Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Kleiner Unfall, große Frage: Gibt es Schmerzensgeld für leichte Verletzungen?
- Die erste Runde vor Gericht: Keine Entschädigung für den Jungen
- Der Gang in die nächste Instanz: Die Hoffnung auf das Berufungsgericht
- Die entscheidende Frage: Wann ist eine Verletzung nur eine „Bagatelle“?
- Die Bewertung der Verletzungen durch das erste Gericht: Alles korrekt?
- Beweisanträge abgelehnt: Musste das Gericht alles untersuchen?
- Kein Geld für Telefonate und Porto: Die Sache mit der Auslagenpauschale
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet es, wenn meine leichte Verletzung als Bagatellschaden eingestuft wird?
- Welche Kriterien sind entscheidend, damit auch leichte Verletzungen Schmerzensgeld rechtfertigen?
- Welche Nachweise sind wichtig, um leichte Verletzungen für die Geltendmachung von Schmerzensgeld zu belegen?
- Kann ein Gericht eine Beweisaufnahme ablehnen, selbst wenn ich Zeugen oder Gutachten vorschlage?
- Wird eine allgemeine Auslagenpauschale bei Personenschäden immer erstattet?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 14 S 31/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: LG Deggendorf
- Datum: 04.10.2023
- Aktenzeichen: 14 S 31/23
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Zivilrecht, Schadensersatzrecht, Versicherungsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Ein 13-jähriger Junge, der als Mitfahrer in einem Fahrzeug einen Auffahrunfall erlitten hat. Er forderte Schmerzensgeld und eine Pauschale für entstandene Auslagen.
- Beklagte: Die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners. Sie erkannte ihre grundlegende Verantwortung an, bestritt aber, dass die Verletzungen des Klägers entschädigungspflichtig waren, da es sich ihrer Ansicht nach um einen Bagatellschaden handele.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Der 13-jährige Kläger erlitt bei einem Auffahrunfall eine Halswirbelsäulen-Distorsion und eine Schädelprellung. Das erstinstanzliche Gericht hatte seine Klage auf Schmerzensgeld abgewiesen, da es die Verletzungen als Bagatellschaden einstufte und weitere Beweisanträge des Klägers ablehnte.
- Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war, ob die erlittenen Verletzungen so geringfügig waren, dass sie keinen Anspruch auf Schmerzensgeld begründen, und ob das erstinstanzliche Gericht die Beweisanträge des Klägers zur Schwere seiner Beeinträchtigungen zu Recht abgelehnt hatte.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des erstinstanzlichen Gerichts zurückzuweisen. Die Berufung hat nach Ansicht des Gerichts offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
- Begründung: Das Gericht sah keine Rechtsfehler in der Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts. Die Bewertung der Verletzungen als Bagatellschaden, für den kein Schmerzensgeld zusteht, sei korrekt und überzeugend erfolgt. Es sei auch zulässig gewesen, keine weiteren Beweise zur Schwere der Verletzungen zu erheben, da die bereits vorliegenden Arztberichte ausreichten, um einen Bagatellschaden anzunehmen. Der Anspruch auf eine Allgemeine Auslagenpauschale wurde ebenfalls zu Recht abgelehnt, da diese nicht pauschal auf Schmerzensgeldansprüche zu übertragen sei und der Kläger keine konkreten Kosten dargelegt hatte.
- Folgen: Da die Berufung voraussichtlich erfolglos bleiben wird, empfiehlt das Gericht dem Kläger, die Berufung zurückzunehmen, um die Gerichtsgebühren zu halbieren.
Der Fall vor Gericht
Kleiner Unfall, große Frage: Gibt es Schmerzensgeld für leichte Verletzungen?
Jeder kennt es: ein kleiner Auffahrunfall im Stadtverkehr. Meistens gibt es nur Blechschaden, aber manchmal eben auch ein paar Schmerzen. Doch was ist, wenn diese Schmerzen nicht dramatisch sind, sondern eher als „Wehwehchen“ durchgehen? Bekommt man dafür trotzdem eine Entschädigung von der Versicherung des Unfallverursachers? Genau um diese Frage ging es in einem Fall vor dem Landgericht Deggendorf.

Ein 13-jähriger Junge war als Mitfahrer in ein solches Unfallgeschehen verwickelt. Die Folge: eine sogenannte HWS-Distorsion, besser bekannt als Schleudertrauma oder eine Zerrung der Halswirbelsäule, und eine Schädelprellung, also eine Prellung am Kopf. Die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners, also die Versicherung der Person, die den Unfall verursacht hat, räumte zwar grundsätzlich ein, für den Unfall verantwortlich zu sein. Das ist oft der erste Schritt und in Gesetzen wie § 115 des Versicherungsvertragsgesetzes (einem Gesetz, das Verträge zwischen Versicherungen und Versicherten regelt) und § 18 des Straßenverkehrsgesetzes (ein Gesetz, das die Haftung bei Unfällen mit Kraftfahrzeugen bestimmt) so vorgesehen. Aber: Die Versicherung war der Meinung, die Verletzungen des Jungen seien nicht schlimm genug, um dafür Schmerzensgeld zahlen zu müssen. Sie sprach von einem Bagatellschaden, einer Art Kleinigkeit, die rechtlich nicht ins Gewicht fällt.
Die erste Runde vor Gericht: Keine Entschädigung für den Jungen
Der Fall landete zunächst vor dem Amtsgericht Deggendorf, der ersten gerichtlichen Instanz. Der Junge, in der Juristensprache der Kläger (also die Person, die vor Gericht etwas fordert), verlangte Schmerzensgeld und eine kleine Pauschale für seine Auslagen, wie etwa Telefonkosten. Doch das Amtsgericht wies seine Klage ab. Aber warum?
Die Richter am Amtsgericht schauten sich die vom Kläger selbst vorgelegten Arztberichte genau an. Es handelte sich um drei Berichte eines sogenannten Durchgangsarztes (ein spezieller Arzt, der oft bei Arbeits- oder Schulunfällen konsultiert wird). Aus diesen Berichten, so das Gericht, gehe hervor, dass die Verletzungen des Jungen eben nur ein solcher Bagatellschaden seien. Die Schmerzen und Beeinträchtigungen seien nicht intensiv und lang genug gewesen. Interessanterweise sagte das Gericht deshalb auch, es spiele dann gar keine Rolle mehr, ob der Unfall tatsächlich die Ursache für diese leichten Verletzungen war – eine Frage, die Juristen als Kausalität bezeichnen. Weil die Verletzungen als zu geringfügig eingestuft wurden, lehnte es das Gericht ab, weitere Beweise zu erheben. Das bedeutet, weder der Junge selbst noch seine Mutter wurden als Zeugen gehört, und auch ein medizinisches Sachverständigengutachten (die Meinung eines unabhängigen Experten) wurde nicht eingeholt.
Der Gang in die nächste Instanz: Die Hoffnung auf das Berufungsgericht
Mit dieser Entscheidung wollte sich der Kläger nicht zufriedengeben. Er legte Berufung ein. Das bedeutet, er bat ein höheres Gericht, das Landgericht Deggendorf, das Urteil des Amtsgerichts zu überprüfen. Sein Ziel blieb dasselbe: Er wollte das Schmerzensgeld und die Auslagenpauschale doch noch bekommen.
Das Landgericht, genauer gesagt eine Kammer (eine Gruppe von Richtern an diesem Gericht), kündigte jedoch an, die Berufung wahrscheinlich zurückzuweisen. Und zwar in einem speziellen Verfahren nach § 522 Absatz 2 der Zivilprozessordnung (dem Regelwerk für Gerichtsverfahren in Zivilsachen), das es erlaubt, aussichtslose Berufungen schneller zu erledigen, ohne eine mündliche Verhandlung. Warum aber sah das Landgericht keine Erfolgschancen für den Jungen?
Die entscheidende Frage: Wann ist eine Verletzung nur eine „Bagatelle“?
Das Landgericht erklärte, dass eine Berufung laut Gesetz (§ 513 Absatz 1 der Zivilprozessordnung) nur dann Erfolg haben kann, wenn die Entscheidung des ersten Gerichts auf einer Rechtsverletzung beruht – das heißt, das Gericht hat das Gesetz falsch angewendet – oder wenn neue Fakten eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beides sei hier nicht der Fall. Das Amtsgericht habe keine Fehler gemacht.
Ein Hauptkritikpunkt des Klägers war, dass das Amtsgericht seine Verletzungen fälschlicherweise als Bagatellschaden eingestuft habe. Er meinte, das Gericht habe einen sogenannten Subsumtionsfehler begangen. Das klingt kompliziert, meint aber einfach: Das Gericht hat die konkreten Fakten des Falles (die Verletzungen des Jungen) nicht richtig unter die abstrakte Gesetzesregel (was ist ein Bagatellschaden?) geordnet. Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Regel „Alle roten Äpfel kommen in Korb A“. Ein Subsumtionsfehler wäre, einen grünen Apfel in Korb A zu legen.
Das Landgericht beleuchtete diesen Punkt sehr genau. Es stellte klar, dass man zwischen einer „Körperverletzung“ und einem entschädigungspflichtigen „Personenschaden“ unterscheiden muss. Eine Körperverletzung ist zunächst einmal jede Beeinträchtigung des Körpers, sei sie auch noch so klein – wie ein Mückenstich. Ein Personenschaden, für den es nach § 253 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Schmerzensgeld geben kann, muss aber eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschreiten. Das Gericht verwies auf ein wichtiges Urteil des Bundesgerichtshofs (des höchsten deutschen Zivilgerichts) aus dem Jahr 1992. Dort wurde gesagt: Ob eine geringfügige Körperverletzung als nicht entschädigungspflichtiger Bagatellschaden gilt, hängt davon ab, wie stark die Lebensführung beeinträchtigt ist und ob es Dauerfolgen gibt. Wenn die Beeinträchtigung so gering ist, dass sie das Allgemeinbefinden nur kurz und unwesentlich stört, dann sei es nicht „billig“ – also nicht gerecht und angemessen im Sinne des Gesetzes – dafür Geld zu zahlen.
Die Bewertung der Verletzungen durch das erste Gericht: Alles korrekt?
Das Amtsgericht, so das Landgericht, habe diese Kriterien richtig angewendet. Die Einschätzung, ob die Folgen einer Verletzung eine Bagatelle sind, liegt im Ermessen des Richters, der die Fakten bewertet (des sogenannten Tatrichters). Dieses Ermessen wird durch § 287 der Zivilprozessordnung eingeräumt, ein Gesetz, das dem Richter erlaubt, die Höhe eines Schadens zu schätzen, besonders wenn ein exakter Nachweis schwierig ist.
Das Berufungsgericht kann dieses Ermessen nur begrenzt überprüfen: Hat der erste Richter die Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung beachtet? Hat er sein Ermessen überhaupt ausgeübt? Hat er die Grenzen seines Ermessens eingehalten und alle wichtigen Umstände berücksichtigt? Der Kläger hatte argumentiert, das Amtsgericht habe seine Kopf- und Nackenschmerzen ignoriert. Das Landgericht widersprach: Das Amtsgericht habe diese Schmerzen durchaus gesehen, sie aber als nicht objektivierbar (also nicht durch neutrale Fakten belegbar) und nicht verifizierbar (nicht bestätigbar) genug eingestuft, um die Geringfügigkeitsgrenze zu überschreiten.
Auch die vom Kläger vorgelegten Arztberichte (in den Gerichtsakten als Anlagen K1, K2 und K3 bezeichnet) stützten die Sicht des Amtsgerichts. Aus dem letzten Bericht vom 21. Oktober 2022, also elf Tage nach dem Unfall, ging hervor, dass der Junge bis auf einen Druckschmerz wieder beschwerdefrei war. Zwar hatte er zwischenzeitlich Schmerzen, Übelkeit und konnte nicht zum Tennistraining. Doch die Verbesserung trat relativ schnell ein. Dass andere Gerichte in ähnlichen Fällen manchmal Schmerzensgeld zwischen 500 und 700 Euro zusprechen, ändere nichts daran, dass die Entscheidung des Amtsgerichts Deggendorf in diesem konkreten Fall nicht fehlerhaft war. Die Rechtsprechung sei hier uneinheitlich, weil die Frage der Geringfügigkeit immer eine Wertungsfrage des einzelnen Richters ist. Das Landgericht fand das Ergebnis des Amtsgerichts überzeugend: Der Junge hatte höchstens eine HWS-Distorsion ersten Grades erlitten – die leichteste Form. Es gebe sogar eine verbreitete juristische Meinung, die besagt, dass es für ein solch kaum objektivierbares „leichtes HWS-Syndrom“ nach heutigem Recht oft gar keinen Ersatz für immaterielle Schäden (also Schmerzensgeld) gibt.
Beweisanträge abgelehnt: Musste das Gericht alles untersuchen?
Ein weiterer Vorwurf des Klägers war, das Amtsgericht habe seine Beweisanträge zu Unrecht abgelehnt. Er wollte, dass er selbst und seine Mutter aussagen und ein Gutachter die Verletzungen bewertet. Aber auch hier folgte das Landgericht dem Amtsgericht.
Das Landgericht erklärte, dass bei der Feststellung der Schwere eines Personenschadens im Rahmen des § 253 Absatz 2 BGB, insbesondere bei leichten Körperverletzungen, die spezielle Vorschrift des § 287 Absatz 1 der Zivilprozessordnung gilt. Diese Vorschrift ist eine Erleichterung für den Richter. Er muss nicht die volle Überzeugung von der Wahrheit einer Behauptung gewinnen, wie es sonst oft nach § 286 der Zivilprozessordnung der Fall ist (der sogenannte Wahrheitsbeweis). Stattdessen kann er aufgrund von Wahrscheinlichkeiten entscheiden und Beweisaufnahmen nach seinem Ermessen anordnen oder eben auch darauf verzichten. Wenn der Richter – wie hier das Amtsgericht – bereits aufgrund der vorgelegten Arztberichte davon überzeugt ist, dass die Beschwerden die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschreiten, muss er nicht zwingend alle weiteren angebotenen Beweise erheben. Das Gebot, alle Beweisanträge auszuschöpfen, ist hier also eingeschränkt.
Die Argumentation des Klägers, ein Gutachten sei nötig gewesen, um die Kausalität (also den Zusammenhang zwischen Unfall und Verletzung) zu beweisen, lief ins Leere. Denn das Amtsgericht hatte ja, wie oben erwähnt, die Kausalitätsfrage offengelassen, weil es die Verletzung ohnehin für zu geringfügig für eine Entschädigung hielt.
Kein Geld für Telefonate und Porto: Die Sache mit der Auslagenpauschale
Zuletzt ging es noch um die vom Kläger geforderte allgemeine Auslagenpauschale. Das ist ein kleiner, pauschaler Betrag, der oft bei der Regulierung von Sachschäden an Fahrzeugen nach Verkehrsunfällen für kleinere Aufwendungen wie Telefon-, Porto- oder Fahrtkosten anerkannt wird, meist ohne dass man jeden Posten einzeln nachweisen muss. Dies ist eine gängige Praxis im Massengeschäft der Unfallabwicklung.
Das Amtsgericht hatte diese Pauschale abgelehnt, und das Landgericht stimmte zu. Diese Pauschale sei eben für Sachschäden gedacht und nicht ohne Weiteres auf Schmerzensgeldansprüche übertragbar. Zudem habe der Kläger gar nicht dargelegt, welche konkreten vorgerichtlichen Kosten ihm überhaupt entstanden seien. Außerhalb der typischen Sachschadenregulierung bei Verkehrsunfällen müsse der Geschädigte schon Tatsachen vortragen und beweisen, die es dem Gericht ermöglichen, die Höhe des Schadensersatzes zu schätzen.
Da die Berufung des Klägers nach Ansicht des Landgerichts offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hatte, legte das Gericht dem Kläger nahe, die Berufung zurückzunehmen. Dies hätte für ihn den Vorteil gehabt, dass sich die Gerichtsgebühren reduzieren würden, wie es eine Regelung im Kostenverzeichnis zum Gerichtskostengesetz (Nr. 1222) vorsieht.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt deutlich, dass nicht jede Verletzung nach einem Unfall automatisch zu Schmerzensgeld berechtigt. Das Landgericht Deggendorf bestätigte, dass leichte Verletzungen wie ein einfaches Schleudertrauma ohne dauerhafte Folgen oder erhebliche Beeinträchtigung der Lebensführung als sogenannte „Bagatellschäden“ gelten können, für die keine Entschädigung gezahlt werden muss. Entscheidend ist dabei nicht nur, dass eine Verletzung vorliegt, sondern dass sie eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschreitet – kurze und unwesentliche Störungen des Allgemeinbefindens reichen nicht aus. Für Unfallopfer bedeutet dies, dass sie bei sehr leichten Verletzungen, die schnell wieder ausheilen, oft leer ausgehen, selbst wenn der andere Fahrer eindeutig schuld an dem Unfall war.
Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet es, wenn meine leichte Verletzung als Bagatellschaden eingestuft wird?
Wenn eine leichte Verletzung als Bagatellschaden eingestuft wird, bedeutet dies in der Regel, dass es sich um eine sehr geringfügige, oberflächliche Beeinträchtigung handelt, die kaum oder keine spürbaren oder länger anhaltenden körperlichen Beschwerden verursacht. Stellen Sie sich darunter beispielsweise einen kleinen Kratzer, eine leichte Rötung oder eine kurzzeitige, schnell abklingende Prellung vor. Es sind Verletzungen, deren Folgen für den Alltag meist unerheblich sind.
Für Sie bedeutet eine solche Einstufung, dass ein Anspruch auf Schmerzensgeld in den meisten Fällen nicht gegeben ist oder nur in einem sehr geringen, symbolischen Umfang bestehen könnte. Der Grund dafür ist, dass das deutsche Recht und die Gerichte die Ansicht vertreten, dass bei solch minimalen Beeinträchtigungen der Aufwand für die Festsetzung und Geltendmachung eines Schmerzensgeldes in keinem angemessenen Verhältnis zur tatsächlich erlittenen Beeinträchtigung steht. Es muss eine gewisse Schwelle der Erheblichkeit der Schmerzen oder der gesundheitlichen Beeinträchtigung überschritten sein, damit überhaupt ein Schmerzensgeldanspruch entsteht.
Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass die Einstufung als Bagatellschaden primär den Anspruch auf Schmerzensgeld betrifft. Andere Schäden, die Ihnen durch die Verletzung entstanden sind und die Sie nachweisen können, wie zum Beispiel Behandlungskosten, Kosten für Medikamente oder ein nachweisbarer Verdienstausfall, sind davon nicht automatisch betroffen. Diese sogenannten materiellen Schäden können auch bei einer sehr leichten Verletzung weiterhin erstattungsfähig sein, wenn sie tatsächlich angefallen sind und kausal mit dem Ereignis zusammenhängen.
Welche Kriterien sind entscheidend, damit auch leichte Verletzungen Schmerzensgeld rechtfertigen?
Auch wenn eine Verletzung auf den ersten Blick geringfügig erscheint, kann sie unter bestimmten Umständen einen Anspruch auf Schmerzensgeld begründen. Es gibt keine starre Liste von Verletzungen, die automatisch Schmerzensgeld ausschließen. Stattdessen kommt es darauf an, ob die Beeinträchtigung die sogenannte „Erheblichkeitsschwelle“ überschreitet. Das bedeutet, die Verletzung muss mehr sein als eine bloße, unerhebliche Unannehmlichkeit, die im täglichen Leben kaum spürbar ist.
Was die „Erheblichkeitsschwelle“ bedeutet
Für die Gerichte ist entscheidend, inwiefern die Verletzung zu einem spürbaren und relevanten Leiden geführt hat. Es geht um einen Ausgleich für Schäden, die nicht direkt in Geld messbar sind, wie Schmerzen, Leiden oder eine Minderung der Lebensqualität. Dies ist in § 253 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt.
Entscheidende Kriterien für die Beurteilung
Gerichte prüfen im Einzelfall eine Reihe von Faktoren, um zu beurteilen, ob auch eine scheinbar leichte Verletzung Schmerzensgeld rechtfertigt:
- Dauer der Beschwerden: Auch wenn eine Verletzung anfangs gering erscheint, können anhaltende Schmerzen oder Einschränkungen über einen längeren Zeitraum hinweg entscheidend sein. Stellen Sie sich vor, eine Prellung schmerzt nicht nur kurz, sondern über Wochen und beeinträchtigt Ihre Schlafqualität oder Ihre täglichen Bewegungen.
- Intensität der Schmerzen und Leiden: Wie stark waren die Schmerzen? Konnten Sie alltägliche Aktivitäten wie Gehen, Essen oder Arbeiten normal ausführen? Erhebliche Schmerzen, die den Alltag stark beeinflussen, sind ein wichtiger Faktor, selbst wenn die Ursache eine „leichte“ Verletzung ist.
- Art und Umfang der medizinischen Behandlung: Mussten Sie einen Arzt aufsuchen? War eine Therapie, Medikamente oder sogar eine Krankschreibung notwendig? Jede notwendige medizinische Maßnahme unterstreicht die Relevanz der Verletzung.
- Auswirkungen auf den Alltag und die Lebensqualität: Konnten Sie aufgrund der Verletzung Ihren Hobbys nicht nachgehen, waren Sie in der Arbeit eingeschränkt oder konnten Sie Ihren Haushalt nicht wie gewohnt führen? Einschränkungen der normalen Lebensführung, selbst temporär, sind hier von Bedeutung.
- Psychische Auswirkungen: Manchmal sind die körperlichen Verletzungen gering, aber der Vorfall selbst führt zu Schock, Angstzuständen oder Schlafstörungen. Auch solche psychischen Beeinträchtigungen können bei der Bemessung des Schmerzensgeldes eine Rolle spielen.
- Bleibende Folgen: Selbst eine kleine Verletzung kann Narben, eine bleibende Empfindlichkeit oder andere dauerhafte Beeinträchtigungen hinterlassen. Diese Folgeschäden sind sehr relevant für die Beurteilung.
Für Gerichte zählt oft die Gesamtheit dieser Umstände. Es ist also nicht nur die Diagnose der Verletzung an sich entscheidend, sondern vor allem, welche konkreten Auswirkungen sie auf das Leben der betroffenen Person hatte und über welchen Zeitraum sich diese Auswirkungen erstreckten.
Welche Nachweise sind wichtig, um leichte Verletzungen für die Geltendmachung von Schmerzensgeld zu belegen?
Um leichte Verletzungen für die Geltendmachung von Schmerzensgeld überzeugend darzulegen, sind bestimmte Nachweise von Bedeutung. Das Ziel ist es, die Verletzung, ihren Umfang und die daraus resultierenden Beeinträchtigungen möglichst genau und nachvollziehbar zu dokumentieren. Für die Beurteilung durch Gerichte oder Versicherungen ist es entscheidend, dass ein klarer Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und den erlittenen Verletzungen besteht.
Medizinische Dokumentation als Grundlage
Medizinische Unterlagen bilden den Kern der Beweisführung. Dazu gehören:
- Arztberichte und Diagnosen: Jede ärztliche Untersuchung, Diagnose und Behandlung nach einem Vorfall sollte lückenlos dokumentiert sein. Das beinhaltet Besuche beim Hausarzt, Fachärzten (z.B. Orthopäden, Neurologen) oder in Krankenhäusern. Wichtig sind genaue Beschreibungen der Verletzungen und deren Entwicklung.
- Krankenhausunterlagen: Wenn eine stationäre Behandlung erfolgte, sind Entlassungsberichte, OP-Berichte und Pflegeprotokolle relevant.
- Atteste und Gutachten: Fachärztliche Atteste, die die Verletzungen und deren Folgen bestätigen, oder sogar medizinische Gutachten können eine große Rolle spielen.
- Rezepte und Medikationen: Eine Auflistung der verschriebenen Medikamente und Behandlungen zeigt den Umfang der medizinischen Notwendigkeit auf.
- Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (Krankschreibungen): Diese belegen, inwieweit die Verletzung die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt hat.
Weitere wichtige Nachweise
Neben den medizinischen Dokumenten können weitere Belege die Darstellung der Verletzung und ihrer Auswirkungen untermauern:
- Fotos der Verletzungen: Direkt nach dem Vorfall und während des Heilungsprozesses aufgenommene Fotos können die Art und Schwere der Verletzung visuell festhalten. Achten Sie darauf, Datum und Uhrzeit der Aufnahmen zu dokumentieren.
- Schmerztagebuch: Ein detailliert geführtes Tagebuch, in dem Sie täglich Beschwerden, Schmerzintensität (z.B. auf einer Skala von 1-10), Beeinträchtigungen im Alltag (z.B. beim Schlafen, Gehen, bei der Arbeit oder Hobbys) sowie eingenommene Medikamente festhalten, kann die subjektiven Auswirkungen der Verletzung objektivierbar machen.
- Zeugenaussagen: Wenn es Personen gab, die den Vorfall oder die unmittelbaren Folgen der Verletzung beobachtet haben, können deren Aussagen unterstützend wirken. Wichtige Angaben hierbei sind die Kontaktdaten der Zeugen.
- Kostenbelege: Belege für selbst bezahlte Medikamente, Therapien oder Hilfsmittel, die direkt im Zusammenhang mit der Verletzung stehen, zeigen ebenfalls den entstandenen Aufwand und die Notwendigkeit der Behandlung.
Die frühzeitige und umfassende Sammlung all dieser Informationen ist entscheidend, um die erlittenen leichten Verletzungen und ihre Auswirkungen auf das persönliche Leben für eine Schmerzensgeldforderung nachvollziehbar zu belegen. Je präziser die Dokumentation, desto klarer kann die individuelle Situation dargelegt werden.
Kann ein Gericht eine Beweisaufnahme ablehnen, selbst wenn ich Zeugen oder Gutachten vorschlage?
Ja, ein Gericht kann grundsätzlich Beweisanträge ablehnen, auch wenn Sie Zeugen oder Gutachten vorschlagen. Die Annahme, dass ein Gericht alle angebotenen Beweise zwingend prüfen muss, ist nicht immer zutreffend. Es gibt mehrere Gründe, aus denen ein Gericht Beweise nicht erheben muss:
Gründe für die Ablehnung von Beweisanträgen
Gerichte sind angehalten, einen Prozess effizient und zielgerichtet zu führen. Ein Beweisantrag kann abgelehnt werden, wenn der Richter oder die Richterin der Auffassung ist, dass die vorgeschlagenen Beweise
- Unerheblich sind: Das bedeutet, der Beweis würde nichts zur Klärung der für die Entscheidung wichtigen Tatsachen beitragen oder die Tatsache, die bewiesen werden soll, ist für den Rechtsstreit nicht von Bedeutung. Stellen Sie sich vor, Sie möchten beweisen, welche Farbe ein Auto hatte, obwohl die Farbe für den Unfallhergang völlig unwichtig ist.
- Bereits erwiesen oder offenkundig sind: Wenn eine Tatsache bereits eindeutig durch andere Beweise feststeht oder so allgemein bekannt ist, dass sie keiner weiteren Beweise bedarf (z.B. die Erde ist rund), muss das Gericht hierfür keine weiteren Beweise erheben.
- Überflüssig sind: Dies liegt vor, wenn die zu beweisende Tatsache bereits durch andere vorhandene Beweismittel ausreichend geklärt wurde und weitere Beweise keinen neuen Erkenntnisgewinn versprechen würden. Wenn beispielsweise bereits mehrere Zeugen eine Sache übereinstimmend bestätigt haben und weitere Zeugen dasselbe aussagen würden.
- Beweisantizipation: Das Gericht kann einen Beweisantrag auch dann ablehnen, wenn es nach vorläufiger Würdigung bereits davon überzeugt ist, dass der vorgeschlagene Beweis die Partei nicht entlasten oder die behauptete Tatsache nicht beweisen kann. Dies ist ein gerichtliches Vorgehen, bei dem der Richter das erwartete Ergebnis der Beweisaufnahme bereits vorab einschätzt.
Besondere Situation bei der Schätzung von immateriellen Schäden (§ 287 Zivilprozessordnung)
Eine wichtige Ausnahme und ein häufiger Fall, in dem Gerichte Beweisanträge mit einem weiteren Ermessensspielraum ablehnen können, betrifft die Schätzung von immateriellen Schäden. Der bekannteste immaterielle Schaden ist das Schmerzensgeld.
- Schmerzensgeld soll als Ausgleich für erlittene nicht-vermögensbezogene Nachteile dienen, wie körperliche Schmerzen, seelisches Leid oder eine Beeinträchtigung der Lebensqualität. Die genaue Höhe eines solchen Schadens ist oft schwer zu beziffern und lässt sich nicht mit mathematischer Präzision berechnen.
- § 287 der Zivilprozessordnung (ZPO) gibt dem Gericht bei der Feststellung der Höhe solcher Schäden einen weiten Ermessensspielraum. Das bedeutet, der Richter oder die Richterin kann die Höhe des Schmerzensgeldes nach freier Überzeugung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls schätzen. Hierfür muss das Gericht nicht zwangsläufig jeden einzelnen angebotenen Beweis zur genauen Bezifferung der Schmerzensgeldhöhe erheben. Es kann vielmehr seine Entscheidung auf bereits vorhandene Beweise und seine Erfahrung stützen. Wenn Sie also versuchen, die genaue Intensität von Schmerzempfindungen durch unzählige Gutachten zu beweisen, könnte das Gericht entscheiden, dass die vorhandenen Informationen für eine Schätzung nach § 287 ZPO ausreichen.
Für Sie als Laie bedeutet das, dass Gerichte nicht blind jedem Beweisantrag folgen müssen, sondern eine wichtige Rolle bei der Steuerung des Verfahrens und der Bewertung der Relevanz von Beweisen spielen. Diese richterliche Befugnis soll dazu beitragen, Verfahren zielgerichtet und ohne unnötige Verzögerungen zu gestalten.
Wird eine allgemeine Auslagenpauschale bei Personenschäden immer erstattet?
Diese Frage ist für viele Betroffene wichtig, um realistische Erwartungen an den Schadensersatz zu haben. Die Antwort lautet klar: Nein, bei Personenschäden wird eine allgemeine Auslagenpauschale nicht automatisch und in gleicher Weise erstattet wie oft bei Sachschäden.
Der Unterschied zwischen Sach- und Personenschäden
Bei der Regulierung von Sachschäden, beispielsweise nach einem Verkehrsunfall, ist es üblich, dass neben den konkreten Reparaturkosten eine sogenannte Auslagenpauschale oder Kostenpauschale (oft zwischen 20 und 30 Euro) für geringfügige, schwer nachweisbare allgemeine Aufwendungen gezahlt wird. Darunter fallen kleine Ausgaben wie Telefonkosten, Portokosten oder Fahrtkosten für die Korrespondenz, die im Zusammenhang mit der Schadenabwicklung entstehen. Diese Pauschale wird in der Praxis von den Versicherungen oft ohne detaillierten Nachweis anerkannt, um den Aufwand der Einzelabrechnung zu vermeiden.
Bei Personenschäden verhält es sich jedoch anders. Hier gibt es keine feste, pauschale Erstattung für allgemeine Auslagen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass alle unfallbedingten und notwendigen Kosten, die Ihnen aufgrund Ihrer Verletzungen entstehen, individuell nachgewiesen und dann erstattet werden müssen. Die Art und der Umfang der Schäden sind bei Personenschäden wesentlich komplexer und vielfältiger als bei reinen Sachschäden, weshalb eine kleine Pauschale dem tatsächlichen Aufwand in der Regel nicht gerecht werden würde.
Welche Kosten bei Personenschäden erstattet werden können
Obwohl es keine allgemeine Auslagenpauschale gibt, können Sie dennoch alle tatsächlichen und notwendigen Kosten erstattet bekommen, die Ihnen infolge des Personenschadens entstanden sind. Dies betrifft zum Beispiel:
- Fahrtkosten: Etwa für Fahrten zu Ärzten, Therapeuten, Krankenhäusern, Gutachtern oder zur Apotheke. Hierfür können entweder die tatsächlichen Kosten (Bus-/Bahntickets, Taxiquittungen) oder bei Nutzung des eigenen PKW in der Regel eine Kilometerpauschale geltend gemacht werden.
- Medikamenten- und Heilmittelkosten: Wenn diese nicht von Ihrer Krankenkasse übernommen werden oder Sie Zuzahlungen leisten müssen.
- Kosten für ärztliche Atteste oder Berichte: Die für die Schadenregulierung benötigt werden.
- Kommunikationskosten: Wie Telefon- oder Portokosten, die unmittelbar im Zusammenhang mit der Schadenregulierung stehen.
- Weitere konkrete Aufwendungen: Zum Beispiel für Hilfsmittel, häusliche Pflege, Haushaltshilfe oder Anpassungen im Wohnbereich, sofern diese unfallbedingt und notwendig sind.
Für die Erstattung dieser Kosten ist es wichtig, dass Sie die Belege und Quittungen sorgfältig aufbewahren. Ohne entsprechende Nachweise kann die Durchsetzung dieser Ansprüche erheblich erschwert sein. Es geht also nicht um eine pauschale Summe, sondern um den Ersatz Ihrer konkret entstandenen und belegbaren Aufwendungen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Bagatellschaden
Ein Bagatellschaden ist eine sehr geringfügige Verletzung oder Beschädigung, die für den Geschädigten so unerheblich ist, dass sie in rechtlicher Hinsicht kaum Beachtung findet. Im Kontext von Personenschäden bedeutet dies, dass leichte körperliche Beeinträchtigungen, wie kurzfristige Schmerzen oder kleinere Prellungen, nicht als erheblich genug angesehen werden, um Schmerzensgeld zu rechtfertigen. Das deutsche Gericht berücksichtigt hier, ob die Beeinträchtigung die Lebensführung spürbar und über eine gewisse Zeit nachhaltig einschränkt (§ 253 Abs. 2 BGB). Nur wenn diese sogenannte Erheblichkeitsschwelle überschritten wird, besteht ein Anspruch auf Schmerzensgeld.
Beispiel: Ein kleiner Kratzer oder eine schnelle Prellung nach einem Unfall, die nach kurzer Zeit ganz abheilt, wird meist als Bagatellschaden eingestuft und führt nicht zu einer Entschädigung für immaterielle Schäden.
Kausalität
Kausalität bezeichnet im Recht den ursächlichen Zusammenhang zwischen einem Ereignis (hier: dem Unfall) und einer Folge (hier: der Verletzung). Sie ist die Frage, ob und inwieweit der Schaden tatsächlich durch das Ereignis verursacht wurde. Ohne Kausalität besteht in der Regel kein Anspruch auf Schadensersatz. Im vorliegenden Fall spielte die Kausalitätsfrage eine untergeordnete Rolle, weil das Gericht die Verletzungen als zu geringfügig einstufte und somit keinen Ersatz forderte – die Ursache wurde deshalb gar nicht abschließend geprüft.
Beispiel: Wenn jemand bei einem Unfall eine Halsverletzung erleidet, muss bewiesen werden, dass genau dieser Unfall die Verletzung verursacht hat, damit ein Schmerzensgeldanspruch besteht.
Subsumtionsfehler
Ein Subsumtionsfehler liegt vor, wenn ein Gericht oder eine Behörde die konkreten Tatsachen (den „Fall“) nicht richtig unter die passende abstrakte gesetzliche Regelung (die „Norm“) einordnet. Das ist ein klassischer Denkfehler in der juristischen Prüfung. Im Beispiel bedeutet das, dass ein Gericht eine Verletzung fälschlich als Bagatellschaden behandelt, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Schmerzensgeld vorliegen.
Beispiel: Wenn das Gesetz sagt „Alle roten Äpfel gehören in Korb A“, aber ein grüner Apfel versehentlich in Korb A gelegt wird, spricht man von einem Subsumtionsfehler.
Ermessensentscheidung
Eine Ermessensentscheidung erlaubt es einem Richter, innerhalb eines gesetzlich vorgegebenen Rahmens nach eigenem Ermessen eine Entscheidung zu treffen – zum Beispiel, wie schwer eine Verletzung zu bewerten ist. Dabei muss der Richter seine Entscheidung begründen und alle relevanten Umstände berücksichtigen. Diese Ermessensspielräume werden bei der Beurteilung von Schmerzensgeldansprüchen häufig genutzt (§ 287 Zivilprozessordnung). Die Berufungsgerichte können diese Entscheidungen nur eingeschränkt überprüfen, vor allem, ob das Ermessen korrekt ausgeübt und die gesetzlichen Grenzen eingehalten wurden.
Beispiel: Ein Richter schätzt, ob eine Verletzung so belastend ist, dass Schmerzensgeld gerechtfertigt ist, und entscheidet aufgrund der Beweislage und Erfahrungswerte.
Allgemeine Auslagenpauschale
Die allgemeine Auslagenpauschale ist eine pauschale Erstattung für kleinere, nicht einzeln nachweisbare Kosten wie Telefon- oder Portokosten. Sie wird in der Praxis meist bei Sachschäden an Fahrzeugen gezahlt, um den Aufwand der Einzelabrechnung zu vermeiden. Bei Personenschäden dagegen gibt es keine automatische Pauschale; Betroffene müssen alle entstandenen Kosten individuell und nachweisbar darlegen, um Ersatz zu erhalten. Dies folgt aus der komplexeren und unterschiedlichen Natur von Personenschäden und deren Kosten.
Beispiel: Nach einem Parkschaden bekommt man meist eine Pauschale für Telefonate mit der Versicherung, bei einem körperlichen Unfallschaden müssen Kosten wie Fahrt zum Arzt oder Medikamente hingegen einzeln belegt werden.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 253 Absatz 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Regelt Ansprüche auf Schmerzensgeld bei Personenschäden und stellt klar, dass hierfür eine gewisse Erheblichkeit der Verletzung erforderlich ist. Ein bloßer Bagatellschaden begründet noch keinen Anspruch auf Schmerzensgeld. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die zentrale Frage ist, ob die leichten Verletzungen des Jungen (HWS-Distorsion und Schädelprellung) die Erheblichkeitsschwelle überschreiten, um Schmerzensgeldansprüche zu rechtfertigen.
- § 287 ZPO (Zivilprozessordnung): Erlaubt dem Gericht, bei der Schätzung von Schäden insbesondere bei schwierig zu beziffernden immateriellen Schäden, wie Schmerzen, nach freiem Ermessen aufgrund von Wahrscheinlichkeiten zu entscheiden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Amtsgericht nutzte dieses Ermessen, um die vom Kläger vorgelegten Arztberichte als nicht ausreichend für einen höheren Schadensersatzwert bzw. Schmerzensgeld zu bewerten und begründete damit das Ablehnen weiterer Beweiserhebungen.
- § 115 VVG (Versicherungsvertragsgesetz): Regelt die Haftung der Versicherung für Leistungen bei Versicherungsfällen, hier im Kontext von Verkehrsunfällen. Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers ist verpflichtet, berechtigte Ansprüche des Geschädigten zu erfüllen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Versicherung räumte zwar die Haftung für den Unfall ein, weigerte sich jedoch, Schmerzensgeld für die als Bagatellschaden bewerteten Verletzungen zu zahlen, was die Streitfrage auslöste.
- § 18 StVG (Straßenverkehrsgesetz): Bestimmt die Haftung des Unfallverursachers bei Verkehrsunfällen und ist Grundlage für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen körperlicher oder materieller Schäden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Dieses Gesetz begründet die zivilrechtliche Haftung des Fahrers bzw. seiner Versicherung, was die rechtliche Basis für den Schmerzensgeldanspruch des Jungen bildet.
- § 522 Abs. 2 ZPO: Ermöglicht die summarische Entscheidung über Berufungen ohne mündliche Verhandlung, wenn die Berufung offensichtlich unbegründet ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Landgericht wies die Berufung des Klägers mit Verweis auf diesen Paragraphen ab, da keine neue Rechtsverletzung oder wesentliche Tatsachenänderung vorlag.
- Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1992 (grundsätzliche Rechtsprechung): Legt fest, dass Bagatellschäden bei Körperverletzungen vorliegen, wenn die Beeinträchtigung nur kurz und unerheblich ist und keine dauerhaften Folgen hat. Das Schmerzensgeld ist nur bei Überschreitung dieser Schwelle gerechtfertigt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Diese Rechtsprechung wurde von den Gerichten herangezogen, um zu beurteilen, dass die Verletzungen des Jungen eine Bagatelle darstellen und daher keinen Anspruch auf Schmerzensgeld begründen.
Das vorliegende Urteil
LG Deggendorf – Az.: 14 S 31/23 – Beschluss vom 04.10.2023
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