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Haftung beim Linksabbiege-Unfall: 20% Teilschuld bei Tempoverstoß

Die Frage der Haftung beim Linksabbiege-Unfall beschäftigte ein Gericht in Hanau, nachdem ein Autofahrer beim Abbiegen mit einem entgegenkommenden Wagen zusammenstieß. Obwohl die Vorfahrtsregeln eindeutig schienen, traf den vermeintlich Geschädigten eine überraschende Mitschuld.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 39 C 81/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Amtsgericht Hanau
  • Datum: 19.06.2024
  • Aktenzeichen: 39 C 81/22
  • Verfahren: Zivilprozess nach Verkehrsunfall
  • Rechtsbereiche: Straßenverkehrsrecht, Haftungsrecht, Zivilprozessrecht

  • Das Problem: Nach einem Verkehrsunfall stritten sich zwei Autofahrer über die Schuldfrage und den Schadensersatz. Ein linksabbiegendes Fahrzeug kollidierte mit einem entgegenkommenden Auto.
  • Die Rechtsfrage: Wer muss für den Schaden aufkommen, wenn ein Auto beim Linksabbiegen mit einem entgegenkommenden Fahrzeug zusammenprallt?
  • Die Antwort: Der linksabbiegende Fahrer trägt die Hauptschuld (80 Prozent) am Unfall. Der Fahrer des entgegenkommenden Fahrzeugs haftet zu 20 Prozent mit, da er zu schnell fuhr.
  • Die Bedeutung: Beim Linksabbiegen muss man stets den entgegenkommenden Verkehr beachten und haftet meist bei einem Unfall. Eine Teilschuld des entgegenkommenden Fahrers kann entstehen, wenn dieser zu schnell war.

Der Fall vor Gericht


Wer trägt die Schuld, wenn ein Linksabbieger den Gegenverkehr übersieht?

Jeder Autofahrer kennt diesen Moment: Man steht an einer Kreuzung, will links abbiegen, der Gegenverkehr rollt. Man schätzt die Lücke, das Tempo des anderen, trifft eine Entscheidung in Sekundenbruchteilen. Meistens geht es gut.

Frontale Kollision: Wer trägt die Kosten nach dem Linksabbiege-Unfall? Die Schuldfrage bei Teilschuld durch zu hohe Geschwindigkeit.
Gericht: Linksabbieger trägt 80 Prozent Haftung, Gegenverkehr 20 Prozent wegen überhöhter Geschwindigkeit | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Manchmal nicht. Für einen Autofahrer in Hanau endete eine solche Einschätzung mit einem lauten Knall. Er hatte den entgegenkommenden Wagen zwar gesehen, aber falsch kalkuliert. Der Fall, der daraus entstand, ist eine Lektion darüber, wie Gerichte eine scheinbar klare Schuldfrage mit dem Maßband und der Stoppuhr neu bewerten – und warum selbst derjenige mit Vorfahrt nicht immer ganz ungeschoren davonkommt.

Die Ausgangslage schien simpel. Ein Fahrer wollte nach links abbiegen, ein anderes Auto kam ihm auf der Kreuzung entgegen. Es kam zur Kollision. Die Eigentümerin des entgegenkommenden Wagens forderte vollen Schadensersatz von knapp 5.000 Euro. Ihre Version der Geschichte war einfach: Ihr Fahrer sei mit den erlaubten 30 km/h unterwegs gewesen, der Linksabbieger habe schlicht die Vorfahrt missachtet. Der Abbieger zeichnete ein anderes Bild. Die Fahrbahn sei leicht glatt gewesen. Das andere Auto habe sich noch in weiter Ferne befunden, als er sein Manöver begann, sei dann aber mit überhöhter Geschwindigkeit herangeschossen und habe eine lange Bremsspur hinterlassen. Der Unfall, so seine These, wäre bei korrektem Tempo vermeidbar gewesen.

Wie versuchte der abbiegende Fahrer, sich aus der Verantwortung zu ziehen?

Die Verteidigung des Linksabbiegers und seiner Versicherung baute auf mehreren Säulen. Zuerst ein formeller Angriff: Sie bestritten, dass die Klägerin überhaupt die Eigentümerin des beschädigten Wagens sei. Ein juristischer Standardzug, um die Klageberechtigung – die sogenannte Aktivlegitimation – infrage zu stellen. Das Gericht wischte diesen Einwand schnell vom Tisch. Ein Kaufvertrag mit passender Fahrzeug-Ident-Nummer reichte als Beweis.

Der Kern der Verteidigung war die Behauptung, der Unfall sei kein typischer Abbiegefehler gewesen. Man versuchte, den sogenannten Anscheinsbeweis zu erschüttern. Diese Rechtsfigur ist für Linksabbieger heikel. Sie besagt im Klartext: Kracht es beim Linksabbiegen mit dem Gegenverkehr, geht man erst einmal davon aus, dass der Abbieger die Schuld trägt. Er hätte warten müssen. Um diese Vermutung zu kippen, muss der Abbieger beweisen, dass der Unfallablauf völlig untypisch war – zum Beispiel, weil der andere mit irrsinniger Geschwindigkeit fuhr. Genau das war die Strategie: Das Tempo des Gegenverkehrs sollte die alleinige Unfallursache sein.

Welche Rolle spielte der Sachverständige bei der Klärung des Falls?

Das Gericht stand vor zwei widersprüchlichen Erzählungen. Es beauftragte einen Sachverständigen, den Unfall zu rekonstruieren. Dessen Gutachten wurde zum Dreh- und Angelpunkt des Verfahrens. Der Experte analysierte die Fahrzeugschäden, die Endpositionen der Autos und die örtlichen Gegebenheiten. Seine Ergebnisse waren präzise – und für beide Seiten unbequem.

Erstens stellte er fest, dass der entgegenkommende Wagen beim Aufprall etwa 40 km/h schnell war. Das war zwar schneller als die erlaubten 30 km/h, aber weit entfernt von einem extremen Tempo, das einen Unfall unausweichlich gemacht hätte. Die angebliche 15 bis 20 Meter lange Bremsspur konnte der Gutachter nicht mit dem Unfall in Verbindung bringen; sie war für die Rekonstruktion wertlos. Zweitens bestätigte der Experte, dass der Linksabbieger das andere Auto die ganze Zeit über hätte sehen können. Es gab keine Sichtbehinderung.

Die interessanteste Erkenntnis betraf jedoch den Fahrer des entgegenkommenden Wagens. Dieser hatte behauptet, er sei langsam gefahren und habe sich rechtzeitig nach rechts abgesichert. Das Gutachten widerlegte das. Um den Verkehr von rechts überhaupt einsehen zu können, hätte er viel langsamer an die Kreuzung heranfahren müssen. Sein Tempo von 40 km/h passte nicht zu einer vorausschauenden Fahrweise in diesem Kreuzungsbereich.

Warum bekam der schnellere Fahrer trotzdem den Großteil seines Schadens ersetzt?

Das Gericht folgte der Logik des Gutachters und zementierte die Hauptschuld des Linksabbiegers. Der Anscheinsbeweis, dass er den Unfall verursacht hatte, wurde durch das Gutachten nicht erschüttert. Er hatte das entgegenkommende Auto gesehen und seine Geschwindigkeit falsch eingeschätzt. Das war sein Fehler. Die leichte Geschwindigkeitsüberschreitung des anderen Fahrers war kein so außergewöhnlicher Umstand, dass sie den Linksabbieger komplett entlasten würde.

Dennoch blieb das Fehlverhalten des Geradeausfahrers nicht ohne Folgen. Er war zu schnell. Dieses zu hohe Tempo nahm ihm die Möglichkeit, die Kreuzung – insbesondere den Verkehr von rechts – so sorgfältig zu beobachten, wie es die Situation erforderte. Sein eigener Verkehrsverstoß hatte zur Gefahrensituation beigetragen. Das Gericht bewertete diesen Beitrag mit einer Mithaftung von 20 Prozent. Im Ergebnis mussten der Linksabbieger und seine Versicherung 80 Prozent des Schadens übernehmen. Das waren 3.956,33 Euro. Die restlichen 20 Prozent musste die Fahrzeughalterin selbst tragen.

Die Urteilslogik

Die korrekte Einschätzung von Vorfahrt und Geschwindigkeit entscheidet maßgeblich über die Verantwortlichkeit bei einem Unfall und kann selbst den Vorfahrtsberechtigten in die Mithaftung nehmen.

  • Linksabbieger haften primär: Ein Linksabbieger verantwortet primär die Kollision mit entgegenkommendem Verkehr, weil er dessen Vorfahrt missachtet; nur außergewöhnliche Umstände widerlegen diese anfängliche Schuldzuweisung.
  • Mithaftung trotz Vorfahrt: Der Vorfahrtsberechtigte trägt ebenfalls eine Mithaftung, wenn er durch eigene Verkehrsverstöße, wie überhöhte Geschwindigkeit, zur Gefahrensituation oder zum Unfall beiträgt.

Diese Grundsätze mahnen dazu, dass jeder Verkehrsteilnehmer stets umsichtig handeln muss, um eine eigene Mithaftung zu verhindern.


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Experten Kommentar

Wer die Vorfahrt hat, fühlt sich oft im Recht – und das ist auch meistens so. Doch dieser Fall zeigt: Selbst mit klarem Vortritt kann ein eigener Fahrfehler richtig ins Kontor schlagen. Das Gericht stellt klar, dass eine überhöhte Geschwindigkeit des Bevorrechtigten dessen eigene Schadensersatzforderung mindert. Ein unachtsamer Linksabbieger bleibt zwar der Hauptverursacher, ein zu schnelles Gegenüber trägt aber immer eine Mitschuld, wenn das Tempo zur Gefahrentstehung beiträgt. Das ist die klare rote Linie für alle Beteiligten im Straßenverkehr.


Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Habe ich Anspruch auf Schmerzensgeld nach einem Linksabbiege-Unfall?

Nach einem Linksabbiege-Unfall besteht grundsätzlich Anspruch auf Schmerzensgeld, wenn Sie Personenschäden erlitten haben. Selbst bei einer geringen Mitschuld Ihrerseits ist dies möglich. Die letztendliche Höhe hängt maßgeblich von der individuellen Haftungsverteilung und der Schwere Ihrer Verletzungen ab, die ein Gericht nach sorgfältiger Prüfung festlegt.

Juristen nennen das Verursacherprinzip als Ausgangspunkt. Wer als Linksabbieger den Gegenverkehr übersieht und dadurch einen Unfall verursacht, trägt in der Regel die Hauptschuld. Dies beruht auf dem sogenannten Anscheinsbeweis, der besagt, dass der Linksabbieger besondere Sorgfalt walten lassen muss. Entstehen dabei Personenschäden, begründet dies einen Anspruch auf Schmerzensgeld für das Opfer.

Allerdings kann eine eigene, auch geringe, Mitschuld Ihren Anspruch mindern. Denken Sie an eine leichte Geschwindigkeitsüberschreitung oder Unaufmerksamkeit. Ihr Anspruch auf Schmerzensgeld wird dann anteilig zur festgestellten Haftungsquote reduziert. Die konkrete Höhe des Schmerzensgeldes hängt stark vom Ausmaß Ihrer Verletzungen ab, welche durch ärztliche Atteste und Befunde genau dokumentiert werden müssen. Entscheidend für die Festlegung der Schuldverteilung und damit der Schmerzensgeldhöhe sind oft auch Gutachten von Sachverständigen, die den Unfallhergang detailliert rekonstruieren.

Ein passender Vergleich ist die Aufteilung eines Kuchens. Der Gesamtschaden entspricht dem ganzen Kuchen. Stellt sich heraus, dass der Linksabbieger zu 100% verantwortlich ist, erhalten Sie den vollständigen Ausgleich. Wird Ihnen jedoch, wie im Hanauer Fall, eine 20-prozentige Mitschuld zugerechnet, tragen Sie diesen Anteil symbolisch selbst.

Ganz wichtig: Nach der medizinischen Erstversorgung sprechen Sie niemals sofort mit der gegnerischen Versicherung über Details Ihrer Verletzungen oder des Unfallhergangs. Sichern Sie Ihre Position. Konsultieren Sie unverzüglich einen Fachanwalt für Verkehrsrecht. Dieser prüft Ihre Verletzungen, die notwendige Dokumentation und klärt die genaue Haftungslage für Sie. So sichern Sie Ihre Ansprüche optimal ab.


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Wer übernimmt die Anwaltskosten, wenn ich unverschuldet in einen Linksabbiege-Unfall gerate?

Wenn Sie vollständig unverschuldet in einen Linksabbiege-Unfall geraten, muss die gegnerische Versicherung Ihre kompletten Anwaltskosten tragen. Liegt jedoch, wie im Artikel beschrieben, eine Teilschuld vor, werden die Auslagen anteilig entsprechend der festgestellten Haftungsquote übernommen. Ein Fachanwalt ist hier unerlässlich, um Ihre Ansprüche zu sichern und hohe Kosten zu vermeiden.

Die Regel lautet klar: Nach dem Verursacherprinzip zahlt die Haftpflichtversicherung des Verursachers alle Kosten, die durch den Unfall entstehen – dazu gehören auch Ihre Anwaltskosten. Das gilt zu 100 Prozent, wenn der Linksabbieger die alleinige Schuld trägt, weil er beispielsweise Ihre Vorfahrt missachtet hat. Dieser Grundsatz schützt Sie als Geschädigten davor, auf eigenen Kosten sitzen zu bleiben, wenn Sie unverschuldet in einen solchen Vorfall verwickelt werden.

Eine andere Situation ergibt sich, wenn Ihnen eine Teilschuld zugesprochen wird. Dann werden die Anwaltskosten nur anteilig Ihrer Haftungsquote übernommen. Beträgt Ihre Mithaftung beispielsweise 20 Prozent, wie es im Hanauer Fall für den schnelleren Fahrer der Fall war, trägt die gegnerische Versicherung 80 Prozent Ihrer Anwaltskosten. Für die genaue Klärung der Schuldfrage ist oft ein unabhängiges Sachverständigengutachten entscheidend.

Denken Sie an ein gemeinsames Projekt, bei dem einer den Großteil der Arbeit macht, aber auch Sie einen kleinen Fehler beisteuern. Ihre Bezahlung (oder hier die Kostenerstattung) richtet sich dann nach Ihrem jeweiligen Anteil am Gesamtergebnis – und an der Verantwortung. Im Hanauer Fall, den der Kontext-Artikel beschreibt, musste der Linksabbieger und seine Versicherung 80 Prozent des Gesamtschadens übernehmen, weil der Gegenseite eine 20-prozentige Mithaftung angelastet wurde. Dies zeigt prägnant, wie die Kosten, auch die Anwaltskosten, proportional zur Schuld verteilt werden.

Deshalb mein dringender Rat: Versuchen Sie niemals, ohne anwaltlichen Beistand mit der gegnerischen Versicherung zu verhandeln. Deren Ziel ist es, die Kosten für ihren Versicherungsnehmer so gering wie möglich zu halten. Sichern Sie umgehend alle Beweise wie Fotos, Zeugenaussagen und den Polizeibericht. Kontaktieren Sie dann sofort einen Fachanwalt für Verkehrsrecht. Dieser prüft Ihre Ansprüche präzise und sorgt dafür, dass Ihre Rechte vollständig gewahrt und die Anwaltskosten korrekt abgerechnet werden.


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Was muss ich direkt nach einem Linksabbiege-Unfall beachten, um meine Rechte zu sichern?

Nach einem Linksabbiege-Unfall ist die sofortige Beweissicherung am Ort des Geschehens unerlässlich. Sichern Sie Spuren und Umstände minutiös, da nachträgliche Rekonstruktionen ohne Originalbelege oft spekulativ sind und Ihre Beweisführung erheblich erschweren können. Fotos und Zeugenaussagen bilden die Grundlage für die Geltendmachung Ihrer Rechte.

Gerade nach einem solchen Schockmoment zählt jede Sekunde. Zuerst sollten Sie umgehend den Unfallort umfassend fotografieren. Halten Sie dabei Bremsspuren, die genaue Position der Fahrzeuge, entstandene Schäden, Kennzeichen und auch die allgemeine Umgebung fest. Solche visuellen Belege sind für einen späteren Sachverständigen und das Gericht von unschätzbarem Wert. Tauschen Sie außerdem stets die Kontaktdaten und Versicherungsdetails mit allen Beteiligten aus und notieren Sie sich die Namen potenzieller Zeugen. Melden Sie bei Personenschäden oder einem größeren Sachschaden unverzüglich die Polizei. Ihre offizielle Unfallaufnahme dokumentiert Fakten objektiv und minimiert spätere Streitigkeiten über den Hergang. Wichtig ist auch: Äußern Sie sich an der Unfallstelle niemals zur Schuldfrage. Eine voreilige Aussage kann Ihre rechtliche Position schwächen, selbst wenn Sie sich im Recht fühlen. Überlassen Sie die juristische Bewertung den Profis.

Ein passender Vergleich ist der eines Detektivs am Tatort. Jeder noch so kleine Beweis, jedes Foto, ist ein Puzzleteil. Nur wenn alle Teile sorgfältig gesammelt werden, kann der Sachverständige ein klares Bild des Geschehens rekonstruieren. Im Gegensatz dazu konnte die angeblich lange Bremsspur im Hanauer Fall nicht zugeordnet werden – sie war für die Rekonstruktion wertlos. Interpretieren Sie daher nicht selbst, sondern sammeln Sie Fakten.

Nehmen Sie Ihr Smartphone zur Hand und fotografieren Sie sofort umfassend den gesamten Unfallort, die Fahrzeugpositionen, Schäden, Kennzeichen und etwaige Bremsspuren aus verschiedenen Perspektiven, bevor sich die Situation verändert. Später ist es dafür oft zu spät.


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Wie beeinflusst Alkohol oder Drogen die Schuldfrage bei einem Linksabbiege-Unfall?

Alkohol oder Drogen am Steuer erhöhen die Schuld dramatisch, besonders bei einem Linksabbiege-Unfall. Die Fähigkeit zur sicheren Fahrt wird massiv beeinträchtigt, insbesondere die Einschätzung von Geschwindigkeiten und Abständen. Dies untermauert den Anscheinsbeweis gegen den Abbiegenden erheblich und macht es extrem schwer, eine Entlastung zu erreichen. Die juristischen Folgen sind weitreichend.

Juristen nennen das Fahren unter Alkohol- oder Drogeneinfluss grob fahrlässig. Diese Fahruntüchtigkeit verstärkt die Vermutung, dass ein Linksabbiegefehler allein auf Ihre eingeschränkte Urteilsfähigkeit zurückzuführen ist. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Sie als Linksabbieger besondere Sorgfaltspflichten haben und dem Gegenverkehr Vorfahrt gewähren müssen. Rauschmittel beeinträchtigen diese Pflicht massiv.

Die Regel lautet, dass bei einer Kollision mit dem Gegenverkehr der Linksabbieger den Anscheinsbeweis gegen sich hat. Normalerweise könnten Sie versuchen, diesen Anscheinsbeweis zu erschüttern, indem Sie beispielsweise eine überhöhte Geschwindigkeit des Gegners nachweisen. Doch mit Alkohol oder Drogen im Blut wird dies nahezu unmöglich. Selbst wenn der andere Fahrer leicht zu schnell war – wie im Artikel für den Gegenverkehr mit 20% Mithaftung festgestellt –, wird Ihr eigener Verstoß als derart schwerwiegend gewertet, dass eine Mitschuld des Gegners kaum noch ins Gewicht fällt. Es drohen nicht nur zivilrechtliche Konsequenzen wie Schadensersatz und Schmerzensgeld, sondern auch ernste strafrechtliche Folgen wie hohe Geldstrafen, der Entzug des Führerscheins und Punkte in Flensburg.

Denken Sie an die Situation, als würden Sie versuchen, einen komplizierten Bauplan mit verschwommenem Blick zu lesen. Jede Linie, jede Zahl wird unklar. So ist es auch im Straßenverkehr: Ihre Wahrnehmung wird getrübt, Reaktionen sind verlangsamt. Das Risiko eines Fehlers steigt exponentiell.

Sollten Alkohol oder Drogen im Spiel gewesen sein, verweigern Sie sofort die Aussage gegenüber der Polizei. Jeder Satz kann gegen Sie verwendet werden. Kontaktieren Sie umgehend einen Fachanwalt für Verkehrsrecht. Er kann Ihre rechtliche Verteidigung koordinieren, das Ausmaß der Konsequenzen abschätzen und verhindern, dass Sie durch unbedachte Äußerungen Ihre Situation weiter verschlimmern.


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Wie kann ich als Linksabbieger meine Fahrweise anpassen, um solche Unfälle oder Teilschuld zu vermeiden?

Um als Linksabbieger Unfälle und Teilschuld wirksam zu vermeiden, ist es unerlässlich, stets den kompletten Gegenverkehr abzuwarten und dessen Geschwindigkeit präzise zu kalkulieren. Selbst bei scheinbar langsamer Annäherung liegt die Beweislast für einen sicheren Abbiegevorgang primär bei Ihnen. Ein Moment der Ungeduld kann teuer werden.

Die Regel lautet klar: Als Linksabbieger haben Sie eine besondere Sorgfaltspflicht. Juristen nennen das den Anscheinsbeweis. Gerät man beim Abbiegen in eine Kollision mit dem Gegenverkehr, spricht erst einmal alles dafür, dass der Abbiegende den Unfall verursacht hat. Sie müssen beweisen, dass der Unfall nicht auf Ihr Fehlverhalten zurückzuführen ist. Warten Sie daher wirklich, bis die Fahrbahn frei ist oder eine unzweifelhaft sichere Lücke besteht.

Ein weiterer Punkt ist die Einschätzung der Geschwindigkeit des entgegenkommenden Verkehrs. Viele unterschätzen hier. Selbst eine geringe Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit durch den Gegenverkehr entlastet Sie als Linksabbieger meist nicht vollständig. Vielmehr ist es Ihre Aufgabe, sich vorausschauend der Kreuzung zu nähern. Reduzieren Sie Ihr Tempo frühzeitig, gewinnen Sie mehr Reaktionszeit und überblicken Sie den gesamten Bereich, einschließlich des Verkehrs von rechts. Das minimiert Risiken erheblich.

Ein passender Vergleich ist das Schachspiel: Jeder Zug muss wohlüberlegt sein. Eine voreilige Entscheidung, nur weil eine kleine Lücke verlockend erscheint, kann schnell zu einem unumkehrbaren Nachteil führen. Geduld ist Ihr bester Verteidiger.

Nehmen Sie sich vor jedem Linksabbiegen bewusst zwei bis drei Sekunden länger Zeit, um den Gegenverkehr und die gesamte Kreuzungssituation umfassend zu überblicken. Zwingen Sie sich zur Geduld – es lohnt sich immer.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Aktivlegitimation

Als Aktivlegitimation bezeichnen Juristen die Berechtigung einer Person, einen Anspruch gerichtlich geltend zu machen und als Klägerin aufzutreten. Nur wer nachweislich der tatsächliche Inhaber des streitigen Rechts ist, kann erfolgreich klagen. Der Gesetzgeber stellt damit sicher, dass nur die wirklich Betroffenen vor Gericht ziehen und Rechtsschutz suchen können, was missbräuchliche Klagen verhindert.

Beispiel: Im vorliegenden Fall bestritt die Versicherung des Linksabbiegers die Aktivlegitimation der Klägerin, weil sie bezweifelte, dass diese die tatsächliche Eigentümerin des beschädigten Wagens war.

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Anscheinsbeweis

Wenn es bei einem typischen Unfallhergang eine klare Verursacherseite gibt, greift der Anscheinsbeweis, der die Schuld des mutmaßlichen Verursachers vermutet. Besonders bei einem Zusammenstoß zwischen einem Linksabbieger und dem Gegenverkehr spricht diese Rechtsfigur stark gegen den Abbiegenden. Diese Vermutung soll die Beweisführung bei Standardunfällen erleichtern und somit die gerichtlichen Verfahren beschleunigen, da der Geschädigte nicht jede Einzelheit des Verschuldens nachweisen muss.

Beispiel: Im Fall aus Hanau war es entscheidend, ob der Linksabbieger den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis durch besondere Umstände wie überhöhte Geschwindigkeit des Gegners erschüttern konnte.

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Mithaftung

Mithaftung beschreibt den Anteil der eigenen Schuld, den ein Unfallbeteiligter trotz eines primären Verursachers am entstandenen Schaden selbst trägt. Sie entsteht, wenn eigene Fehler oder Verkehrsverstöße zur Unfallursache beitragen, auch wenn sie geringer sind als die des Hauptverursachers. Diese Aufteilung berücksichtigt das sogenannte Verursacherprinzip fair, indem sie die individuellen Beiträge aller Beteiligten zum Gesamtschaden gerecht verteilt und anrechnet.

Beispiel: Trotz der Hauptschuld des Linksabbiegers wurde dem schnelleren Fahrer eine Mithaftung von 20 Prozent zugesprochen, da sein eigenes zu hohes Tempo zur Gefahrensituation beigetragen hatte.

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Sachverständigengutachten

Ein Sachverständigengutachten ist eine neutrale, fachliche Stellungnahme eines Experten, die das Gericht zur Klärung komplexer technischer oder wissenschaftlicher Fragen heranzieht. Dieses Gutachten dient als wichtiges Beweismittel, um den Unfallhergang, entstandene Schäden oder auch die Schuldfrage objektiv zu rekonstruieren und dem Gericht eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu liefern. Durch die Expertise von unabhängigen Fachleuten wird die Sachlichkeit im Prozess gefördert und die Wahrscheinlichkeit einer korrekten Beurteilung erhöht.

Beispiel: Das Gericht beauftragte im Fall des Linksabbiegers einen Sachverständigen, dessen detailliertes Gutachten maßgeblich zur Klärung der tatsächlichen Geschwindigkeiten und Sichtverhältnisse beitrug.

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Verursacherprinzip

Beim Verursacherprinzip handelt es sich um den juristischen Grundsatz, dass derjenige für einen entstandenen Schaden aufkommen muss, der ihn verursacht hat. Dieses Prinzip regelt die Haftungsverteilung und legt fest, wer die finanziellen Konsequenzen eines Unfalls oder einer unerlaubten Handlung trägt. Das Gesetz will damit eine klare und nachvollziehbare Zuweisung der Verantwortung ermöglichen, um Geschädigte zu entschädigen und Verursacher für ihr Handeln zur Rechenschaft zu ziehen.

Beispiel: Nach dem Verursacherprinzip musste die Haftpflichtversicherung des Linksabbiegers den größten Teil des Schadens und die Anwaltskosten des Gegenverkehrs übernehmen.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Vorfahrt des Gegenverkehrs beim Linksabbiegen (§ 9 Abs. 3 StVO)
    Wer nach links abbiegt, muss entgegenkommende Fahrzeuge, die geradeaus fahren oder nach rechts abbiegen wollen, immer zuerst durchfahren lassen.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Linksabbieger hatte die Pflicht, den entgegenkommenden Wagen durchfahren zu lassen, und seine Missachtung dieser Regel war die Hauptursache für den Unfall.
  • Anscheinsbeweis bei Linksabbiegerunfällen
    Kollidiert ein Linksabbieger mit einem entgegenkommenden Fahrzeug, spricht der erste Anschein (Anscheinsbeweis) dafür, dass der Abbiegende den Unfall verursacht hat.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Gerichtsentscheidung ging davon aus, dass der Linksabbieger schuldig war, weil der Unfall ein typischer Linksabbiegerfehler war und der Abbieger diese Vermutung nicht widerlegen konnte.
  • Mithaftung bei gegenseitigem Verschulden (§ 17 Abs. 1 StVG i.V.m. § 254 BGB)
    Haben mehrere Beteiligte durch ihr Verhalten zu einem Unfall und dem daraus entstandenen Schaden beigetragen, wird der Schaden entsprechend dem Anteil ihrer jeweiligen Verantwortung aufgeteilt.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Obwohl der Linksabbieger die Hauptschuld trug, musste die Eigentümerin des entgegenkommenden Wagens 20 Prozent ihres Schadens selbst tragen, weil ihr Fahrer ebenfalls durch zu schnelles Fahren zum Unfall beigetragen hatte.
  • Allgemeine Sorgfaltspflicht im Straßenverkehr (§ 1 Abs. 2 StVO)
    Jeder Verkehrsteilnehmer muss sich so verhalten, dass kein anderer gefährdet, geschädigt oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt wird.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Der entgegenkommende Fahrer fuhr schneller als erlaubt und konnte dadurch die Kreuzung nicht ausreichend überblicken, was als Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht zu seiner Teilschuld führte.
  • Gefährdungshaftung des Fahrzeughalters (§ 7 Abs. 1 StVG)
    Der Halter eines Kraftfahrzeugs haftet für Schäden, die beim Betrieb seines Fahrzeugs entstehen, selbst wenn ihn kein direktes Verschulden trifft.
    Bedeutung im vorliegenden Fall: Diese Regel ist die Grundlage dafür, dass die Eigentümerin des entgegenkommenden Wagens überhaupt Schadensersatz für ihr beschädigtes Fahrzeug fordern konnte.

Das vorliegende Urteil


AG Hanau – Az.: 39 C 81/22 – Urteil vom 19.06.2024


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

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