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Verkehrsunfall zwischen Linksüberholer und Linksabbieger

AG Itzehoe – Az.: 94 C 292/17 – Urteil vom 05.09.2018

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 2.244,87 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt weiteren Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall.

Der Kläger ist Halter und Eigentümer des Pkw VW Golf mit dem amtlichen Kennzeichen … . Am 02.03.2017 befuhr der Kläger mit seinem Pkw gegen 14:00 Uhr auf der Straße Osterfeld in 24616 Brokstedt. Der Beklagte zu 1) fuhr mit dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw Peugeot Kombi 307 mit dem amtlichen Kennzeichen – vor dem Kläger auf der Straße Osterfeld in Brokstedt. Die Straße Osterfeld ist zweispurig und in jeder Richtung auf einer Spur befahrbar.

Der Beklagte zu 1) fuhr mit dem Pkw Peugeot links an einem am rechten Fahrbahnrand auf Höhe der Hausnummer … stehenden Postfahrzeug vorbei, wobei er auf die linke Fahrbahnhälfte der Straße Osterfeld auswich. Nach dem Vorbeifahren scherte er mit seinem Pkw Peugeot wieder auf die rechte Fahrbahnhälfte der Straße Osterfeld ein und verlangsamte die Geschwindigkeit. Der Kläger überholte ebenfalls das parkende Postfahrzeug, indem er auf die linke Fahrbahnhälfte der Straße Osterfeld fuhr. Nach dem Überholen verblieb der Kläger auf der linken Fahrbahnhälfte, um auch den Beklagten zu 1) zu überholen. Bevor der Kläger den Überholvorgang beenden konnte, bog der Beklagte zu 1) nach links ab, um die linke Fahrbahn zu überqueren um zu seiner Grundstückeinfahrt in Höhe der Hausnummer 4… der Straße Osterfeld abzubiegen. Es kam zur Kollision zwischen dem klägerischen Fahrzeug und dem von dem Beklagten zu 1) geführten Fahrzeug, wobei der Beklagte zu 1) jedenfalls kurz vor der Kollision den linken Fahrtrichtungsanzeiger betätigte.

Dem Kläger sind durch die Reparatur der unfallbedingten Schäden an seinem Fahrzeug Reparaturkosten in Höhe von 6.017,56 € entstanden. In der Zeit vom 02.03.2017 bis 17.03.2017 wurde sein Fahrzeug instand gesetzt. Er macht Nutzungsausfall für 16 Tage in Höhe von 35,00 € je Tag geltend, also insgesamt 560,00 €. Darüber hinaus macht der Kläger 25,00 € als allgemeine Kostenpauschale geltend.

Der Kläger forderte die Beklagte zu 2) durch vorgerichtliches Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 06.06.2017 zur Regulierung eines Schadensbetrages in Höhe von 6.602,56 € nebst vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 650,34 € bis zum 14.06.2017 auf. Mit Schreiben vom 19.07.2017 trat die Beklagte zu 2) in die Schadensregulierung ein und zahlte einen Betrag von 4.357,69 € – eine Quote von 66% – sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 492,54 €.

Der Kläger behauptet, der Beklagte zu 1) habe sein Fahrzeug unmittelbar nach dem Überholvorgang des Postfahrzeuges an den rechten Fahrbahnrand gelenkt und die Geschwindigkeit bis zum Stillstand reduziert. Er sei ca. 4-5 Autolängen hinter dem Fahrzeug des Beklagten zu 1) gefahren. Er meint, der Unfall sei für ihn unvermeidbar gewesen.

Der Kläger beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 2.244,87 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 157,80 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, der Beklagte zu 1) sei nach dem Überholen des Postautos auf der rechten Fahrspur gefahren und habe dann links geblinkt und sich gen Mitte auf dem rechten Fahrstreifen eingeordnet.

Die Klage ist den Beklagten jeweils am 01.12.2017 zugestellt worden. Das Gericht hat die Parteien persönlich angehört, auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 03.05.2018 wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf weiteren Schadensersatz aus dem Verkehrsunfall vom 02.03.2017 zu. Insbesondere folgt dieser Anspruch gegen den Beklagten zu 1) nicht aus § 18 Abs. 1 StVG und gegen die Beklagte nicht aus § 7 Abs. 1 StVG i.V.m § 115 VVG.

Nach §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG ist der Halter bzw. Fahrzeugführer eines Kfz verpflichtet, dem Verletzten den Schaden zu ersetzen, der daraus entstanden ist, dass bei dem Betrieb eines Kfz eine Sache beschädigt wird. So liegt es hier. Zwischen dem Fahrzeug des Klägers und dem von dem Beklagten zu 1) geführten und bei der Beklagten zu 2) versicherten Fahrzeug kam es zu einer Kollision, bei der beide Fahrzeuge Schäden davontrugen.

Nach §§ 17 Abs. 1, 2, 18 Abs. 3 StVG hängt – wenn ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht worden ist – im Verhältnis der Fahrzeughalter bzw. Fahrzeugführer zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Dies gilt nicht, wenn das Unfallereignis unvermeidbar war, § 17 Abs. 3 StVG. An letzterem fehlt es hier.

Der Unfall war weder für den Kläger noch für den Beklagten zu 1) unvermeidbar. Nach § 17 Abs. 3 S. 2 StVG gilt ein Ereignis nur dann als unabwendbar, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Fahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Hierbei kommt es nicht nur darauf an, wie ein „Idealfahrer“ in der konkreten Gefahrensituation reagiert hätte, sondern auch darauf, ob ein „Idealfahrer“ überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre (BGH NJW 1992, 1684). Danach war der Unfall auch für den Kläger nicht unvermeidbar. Zwar mag er die Kollision nicht mehr verhindert haben können, als der Beklagte zu 1) mit dem Abbiegevorgang begann und die linke Fahrspur überfuhr. Als Idealfahrer wäre er jedoch bereits nicht in diese Situation gekommen, da ein Idealfahrer hinter dem Postauto nach rechts eingeschert wäre, um das genaue Fahrmanöver des Vorausfahrenden abzuwarten. Denn nach eigener Aussage des Klägers soll der Beklagte zu 1) nur kurz zum Stehen gekommen sein, so dass von einem tatsächlichen Parken und Abstellen des Fahrzeugs der Kläger nicht ausgehen konnte.

Nach Abwägung der jeweiligen Verursachungsbeiträge erscheint eine Haftungsverteilung von 1/3 zu Lasten des Klägers und 2/3 zu Lasten der Beklagten angemessen. Dabei sind nur diejenigen Tatsachen zu berücksichtigen, die zu Lasten des jeweiligen Unfallteilnehmers feststehen.

Dem Kläger fällt ein Verstoß gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO zur Last. Nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO ist das Überholen unzulässig, wenn die Verkehrslage unklar ist. Die Verkehrslage ist unklar, wenn aus objektiver Sicht nicht mit einem gefahrlosen Überholen gerechnet werden darf. Denn dann ist die Verkehrslage unübersichtlich und das Überholmanöver unberechenbar (OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.03.2008 – 1 U 175/07; OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.09.1997 – 10 U 84/97). Auf das subjektive Empfinden des Überholenden kommt es nicht an (Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, § 5 StVO Rn. 26). So liegt es hier. Der Beklagte zu 1) ist nach dem Überholvorgang in Bezug auf das Postauto wieder auf die rechte Spur gefahren und hat auf dieser abgebremst und ist sehr langsam gefahren. Dabei kann dahinstehen, ob der Beklagte zu 1) zum Stehen gekommen ist, da bereits aus dem Vortrag des Klägers folgt, dass er allenfalls sehr kurz zum Stehen gekommen ist und deshalb nicht mit einer Parkposition an jener Stelle gerechnet werden konnte. Vielmehr konnte man aufgrund der Fahrweise des Beklagten zu 1) nicht von einem gefahrlosen Überholvorgang ausgehen, da dessen weiteres Fahrverhalten ungewiss war. Unstreitig lagen zwischen dem von dem Beklagten zu 1) geführten, langsamer werdenden Pkw und dem Postauto mehrere Fahrzeuglängen, wodurch der Kläger auch gefahrlos hätte auf die rechte Spur zurückfahren können, um dann zum Überholen des Fahrzeugs des Beklagten, hätte er sein Fahrzeug tatsächlich geparkt, ansetzen können. Der Kläger konnte in dem Moment als er sich entschied auf der Gegenfahrbahn weiterzufahren, das Verhalten des Beklagten zu 1) noch nicht erahnen. Zwar reicht eine deutliche Verlangsamung der Fahrgeschwindigkeit des Vorausfahrenden auf einer Bundesstraße, deren Gründe nicht ohne weiteres erkennbar sind noch nicht aus, um eine unklare Verkehrslage zu schaffen, anders ist dies aber, wenn die Verlangsamung der Fahrgeschwindigkeit des Vorausfahrenden in Verbindung mit der sonst erkennbaren Verkehrssituation und Örtlichkeit geeignet ist, Zweifel über die beabsichtigte Fahrweise des Vorausfahrenden aufkommen zu lassen (OLG Schleswig, NZV 1994, 30). So liegt es hier.

Insbesondere ist die Grundstückseinfahrt von der Fahrbahn aus gut zu sehen. Aus objektiver Sicht ist als Überholwilliger die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass ein Fahrzeugführer, der auf einer solchen Strecke innerorts ohne Ampeln in Sichtweite oder vermehrten Fußgängerverkehr fährt und sich extrem verlangsamt, in eine Einfahrt abbiegen möchte. Dabei kann dahinstehen, ob der Beklagte zu 1) den linken Fahrtrichtungsanzeiger rechtzeitig gesetzt hat. Unstreitig hatte er diesen kurz vor der Kollision gesetzt. Denn das Fahrverhalten des Beklagten zu 1) war geeignet, zumindest Zweifel an seiner beabsichtigten weiteren Fahrweise aufkommen zu lassen (OLG Schleswig, NZV 1994, 30). In einer solchen Situation hätte der Kläger den Überholvorgang nicht weiter führen dürfen.

Der Kläger konnte auch nicht beweisen, dass der Beklagte zu 1) länger stand bis er den Abbiegevorgang eingeleitet hat, da der Kläger in der persönlichen Anhörung selbst gesagt hat, das Fahrzeug sei kurz zum Stehen gekommen. Er habe dann abgebremst, dann sei das unfallgegnerische Fahrzeug ausgeschert. Bereits aus diesem Vortrag ergibt sich kein längeres Stehen des Beklagten zu 1), welches auf ein tatsächliches Abstellen des Fahrzeugs hätte schließen lassen. Der Kläger konnte auch nicht beweisen, dass der Beklagte zu 1) das Fahrzeug bis an den rechten Fahrbahnrand gelenkt hatte. Es steht auch nicht fest, zu welchem Zeitpunkt er das linke Blinklicht gesetzt hat. Nach Aussage des Klägers hat der Beklagte zu 1) erst eine Zehntelsekunde vor der Kollision den Blinker gesetzt, nach Aussage des Beklagten zu 1) hat er den Blinker bereits auf der Hälfte der Strecke zwischen Postauto und Grundstücksauffahrt gesetzt.

Dem Beklagten zu 1) wiederum fällt ein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 S. 4, Abs. 5 StVO zur Last. Danach ist der nachfolgende Verkehr zu beachten. Der Beklagte zu 1) hat den von hinten herannahenden Kläger vor dem Beginn seines Lenkmanövers nach links nicht beachtet, obwohl bei Einhaltung der nach § 9 Abs. 1 S. 4 StVO vorgeschriebenen Rückschaupflichten ein bevorstehendes Überholmanöver des Nachfolgenden unschwer erkennbar gewesen wäre. Der Beklagte zu 1) hat angegeben, er habe das klägerische Fahrzeug gesehen als es am Postauto vorbeifuhr, danach erst als es in ihn hineinfuhr. Da das klägerische Fahrzeug sich aber zwischenzeitlich weiter auf der Fahrbahn gefunden hat, hat der Beklagte zu 1) seiner Rückschaupflicht nicht genüge getan.

Die Verletzung der Rückschaupflicht und der damit einhergehenden Gefährdung der anderen Verkehrsteilnehmer des Beklagten zu 1) wiegt schwer, nichtsdestotrotz rechtfertigt es die Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts nicht, dass der Beklagte zu 1) den Unfall allein verursacht hat, da der Verkehrsverstoß des Klägers mit ins Gewicht fällt. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Verletzung der Rückschaupflicht schwerer wiegt, weshalb eine Haftungsverteilung von 1/3 zu Lasten des Klägers und 2/3 zu Lasten der Beklagten angemessen ist. In Höhe von 2/3 hat die Beklagte zu 2) den Schaden des Klägers bereits reguliert. Ein darüber hinausgehender Schadensersatzanspruch besteht nicht.

Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Ersatz weiterer Rechtsanwaltskosten zu. Zutreffend hat die Beklagte zu einer Quote von 2/3 den Schaden des Klägers ersetzt und zu einem Streitwert von bis zu 5.000,00 € Rechtsanwaltskosten ersetzt. Da dem Kläger kein über 5.000,00 € hinausgehender Schadensersatzanspruch zusteht, hat er auch keinen Anspruch auf weiteren Ersatz von Rechtsanwaltskosten.

Mangels Hauptforderung steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Zinsen zu.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 ZPO.

Der Streitwert folgt aus § 39 GKG.

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