LG Hamburg, Az.: 302 S 48/15, Urteil vom 15.03.2016
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Altona vom 16.10.2015, Az. 315b C 75/15, wie folgt abgeändert und neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.031,18 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 23.12.2014 sowie weitere 201,71 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.04.2015 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits der 1. Instanz haben der Kläger 50 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 50 % zu tragen. Die Kosten des Rechtsstreits der 2. Instanz haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Altona vom 05.08.2015, Az. 315b C 75/15, in dem seine Schadensersatzklage nach einem Verkehrsunfall abgewiesen wurde.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils verwiesen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen Schadensersatzanspruch bei einer Haftungsquote von 50% weiter.
Der Kläger stellt folgende Anträge:
1. unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Hamburg-Altona werden die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.031,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.12.2014 zu zahlen,
2. unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Hamburg-Altona werden die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 334,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Die Kammer hat den Kläger und den Beklagten zu 1 in der mündlichen Verhandlung am 26.01.2016 persönlich angehört. Auf das Protokoll der Sitzung wird Bezug genommen.
Im Übrigen wird von der Darstellung eines Tatbestands gemäß §§ 313 a Abs. 1, 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.
II.
Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg. Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; im Übrigen war sie abzuweisen.
1. Der Kläger hat gegenüber den Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch aus §§ 7 Abs. 1, 17, 18 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVG, § 421 BGB auf Ersatz von 70 % seines unfallbedingten Schadens.
a) Der Verkehrsunfall hat sich sowohl bei Betrieb des klägerischen Fahrzeugs wie auch bei Betrieb des von der Beklagten zu 1 geführten Fahrzeugs ereignet, § 7 Abs. 1 StVG. Der Unfall wurde nicht durch höhere Gewalt (§ 7 Abs. 2 StVG) verursacht. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Verkehrsunfall bei Anwendung höchster Sorgfalt für jeden Unfallbeteiligten vermeidbar gewesen wäre, liegt auch kein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG vor. Die gegenseitigen Verursachungsbeiträge sind gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG gegeneinander abzuwägen. Dieser Abwägung kann die Kammer allein unstreitige oder erwiesene Tatsachen zu Grunde legen. Danach ist von einer überwiegenden Verursachung des Unfalls durch die Beklagtenseite auszugehen (Quote 30:70 zu Lasten der Beklagten).
b) Die Beklagten müssen sich einen Verstoß gegen die sich aus § 7 Abs. 5 StVO ergebenden Sorgfaltspflichten vorhalten lassen. Die Kollision hat sich bei einem Spurwechsel des Beklagten zu 1 und nicht bei einem Spurwechsel des Klägers ereignet. Dies steht nach der Anhörung des Kläger und des Beklagten zu 1 zur Überzeugung der Kammer fest. Beide haben übereinstimmend angegeben, dass sich die Kollision der Fahrzeuge noch hinter dem Fußgängerüberweg übereignet hat. Auf den eingereichten Lichtbildern (Anlage 4 und 6 zum Protokoll der mündlichen Verhandlung am 26.01.2016 und Anlage K4, Bl. 38 d.A.) ist zu erkennen, dass die Fahrbahn in dieser Höhe durch eine entsprechende Markierung in zwei Fahrspuren aufgeteilt ist. Der Kläger hat im Rahmen seiner Anhörung bekundet, er habe sich zunächst mit seinem Fahrzeug hinter dem Fahrzeug des Beklagten zu 1 auf der rechten Fahrspur befunden und sei nach der Kreuzung gleich zügig auf die linke Spur herübergezogen. Der Beklagte zu 1 sei noch hinter dem Bus hergefahren. Auch wenn der schriftsätzliche Vortrag des Klägers im Verfahren einen anderen Unfallablauf nahelegt, als nunmehr vom Kläger geschildert, hält das Gericht den Kläger für glaubwürdig und seine Angaben für glaubhaft. Die Angaben decken sich mit denen die der Kläger in den Schadensanzeigen gegenüber der A. V. AG und der E. V. AG (Anlagen 2 und 3 zum Protokoll der mündlichen Verhandlung am 26.01.2016) gemacht hat. Die Schadensanzeige gegenüber der E. V. AG datiert auf den 10.12.2014. Die Anzeige gegenüber der A. V. AG will der Kläger zeitnah gefertigt haben. Vor diesem Hintergrund vermag die Kammer der Einschätzung des Amtsgerichts, der Kläger habe seine Unfallschilderung nach Erörterung der Sach- und Rechtslage in der Verhandlung am 05.08.2015 angepasst und die Angaben seien nicht glaubhaft, nicht zu folgen. Der geschilderte Unfallablauf ist auch plausibel. Der Beklagte zu 1 hat im Rahmen seiner Anhörung bekundet, er sei nicht in einer krassen Verschwenkung auf die linke Spur rübergefahren. Er habe langsam die Spur gewechselt. Das klägerische Fahrzeug wurde unstreitig in Höhe der hinteren Achse und des Stoßfängers beschädigt. Das Fahrzeug des Klägers muss auf der linken Fahrspur also schon weitestgehend am Fahrzeug des Beklagten zu 1 vorbeigefahren sein, als es noch hinter dem Fußgängerüberweg zum Zusammenstoß kam. Der Anstoß hat sich nicht im Bereich der Fahrbahnverschwenkung, sondern in einem Bereich ereignet, in dem nach den Fahrbahnmarkierungen eine zweispurige Fahrbahn eingerichtet war. Das Fahrmanöver des Beklagten zu 1 stellt mithin einen Spurwechsel im Sinne von § 7 Abs. 5 StVO dar. Ein Spurwechsel des Klägers ist nicht gegeben, da der Kläger der Fahrspurverschwenkung von der rechts nach links gefolgt ist und gerade nicht von der Linksabbiegerspur geradeaus auf die linke Fahrspur eingefahren ist. Dass der Beklagte zu 1 die bei dem Spurwechsel erforderliche höchste Sorgfalt nicht eingehalten hat, ergibt sich aus seinen Angaben. Er hat selbst bekundet, er habe das andere Fahrzeug vor der Kollision nicht wahrgenommen. Dies lässt sich nur mit einer unzureichenden Rückschau und Unaufmerksamkeit des Beklagten zu 1 erklären.
c) Dem Kläger ist ein Verstoß gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO vorzuwerfen, da er in unklarer Verkehrslage überholte. Unklar ist eine Verkehrslage immer dann, wenn nach den objektiven Umständen mit einem gefahrlosen Überholen nicht gerechnet werden kann. So liegt der Fall hier. Der Kläger musste nach den konkreten Umständen damit rechnen, dass der Beklagte zu 1 mit seinem Fahrzeug ausscheren, auf die linke Fahrspur wechseln und seinerseits den Bus überholen würde. Für den Pkw-Verkehr war nach dem Passieren der Kreuzung eine Fahrbahnverschwenkung nach links vorgesehen. Die rechte Fahrspur war dem Bus-Verkehr vorbehalten und nicht für den regulären Pkw-Verkehr freigegeben. Es kommt hinzu, dass der vorausfahrende Bus auf der rechten Fahrspur die Haltestelle anfuhr (vgl. die Angaben des Klägers in der Anlage 3 zum Protokoll der mündlichen Verhandlung am 26.01.2016). Es lag damit auf der Hand, dass der Beklagte zu 1 mit seinem Pkw auf die linke Fahrspur wechseln würde. Diesem Umstand hätte der Kläger Rechnung tragen und von dem Überholmanöver absehen müssen.
d) Die Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge führt zu einer überwiegenden Haftung der Beklagten (Quote 70:30). Der den Beklagten anzulastende Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO wiegt schwerer als der Verstoß des Klägers gegen § 5 Abs. 3 Nr. 2 StVO.
2. Die von dem Kläger begehrte Zahlung von 1.031,18 € war antragsgemäß zuzusprechen. Die Reparaturkosten belaufen sich unstreitig auf 2.042,35 € netto und die Kostenpauschale auf 20,00 €. Unter Berücksichtigung der Quote kann der Kläger Zahlung in dem begehrten Umfang beanspruchen. Verzugszinsen auf die Forderung stehen dem Kläger seit dem 23.12.2014 zu. Der Kläger hatte die Beklagte zu 2 unter Fristsetzung bis zum 22.12.2014 zur Regulierung aufgefordert. Dem sind die Beklagten nicht nachgekommen. Die erstattungsfähigen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (1,3 Geschäftsgebühr auf einen Gegenstandswert von 1.443,65 € zuzüglich Kostenpauschale und Mehrwertsteuer) belaufen sich auf 201,71 €. Zinsen hierauf kann der Kläger ab dem 18.04.2015, dem Tag nach Rechtshängigkeit der Klage, verlangen.
3. Die Entscheidung über die Kosten ergeht nach §§ 91 Abs. 1 S. 1, 92 Abs. 1, 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.