AG Tostedt, Az.: 18 C 170/17, Urteil vom 12.04.2018
1. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 135,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.05.2017 zu zahlen.
2. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 359,38 € zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamtschuldnern zu 80 % und dem Kläger zu 20 % auferlegt.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Zahlung restlichen Schadensersatzes aus einem Verkehrsunfall.
Am 17.12.2016 gegen 6:30 Uhr befuhr Frau … mit dem klägerischen Kraftfahrzeug, einem Hyundai 120 mit dem amtlichen Kennzeichen … die Hauptstraße in Neu Wulmstorf und kam an einer roten Ampel zum Stehen. Der Beklagte zu 1. fuhr mit seinem Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen …, das zum Unfallzeitpunkt bei der Beklagten zu 2. haftpflichtversichert war, dem klägerischen Kraftfahrzeug hinten auf. Unter dem 20.12.2016 ließ der Kläger ein Sachverständigengutachten bezüglich der Schäden an seinem Kraftfahrzeug erstellen. Die Wiederbeschaffungsdauer wurde in dem Gutachten mit 14 Kalendertagen und die Nutzungsausfallentschädigung mit 38,00 € pro Tag angegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverständigengutachtens wird auf die Anlage K1, Blatt 7 ff. der Akte, Bezug genommen. Vom 19.12.2016 bis zum 30.12.2016 nutzte der Kläger einen Mietwagen. Am 16.03.2017 schaffte der Kläger ein Ersatzfahrzeug an. Dabei fielen für die Abmeldung des beschädigten Kraftfahrzeugs, die Zulassung des neuen Kraftfahrzeugs sowie für Fußmatten und eine Kombitasche (Verbandskasten, Warndreieck sowie Warnweste) weitere Kosten in Höhe von 195,00 € an (vgl. Anlage K2, Blatt 14 der Akte). Der Rechtsanwalt des Klägers stellte diesem auf einen Gegenstandswert in Höhe von 11.921,95 € und mit einer 1,8 Geschäftsgebühr Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.317,57 € in Rechnung. Mit Schreiben vom 20.03.2017 bestätigte die Beklagte zu 2. die Haftung dem Grunde nach. Die Beklagte zu 2. regulierte bezüglich einer Nutzungsausfallentschädigung 175,00 € und bezüglich der weiteren Positionen einen Pauschalbetrag in Höhe von 60,00 €. Rechtsanwaltsgebühren wurden in Höhe von 958,19 € erstattet. Mit anwaltlichen Schreiben vom 02.05.2017 forderte der Kläger die Beklagte zu 2. unter Fristsetzung bis zum 16.05.2017 zur Zahlung des Restbetrages auf. Eine weitere Regulierung erfolgte nicht.
Der Kläger ist der Ansicht, ihm stünde inklusive des Unfalltages und abzüglich der 11 Tage, an denen ein Mietwagen genutzt wurde, eine Nutzungsausfallentschädigung für sieben Tage zu je 38,00 € zu. Abzüglich der regulierten 175,00 € seien also noch 91,00 € Nutzungsausfallentschädigung nebst den weiteren Differenzbeträgen bzgl. der An- und Abmeldekosten/Kosten für Sicherheitsartikel und bzgl. der Rechtsanwaltsgebühren zu zahlen.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger als Gesamtschuldner 226,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.05.2017 zu zahlen sowie
2. die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger als Gesamtschuldner vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 359,38 € zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Bezüglich der Nutzungsausfallentschädigung meinen die Beklagten, der Kläger habe am 17. und 18.12.2016 keinen Nutzungswillen bezüglich eines Fahrzeugs gehabt, da erst ab dem 19.12.2016 ein Mietwagen angemietet worden sei. Insofern bestünde allenfalls ein Anspruch auf 4 Tage Nutzungsausfall (31.12.2016 bis 03.01.2017). Weiterhin sei für das Fahrzeug des Klägers lediglich ein Nutzungsausfallsatz von 35,00 € vorgesehen. Die Kosten eines professionellen Zulassungsdienstes seien nicht erstattungsfähig. Die Kosten für zusätzliche Ausstattung seien bereits im Rahmen des Wiederbeschaffungswertes reguliert worden. Bezüglich der Rechtsanwaltsgebühren stimme der Gegenstandswert nicht. Im Übrigen sei höchstens die Schwellengebühr in Höhe des 1,3-fachen Satzes erstattungsfähig.
Wegen des weiteren Sachvortrages der Parteien wird auf die ausgetauschten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
Unstreitig hat der Kläger gegen die Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz dem Grunde nach gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG in Verbindung mit § 115 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 VVG.
Der Höhe nach sind folgende weitere Kosten über den bisher regulierten Betrag hinaus zu erstatten:
Hinsichtlich der Rechnung vom 16.03.2017 (Anlage K2), auf welche die Beklagte zu 2. bisher 60,00 € reguliert hat, sind weitere 135,00 € zu erstatten. Der ausgewiesene Rechnungsbetrag in Höhe von 195,00 € ist mithin vollständig zu regulieren. Die Kosten des Verbandskastens, des Warndreiecks sowie der Warnweste sind erstattungsfähig gemäß § 249 Abs. 1 BGB. Der Kläger war gemäß §§ 35h, 53a StVZO in Verbindung mit § 31 StVZO dazu verpflichtet, sein neues Kraftfahrzeug mit den genannten Gegenständen auszustatten. Eine Zulassung ist danach ohne diese Sicherheitsartikel per Gesetz nicht möglich. Daraus folgt auch, dass ein Kraftfahrzeug im Falle eines Verkaufs eben nicht durch den Verkäufer mit diesen Gegenständen auszustatten ist. Inwiefern die Kosten für die genannten Gegenstände daher im Wiederbeschaffungswert enthalten sein sollen, erschließt sich dem Gericht nicht. Vielmehr handelt es sich ebenfalls um Kosten der Anmeldung. Auch die weiter in der Anlage K2 ausgewiesenen Kosten für die Abmeldung des beschädigten Kraftfahrzeugs und die Anmeldung des neuen Kraftfahrzeugs sind erstattungsfähig gemäß § 249 Abs. 1 BGB.
Diese Kosten sind vorliegend nicht pauschal berechnet worden, sondern durch Vorlage der Anlage K2 konkret nachgewiesen worden (vgl. Amtsgericht Berlin-Mitte, Urteil vom 22.09.2016, Aktenzeichen: 102 C 3073/16; Amtsgericht Erfurt, Urteil vom 24.08.2016, Aktenzeichen: 5 C 870/15). Warum der Kläger sich gleichwohl mit einem regulierten Pauschalbetrag zufrieden geben soll, vermag das Gericht nicht nachzuvollziehen. Insbesondere sieht es keine Pflicht des Klägers, sich im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht selbst um die Ab- und Anmeldung zu kümmern. Eine eigenständige Ab- und Anmeldung hätte mit großer Wahrscheinlichkeit zu weiteren Verzögerungen bezüglich der Inbetriebnahme des Ersatzfahrzeugs gesorgt, die der Kläger nicht zur Entlastung der Beklagten hätte in Kauf nehmen müssen.
Erstattungsfähig sind auch die weiteren Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 359,38 €. Der Klägervertreter durfte eine 1,8-Geschäftsgebühr gemäß §§ 2, 13 RVG in Verbindung mit Nummer 2300 VV geltend machen. Das Gericht ist angesichts des dem Rechtsanwalt eingeräumten Ermessens beschränkt auf eine Kontrolle dahin, ob die Bestimmung der 1,8-Gebühr unbillig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG), wofür angesichts der aufgezeigten Umstände nichts spricht. Vorliegend waren diese besonderen Umstände schon aufgrund der unstreitigen Gegebenheiten und Tätigkeiten des Klägervertreters gegeben und rechtfertigten auf diese Weise die getroffene ermessensfehlerfreie Bestimmung. Die Beklagte zu 2. hat über dreieinhalb Monate gebraucht, um für einen klassischen Auffahrunfall die Haftung zu bestätigen. Die Angelegenheit war für den Kläger aufgrund des Totalschadens seines Kraftfahrzeugs von besonderer Bedeutung. Schon aus diesen Gründen ist ein Ermessensfehler nicht ersichtlich. Die Einholung eines Gutachtens der Rechtsanwaltskammer nach § 14 Abs. 2 RVG war nicht erforderlich, da vorliegend kein Streit zwischen Anwalt und Auftraggeber sondern zwischen Auftraggeber und einem ersatzpflichtigem Dritten gegeben ist. Auch der zur Berechnung der Geschäftsgebühr angesetzte Gegenstandswert begegnet keinen gerichtlichen Bedenken. Entsprechend der unbestrittenen Ausführungen in dem Sachverständigengutachten vom 20.12.2016 (Anlage K1) durfte schon von einem Wiederbeschaffungsaufwand (Palandt, BGB, 76. Auflage 2017, § 249 Rn. 22) in Höhe von 10.050,00 € ausgegangen werden. Der nächste Gebührensprung hätte sich erst bei einem Gegenstandswert über 13.000 € ergeben (Anlage 2 zu § 13 Absatz 1 Satz 3 RVG). Dementsprechend ist gegen den Ansatz eines Gegenstandswertes von 11.921,95 € nichts einzuwenden. § 73 Abs. 2 Nummer 8 BRAO verpflichtet das Gericht nicht, ein Gutachten der Rechtsanwaltskammer einzuholen (vgl. BGH, Beschluss vom 24.09.2009, IX ZR 35/07).
Nicht zu erstatten ist allerdings eine über den bereits regulierten Betrag hinausgehende Nutzungsentschädigung. Der hierfür erforderliche Nutzungswille (vgl. Palandt, BGB, 76. Auflage 2017, § 249 Rn. 42) liegt schon aufgrund des widersprüchlichen klägerischen Vortrages nicht vor. Folgende Daten sind vorgetragen worden: Seit dem Sachverständigengutachten vom 20.12.2016 (Anlage K1) stand fest, dass ein Totalschaden vorliegt. Erst am 16.03.2017 schaffte der Kläger ein Ersatzfahrzeug an. Mit Schreiben vom 20.03.2017 bestätigte die Beklagte zu 2. dann die Haftung dem Grunde nach. Es ist also entgegen dem weiteren klägerischen Vortrag nicht so, dass der Kläger die Haftungszusage der Beklagten zu 2. abgewartet hat, um ein Ersatzfahrzeug im Anschluss anzuschaffen. Vielmehr mietete der Kläger lediglich für 11 Tage noch im Dezember 2016 ein Ersatzfahrzeug. Dies aber auch erst 2 Tage nach dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall. Nach der Inanspruchnahme des Mietwagens wartete der Kläger sodann fast ein Vierteljahr zu, um ein Ersatzfahrzeug zu beschaffen. Von einem grundsätzlichen Nutzungswillen über die Weihnachtszeit 2016 hinaus kann daher nicht ausgegangen werden.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus Verzugsgesichtspunkten gemäß §§ 288 Abs. 1, 286 BGB in Verbindung mit § 187 Abs. 1 BGB analog.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 100 Abs. 4 ZPO. Vorliegend stellen die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren keine Nebenforderung im Sinne des § 4 ZPO dar. Im Rahmen der Schadensersatzpflicht gemäß zum Beispiel § 7 StVG sind die Anwaltskosten ein erstattungsfähiger Schaden. Die Forderung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren hat damit keinen eigenen Entstehungsgrund, gehört daher zu der Hauptforderung und war in die Kostenentscheidung einzubeziehen. Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nummer 11, 713 ZPO.