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Verkehrsunfall – Ursächlichkeit eines Auffahrunfalls für eine HWS-Verletzung

AG Elmshorn, Az.: 59 C 50/13, Urteil vom 24.11.2014

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schmerzensgeldansprüche nach einem Verkehrsunfall.

Verkehrsunfall - Ursächlichkeit eines Auffahrunfalls für eine HWS-Verletzung
Symbolfoto: Von RossHelen /Shutterstock.com

Am 25.07.2012 befuhr die Klägerin mit dem Pkw Audi Q3, amtliches Kennzeichen … in Moorrege die Wedeler Chaussee in Richtung Wedel. In Höhe der Hausnummer 58 bremste die Klägerin verkehrsbedingt ab. Der Beklagte zu 3) fuhr mit dem im Eigentum der Beklagten zu 2) stehenden und bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversicherten Fahrzeug Opel Corsa, Baujahr 2002, amtliches Kennzeichen … auf das von der Klägerin geführte Fahrzeug auf. Die Klägerin begab sich am Unfalltag in die Regioklinik in Wedel. In dem Erstbehandlungsbericht vom 25.07.2014 wurde eine HWS-Distorsion sowie eine Spondylchondrose C5-C7 als Diagnose angegeben. Wegen des genauen Inhalts des Berichts wird auf die als Anlage K7, Bl. 56 d.A., eingereichte Kopie Bezug genommen. Danach war sie bis zum 11.10.2012 in ärztlicher Behandlung bei Dr. …, der den unter dem 05.12.2012 den als Anlage K1, Bl. 7 ff vorgelegten Bericht verfasste, auf den Bezug genommen wird, und physiotherapeutischer Behandlung.

Die Beklagte zu 1) regulierte alle der Klägerin entstandenen Sachschäden i.H.v. 4.533,44 EUR zu 100 Prozent und erstattete außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 489,45 EUR.

Mit Anwaltsschreiben vom 06.11.2012 forderte die Klägerin die Beklagte zu 1) zur Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. 3.000,00 EUR bis zum 21.09.2012 und mit Schreiben vom 04.01.2013 unter Fristsetzung bis zum 18.01.2013 auf.

Die Klägerin begehrt vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nach einem Gegenstandswert von 7.533,44 EUR in Form einer 1,3 Gebühr zzgl. Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer unter Berücksichtigung des bereits gezahlten Betrages von 489,45 EUR.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte zu 3) sei nahezu ungebremst aufgefahren. Die unfallbedingte Geschwindigkeitsänderung ihres Fahrzeuges habe oberhalb von 10 km/h gelegen. Bereits kurz nach dem Unfall habe sie unter Kopfschmerzen gelitten. Durch den Unfall habe sie eine HWS-Distorsion 2. Grades mit Bewegungsschmerz und Bewegungseinschränkungen sowie muskulären Verspannungen im Nacken- und Schulterbereich erlitten. Sie habe anhaltend unter Nackenschmerzen und starken Verspannungen im Nacken- und Schulterbereich sowie rezidivierenden Kopfschmerzen und Schlafstörungen gelitten. Die Kopfschmerzen seien bis Mitte Oktober tags und nachts über aufgetreten, so dass sie zum Ein- und Durchschlafen Voltaren-Resinat habe einnehmen müssen, und bis Mitte November 2012 dann vornehmlich nachts. Sie habe große Schmerzen beim Gehen, Stehen und Liegen gehabt. Das Drehen des Kopfes sei mit Schmerzen im Nacken verbunden gewesen. Sie sei vom 25.07.bis zum 10.09.2012 zu 100 Prozent erwerbsunfähig gewesen und vom 11.09. bis zum 11.10.2012 zu 50 Prozent.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch in Höhe von 3.000,00 EUR, zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle weiter entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 25.07.2012 zu erstatte,

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 171,71 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.02.2013 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, der Beklagte zu 1) habe noch auf das plötzliche Abbremsen der Klägerin reagiert und selbst gebremst, die unfallbedingte Geschwindigkeitsveränderung habe zwischen 8 und 10 km/h gelegen. Eine Verletzung der von der Klägerin behaupteten Art habe aufgrund der geringen Geschwindigkeitsänderung und der Tatsache, dass ein alter Kleinwagen auf einen neuen SUV, der in der passiven Sicherheit von Wagen seiner Klasse die Höchstnote erhalten habe, gefahren sei, nicht entstehen können. Dies folge auch schon aus den geringen Sachschäden.

Das Gericht hat die Klägerin und den Beklagten zu 3) persönlich angehört sowie über die Behauptung der Klägerin zu der Unfallursächlichkeit für ihre körperlichen Beschwerden und zur Differenzgeschwindigkeit Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2013, Bl. 76 ff, sowie das schriftliche interdisziplinäre Sachverständigengutachten der Sachverständigen Dipl. Ing. … und Dr. … vom 11.07.2014, Bl. 139 ff d.A., sowie die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen … vom 16.09.2014, Bl. 223 ff d.A., wird wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat im Ergebnis keinen Erfolg.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten kein Schmerzensgeldanspruch aus §§ 7, 18,11 Satz 2 StVG, 103 VVG oder § 823 Abs. 1 BGB, den einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen zu.

Voraussetzung des Schmerzensgeldanspruches nach beiden Anspruchsgrundlagen ist, dass die Klägerin aufgrund des Unfalls an ihrem Köper oder ihrer Gesundheit verletzt worden ist. Den Nachweis einer erlittenen Körperverletzung in Form eines Schleudertraumas 2. Grades aufgrund des Unfalls vom 25.07.2012 hat die Klägerin nicht führen können.

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht nicht mit der zur Verurteilung der Beklagten erforderlichen Sicherheit zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Beschwerden der Klägerin nach dem 25.07.2012 auf Verletzungen zurückzuführen sind, die die Klägerin durch den Unfall erlitten hat. Zwar hat die Klägerin in ihrer persönlichen Anhörung nachvollziehbar und glaubhaft geschildert, unter welchen Beeinträchtigungen sie in der Zeit nach dem Unfall gelitten hat. Das Gericht geht davon aus, dass die Klägerin tatsächlich Schmerzen im Nackenbereich hatte und unter Bewegungseinschränkungen und Kopfschmerzen litt. Der Nachweis, dass diese Beeinträchtigungen durch den Unfall entstanden sind, ist der insoweit beweisbelasteten Klägerin jedoch nicht gelungen. Das zu dieser Frage eingeholte interdisziplinäre Sachverständigengutachten des Dipl. Ing. … als Sachverständigen zur technischen Fragestellung und des Dr. … als Sachverständigen zur medizinischen Fragestellung kommt zu dem Ergebnis, dass die Klägerin durch den Verkehrsunfall vom 25.07.2012, bei dem es zu einer kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung von 9 bis 12 km/h kam, mit erheblicher Wahrscheinlichkeit kein Schleudertrauma erlitten hat. Der Sachverständige … hat in seinem Gutachtenteil überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt, dass das von dem Beklagten zu 3) geführte Fahrzeug gebremst mit einer Restgeschwindigkeit von 21 bis 27 km/h auf das Fahrzeug der Klägerin prallte und hierdurch ein kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung von 9 bis 12 km/h erfolgte. Die auf die Insassen des Audi, also auf die Klägerin einwirkende biomechanische Belastung lag beim 2,4- bis 3,4-fachen der Erdbeschleunigung g. Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Ausführungen des technischen Sachverständigen bestehen nicht und sind auch von keinem der Beteiligten erhoben worden. Der medizinische Sachverständige … wiederum hat keine verletzungsfördernden Faktoren bei der Klägerin feststeilen können und unter Zugrundelegung der oberen Grenze der kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung eine Verletzungsmöglichkeit der Halswirbelsäule durch den Unfall mit erheblicher Wahrscheinlichkeit verneint und zudem ausgeführt, dass für den Fall der Zugrundelegung der unteren Grenze der kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung eine Verletzungsmöglichkeit der Halswirbelsäule der Klägerin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verneint. Der Sachverständige bewertet die von der Klägerin gegenüber den behandelnden Ärzten, im Rahmen der gerichtlichen Anhörung und ihm gegenüber angegebenen Beschwerden als im Wesentlichen unspezifisch, ist also der Auffassung, dass diese sowohl Folgen einer unfallunabhängigen als auch einer unfallabhängigen Erkrankung sein können. Diese Beschwerden seien in der orthopädischen Praxis häufig und werden in der Regel unfallunabhängig geschildert. Auch die auf den nach dem Unfall gefertigten Röntgenbildern festzustellende Steilstellung der Halswirbelsäule ist nicht zwingend unfallspezifisch, da 42 % der Normalbevölkerung eine steilgestellte Halswirbelsäule haben. Alle erhobenen Befunde, sowohl seitens des Sachverständigen als auch seitens der erstbehandelnden Ärzte lassen daher eine eindeutige Diagnose einer HWS-Distorsion nicht zu. Auch die Ausführungen des medizinischen Sachverständigen sind in sich schlüssig und nachvollziehbar. Der Sachverständige hat im Rahmen seines Gutachtens insbesondere auch die Vorerkrankungen der Klägerin sowie die Tatsache, dass die Klägerin vor dem Unfall keine Beschwerden hat, berücksichtigt. Er ist dennoch zu dem Ergebnis gekommen, dass eine unfallbedingte HWS-Distorsion nicht mit erheblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist und auch die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nicht auf den Unfall zurückzuführen ist. Zwar spricht angesichts der vorherigen Beschwerdefreiheit der Klägerin und der Tatsache, dass es einen Auffahrunfall mit einer gewissen Differenzgeschwindigkeit gegeben hat der Geschehensverlauf für eine gewisse Ursächlichkeit des Unfalls für die Beschwerden der Klägerin, doch obliegt dieser im Streitfall der Nachweis dergestalt, dass sich das Gericht aufgrund der erhobenen Beweise eine Überzeugung bilden muss. Dies ist angesichts der Ausführungen in dem medizinischen Teil des Sachverständigen jedoch trotz des zeitlichen Verlaufs nicht zugunsten der Klägerin möglich.

Des Weiteren steht der Klägerin mangels des Bestehens einer Hauptforderung auch kein Zinsanspruch zu.

Der Klägerin steht zudem kein weiterer Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu. Zwar haften die Beklagten zu 1) bis 3) grundsätzlich als Gesamtschuldner gem. §§ 7, 18 StVG, 103 VVG zu 100 Prozent für die der Klägerin durch den Unfall vom 25.07.2012 entstandenen Sachschäden und damit auch zu 100 Prozent für die durch die Geltendmachung der Schäden entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, doch richten sich diese lediglich nach einem Gegenstandswert in Höhe von 4.533,44 EUR, den Betrag der entstandenen Sachschäden. Ein weitergehender Schaden ist der Klägerin nicht entstanden. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Eine 1,3 Rechtsanwaltsgebühr zzgl. Mehrwertsteuer und Auslagenpauschale nach einem Gegenstandswert von 4.533,44 EUR beläuft sich auf 489,45 EUR. In dieser Höhe ist der Anspruch der Klägerin durch die Zahlung der Beklagten zu 1) bereits erfüllt worden, der Anspruch nach § 362 BGB erloschen.

Der Klägerin steht zudem kein Anspruch auf Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für die zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden zu. Das solche zu befürchten sind, ist nicht ersichtlich, nachdem die Klägerin nicht hat nachweisen können, dass sie aufgrund des Unfalls körperliche Verletzungen erlitten hat. Die Gefahr weiterer zukünftiger Schäden ist nicht substantiiert vorgetragen worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708Ziffer 11, 711,709 Satz 2 ZPO.

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