Beklagten zu Ziffer 1), die unter Missachtung der doppelten Rückschaupflicht zum Linksabbiegen ansetzte.
Soweit sich einzig die Beklagte zu Ziffer 1) selbst dahingehend einließ, sie habe vor dem Abbiegevorgang Innen- und Außenspiegel kontrolliert sowie den Schulterblick ausgeführt, ist diese Einlassung angesichts des Gutachtens des Sachverständigen widerlegt. Denn insofern erklärte der Sachverständige, die Beklagte zu Ziffer 1) hätte – ihre eigenen Angaben zu Grunde gelegt – das sich von hinten nähernde Fahrzeug in jedem Fall entweder bei dem Schulterblick oder im linken Außenspiegel erkennen und sodann den Unfall vermeiden können. Technisch sei es nur möglich, dass die Beklagte zu Ziffer 1) das Fahrzeug der Klägerin nicht als überholenden Personenkraftwagen erkannt hätte, wenn die Kollision äußert weit links erfolgt wäre, mithin zwischen dem Anfahren der Beklagten zu Ziffer 1) und der Kollision mehrere Meter Fahrtstrecke gelegen hätten. Dies wiederum war ausweislich der Einlassung der Beklagten zu Ziffer 1) selbst nicht der Fall. Diese erklärte bereits, sie sei noch nicht einmal richtig losgefahren. Auch hätte die Beklagte zu Ziffer 1) selbst in diesem Fall das Fahrzeug der Klägerin ausweislich des Gutachtens optisch grundsätzlich wahrnehmen müssen.
Nachdem an der Richtigkeit des Sachverständigengutachtens keine vernünftigen Zweifel bestehen, ist mithin die Behauptung der Beklagten zu Ziffer 1), die auf die Einhaltung der doppelten Rückschaupflicht schließen lässt, als widerlegte Schutzbehauptung zu betrachten.
Lasst sich bei einem Unfallgeschehen, in dem das überholte Fahrzeug nach links abbiegt, das Setzen des Fahrtrichtungsanzeigers nicht aufklären, kommt regelmäßig eine Quotelung in Betracht, bei der den Linksabbieger den höheren Haftungsanteil trifft (vgl. Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 17. Aufl. 2022, Rn. 176). Selbst ausgehend von dem in der neueren Rechtsprechung vertretenen Grundsatz, wonach den Linksabbieger in derartigen Fällen grundsätzlich die volle Haftung treffen solle (vgl. erneut Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 17. Aufl. 2022, Rn. 176 m.w.N.), war diese Quote unter Berücksichtigung des Mitverschuldens der Zeugin … entsprechend herabzusetzen.
ff) Unter Berücksichtigung der unstreitigen Schadenshöhe steht der Klägerin damit ein Zahlungsanspruch gegen die Beklagten grundsätzlich in Höhe von 2.081,78 Euro zu, der durch die bereits erfolgte Zahlung der Beklagten zu Ziffer 2) in Höhe von 1.040,89 Eure erloschen ist, § 362 Abs. 1 BGB.
Einen Zahlungsanspruch hat die Klägerin vor diesem Hintergrund noch in Höhe von weiteren 1.040,89 Euro. Weitere Ansprüche hat die Klägerin indes nicht, sodass die Klage im Übrigen abzuweisen war.
c) Die Klägerin hat ferner einen Anspruch entsprechend der tenorierten Nebenforderungen aus den §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 S. 2 Var. 1, 288 Abs. 1 BGB sowie aus den §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB.
aa) Die Klägerin kann von den Beklagten zunächst die im Rahmen der Durchsetzung des streitgegenständlichen Anspruchs entstandenen vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten gemäß den §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 S. 2 Var. 1, 288 Abs. 1 BGB in tenorierter Höhe ersetzt verlangen.
Vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten sind grundsätzlich unter dem Aspekt des Verzugsschadens ersatzfähig (vgl. BeckOGK/Dornis, 01.10.2022, BGB § 286 Rn. 334; Staudinger/Feldmann (2019), BGB § 286, Rn. 221; Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger/Seichter, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 286 BGB (Stand: 24.02.2023), Rn. 84; MüKoBGB/Ernst, 9. Aufl. 2022, BGB § 286 Rn. 184; BeckOk BGB/Lorenz, 64. Ed. 01.11.2022, BGB § 286 Rn. 76). Da jedoch die geltend gemachte Hauptforderung nur in der tenorierten Höhe begründet ist, waren die geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten entsprechend zu kürzen (vgl. BGH, Urteil vom 05. Dezember 2017 – VI ZR 24/17, Rn. 7; BGH, Urteil vom 09. Januar 2018 – VI ZR 82/17, Rn. 10; BGH, Urteil vom 19. April 2018 – IX ZR 187/17, Rn. 8; BGH, Urteil vom 02. November 2021 – VI ZR 731/20, Rn. 12, jew. zit. nach juris). Unter Zugrundelegung der für einen Gebührenstreitwert von bis zu 2.500,00 Euro anfallenden Geschäftsgebühr von 222,00 Euro ergibt sich ein ersatzfähiger Betrag von 367,23 Euro.
Eine Anrechnung der Gebühren entsprechend Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG unterblieb hierbei von gerichtlicher Seite im Rahmen des streitigen Verfahrens, nachdem es einem Rechtsanwalt gemäß § 15a Abs. 1 RVG freisteht, diese erst im Rahmen der Kostenfestsetzung geltend zu machen. Vor diesem Hintergrund besteht auch im gerichtlichen Verfahren grundsätzlich der geltend gemacht weitere Vergütungsanspruch in Höhe von 18,56 Euro, nachdem die Beklagte zu Ziffer 2) vorgerichtlich nur in Höhe von 220,27 Euro dahingehend regulierte. Da das Gericht zwar die rechtliche Grundlage hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche selbst anwenden kann, jedoch nicht über das Beantragte hinaus einen Ersatzanspruch zusprechen kann, § 308 Abs. 1 ZPO, bleibt der verbleibende Restbetrag hiervon unberührt. Die vorliegend tenorierte Zahlungsverpflichtung ist jedoch im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens entsprechend zu berücksichtigen.
Die hierauf geltend gemachten Zinsen folgen dem Grunde nach aus den §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 S. 2 Var. 1 BGB, hinsichtlich ihrer Höhe aus § 288 Abs. 1 S. 2 BGB.
bb) Die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Verzugszinsen auf die Hauptforderung beruht unter Berücksichtigung des dahingehenden Verzugseintrittes spätestens mit Ablauf der in dem Schriftsatz vom 01.12.2021 auf den 15.12.2021 gesetzten Frist aus den §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB.
3) Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO unter Berücksichtigung der tenorierten Haftungsquote sowie der bereits zu 1/3 erfolgten Teilregulierung durch die Beklagte zu Ziffer 2). Da von den noch streitigen weiteren 2/3 die Klägerin zur Hälfte obsiegte und zur anderen Hälfte unterlag, rechtfertigt sich eine entsprechende Kostentragungslast.
4) Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils findet ihre Rechtsgrundlage in § 708 Nr. 11 ZPO i.V.m. § 711 S. 1, S. 2 ZPO. Die Verurteilung der Beklagten in der Hauptsache übersteigt die Wertgrenze von 1.250,00 Euro nicht. Soweit die Beklagten anteilig wegen der Kosten vollstrecken können, übersteigt dies die relevante Grenze von 1.500,00 Euro ebenfalls nicht.
5) Die Festsetzung des Gebührenstreitwertes beruht auf den §§ 39 Abs. 1, 43 Abs. 1, 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.
Da der nach den obenstehenden Vorschriften zu bestimmende Streitwert im Fall einer vorliegend bezifferten Klageforderung entsprechend dem Wert des in der Klage bezifferten Antrages zu bestimmen ist (vgl. allgemein BeckOk ZPO/ Wendtland, 46. Ed. 01.09.2022, ZPO § 3 Rn. 25) und die Klägerin vorliegend mit dem ausschlaggebenden Klageantrag zu Ziffer 1. einen Betrag von 2.081,78 Euro geltend machte, entfällt auf diesen zunächst ein entsprechender Teilbetrag.
Hinsichtlich der mit dem Klageantrag zu Ziffer 2. geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten handelt es sich ausweislich der Anlage zur Klage um vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in der nunmehr anhängig gemachten Sache, die sich damit als Nebenforderungen im Sinne des § 43 Abs. 1 GKG nicht streitwerterhöhend auswirken (vgl. BGH, Beschluss vom 07. Juli 2020 – VI ZB 66/19, Rn. 6; BGH, Beschluss vom 25. Januar 2022 – VIII ZR 337/20, Rn. 21, jew. zit. nach juris).