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Verkehrsunfall – Werkstatt- und Prognoserisiko bei Fahrzeugreparatur

AG München, Az.: 332 C 7462/16, Urteil vom 14.12.2016

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 821,26 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.09.2015 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 821,26 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über restliche Schadenersatzansprüche aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 17.07.2015. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach zu 100 % ist zwischen den Parteien unstreitig.

Streitig ist allein die Frage, ob die Klägerin restliche Reparaturkosten in Höhe von 821,26 € ersetzt verlangen kann. Die Klägerin macht die restlichen Reparaturkosten nach Abtretung durch die Geschädigte … GmbH & Co. KG geltend. Die Geschädigte ließ über die unfallbedingten Schäden zunächst ein Sachverständigengutachten erstellen und beauftragte dann die Klägerin die Reparatur gemäß diesem Gutachten auszuführen. Auf die Reparaturkosten netto in Höhe von 10.159,91 € leistete die Beklagte 9.338,65 €, der Restbetrag ist Gegenstand dieses Verfahrens.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass Prognoserisiko habe bei der hier tatsächlich durchgeführten Reparatur der Schädiger zu tragen, Maßstab sei die Erkenntnis- und Einflussmöglichkeit der Geschädigten, diese treffe kein Auswahlverschulden. Die Klägerin habe die Reparatur auftragsgemäß im Umfang des Gutachtens durchgeführt. Die Feststellung des Schadensumfanges sei Sache des Sachverständigen und nicht der Werkstatt.

Die Klägerin beantragt: Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei einen Betrag in Höhe von 821,26 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 12.09.2015 zu bezahlen.

Die Beklagtenseite beantragt: Klageabweisung.

Die Beklagtenseite ist der Auffassung, dass nachdem die Reparaturfirma selbst klagt, sich die Beklagte ihr gegenüber darauf berufen könne, dass die Arbeiten teilweise unfallbedingt nicht erforderlich seien. Die Klägerin sei anders als der Geschädigte, als ausführende Reparaturfirma sachkundig. Die Klägerin bekomme vom Geschädigten in der Regel den Auftrag den Unfallschaden zu reparieren, sie dürfe sich daher nicht hinter dem Privatgutachten verstecken. Der Geschädigten stehe vorliegend ein Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin wegen Schlechterfüllung des Werkvertrages zu, dieser gehe auf die Beklagte über und dieser Anspruch wird im Wege der Aufrechnung geltend gemacht.

Hinsichtlich des Parteivorbringens wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Auf den gesamten Inhalt wird verwiesen. Die Parteien waren mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen weiteren Schadensersatzanspruch in Höhe von 821,26 € aus abgetretenem Recht nach §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 115 VVG, 1 PflVG.

Verkehrsunfall - Werkstatt- und Prognoserisiko bei Fahrzeugreparatur
Symbolfoto: ThamKC/Bigstock

Auch nach Abtretung des Erstattungsanspruches der Geschädigten an die Klägerin kommt es vorliegend allein darauf an, ob die Geschädigte die Reparatur in dem im eingeholten Gutachten festgelegten Umfang in Auftrag geben durfte. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann der Geschädigte, der das Unfallfahrzeug selbst zur Reparatur gibt, nach § 249 Abs. 2 BGB von dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer den Geldbetrag ersetzt verlangen, der zur Herstellung des beschädigten Fahrzeuges erforderlich ist (BGHZ 63, 182, 183; BGHZ 115, 3364, 367). Der erforderliche Herstellungsaufwand wird dabei nicht nur durch Art und Ausmaß des Schadens, die örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten für seine Beseitigung, sondern auch von den Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten mitbestimmt, so auch durch seine Abhängigkeit von Fachleuten, die zur Instandsetzung des Unfallfahrzeuges heranziehen muss (BGHZ 63, 182, 184). In diesem Sinne ist der Schaden subjektbezogen zu bestimmen (BGHZ 63, 182, 184: BGHZ 115, 364, 369). Gerade im Fall der Reparatur von Kraftfahrzeugen darf nicht außer Acht gelassen werden, dass den Erkenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten des Geschädigten Grenzen gesetzt sind. Es würde dem Sinn und Zweck des § 249 Abs. 2 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei Ausübung der ihm durch das Gesetz eingeräumten Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zu dem ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen ist und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung einer fremden, vom Geschädigten nicht kontrollierbaren Einfluss stattfinden muss (vgl. BGHZ 63, 182, 185). Bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs im Rahmen von § 249 Abs. 2, Satz 1 BGB darf nicht das Grundanliegen dieser Vorschrift aus den Augen verloren werden, dass dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll (BGHZ 132, 373, 376; BGHZ 155, 1, 5). Lässt der Geschädigte sein Fahrzeug – wie hier – reparieren, so sind die durch eine Reparaturrechnung der Werkstatt belegten Aufwendungen im allgemeinen ein aussagekräftiges Indiz für die Erforderlichkeit der angefallenen Reparaturkosten (vgl. BGH, Urteil vom 20.06.1989; VI ZR 334/88, Versicherungsrecht 1989, 1056). Die „tatsächlichen“ Reparaturkosten können deshalb regelmäßig auch dann für die Bemessung des „erforderlichen“ Herstellungsaufwandes herangezogen werden, wenn diese Kosten ohne Schuld des Geschädigten – etwa wegen überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit, wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise im Vergleich zu dem, was für eine solche Reparatur sonst üblich ist – unangemessen sind (BGHZ 63, 182, 186). Es besteht insoweit kein Sachgrund, dem Schädiger das „Werkstattrisiko“ abzunehmen, das er auch zu tragen hätte, wenn der Geschädigte ihm die Beseitigung des Schadens nach § 249 Abs. 1 BGB überlassen würde (BGHZ 63, 182, 185). Ein etwaiger Verstoß des Geschädigten gegen die ihr obliegende Schadensminderungspflicht durch den erteilten Reparaturauftrag liegt nicht vor. Unstreitig hat die Geschädigte die Klägerin beauftragt die Reparatur gemäß Sachverständigengutachten auszuführen. Selbst wenn der im Gutachten vorgesehene Reparaturweg objektiv fehlerhaft sein sollte, konnte die Geschädigte das unstreitig nicht erkennen. Die Geschädigte durfte darauf vertrauen, dass der Reparaturweg und Umfang im Gutachten richtig wiedergegeben wird. Die Klägerin durfte dann vertragsgemäß im Umfang des Gutachtens reparieren und musste nicht überprüfen, ob der im Gutachten vorgesehene Reparaturweg zur unfallbedingten Beseitigung des Schadens erforderlich ist. Anders als der Sachverständige hat die Klägerin gerade keine Kenntnis zum genauen Unfallhergang und zu möglichen Vorschäden. Aufgabe der Klägerin war es vorliegend lediglich im Umfang des Gutachtens zu reparieren. Dieser vertraglichen Pflicht hat die Klägerin vorliegend unstreitig genügt. Zu einer weiteren Überprüfung war sie nicht verpflichtet. Auch ergibt sich kein Anspruch der Geschädigten aus Werkvertrag bzw. aus § 823 BGB wegen Schlechterfüllung des Werkvertrages, da die Klägerin ihrer werkvertraglichen Verpflichtung, Reparatur im Umfang des Gutachtens, unstreitig nachgekommen ist. Die Aufrechnung greift daher nicht durch.

Die Klägerin kann daher insgesamt Reparaturkosten in Höhe von 10.362,42 € netto ersetzt verlangen, unter Berücksichtigung der vorgerichtlichen Leistung der Beklagten in Höhe von 9.338,65 € kann die Klägerin noch 821,26 € ersetzt verlangen.

Verzug bestand von Beklagtenseite nicht bestritten, seit dem 12.09.2015.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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