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Verkehrsunfall – Schmerzensgeld – Kollisionsgeschwindigkeit

Kreuzung in Waltrop, Blechschaden, Schleudertrauma – und plötzlich ging es um Schmerzensgeld. Eine Autofahrerin klagte, weil ihre Halswirbelsäule nach einem Unfall schmerzte, doch die Versicherung wollte partout nicht zahlen.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 16 C 21/20 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: AG Recklinghausen
  • Datum: 25.05.2022
  • Aktenzeichen: 16 C 21/20

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Die Halterin und Eigentümerin eines Autos (Kennzeichen DO-…), die nach einem Verkehrsunfall eine körperliche Beeinträchtigung geltend machte und dafür 1.000 Euro Schmerzensgeld forderte.
  • Beklagte: Die Haftpflichtversicherung des Autos (Kennzeichen BOR-…), dessen Fahrer den Unfall verursacht hat.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Am 07.05.2019 ereignete sich ein Verkehrsunfall, bei dem der Fahrer des bei der Beklagten versicherten Autos die Vorfahrt der Klägerin missachtete. Die alleinige Haftung der Beklagten für den Unfall war unstrittig. Die Klägerin war nach dem Unfall ärztlich vom 07.05. bis 24.05.2019 arbeitsunfähig geschrieben. Die Beklagte hatte bereits verschiedene Schäden (wie Fahrzeugschaden, Gutachterkosten) bezahlt, lehnte die Zahlung von Schmerzensgeld jedoch mit Schreiben vom 04.11.2019 endgültig ab.
  • Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war, ob die Klägerin aufgrund der beim Unfall behaupteten Verletzungen Anspruch auf das geforderte Schmerzensgeld in Höhe von 1.000 Euro hat.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Gericht verurteilte die Beklagte (die Versicherung), an die Klägerin 500 Euro Schmerzensgeld plus Zinsen seit dem 04.11.2019 zu zahlen. Die darüber hinausgehende Forderung der Klägerin wurde abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits müssen die Klägerin und die Beklagte jeweils zur Hälfte tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Streitwert wurde auf 1.000 Euro festgesetzt.

Der Fall vor Gericht


Einleitung: Streit um Schmerzensgeld nach Verkehrsunfall

Das Amtsgericht Recklinghausen hat in einem Urteil vom 25. Mai 2022 über die Forderung einer Autofahrerin nach Schmerzensgeld entschieden.

Waltrop: Beinahe-Unfall Golf Kombi. Verkehrsunfall, Schadensersatz, Personenschaden, Haftpflicht.
Schmerzensgeldforderung nach Verkehrsunfall | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall verlangte die Klägerin 1.000 Euro als Ausgleich für erlittene Verletzungen. Die gegnerische Haftpflichtversicherung, die Beklagte, lehnte diese Zahlung jedoch ab. Das Gericht sprach der Klägerin letztlich die Hälfte des geforderten Betrags zu.

Der Unfallhergang und die unstrittige Haftung

Der Unfall ereignete sich am 7. Mai 2019 an einer Kreuzung in Waltrop. Der Fahrer des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs missachtete die Vorfahrt der Klägerin, was zur Kollision führte. Entscheidend für das weitere Verfahren war, dass die alleinige Haftung der Beklagten für den Unfall zwischen den Parteien unstrittig war. Die Versicherung regulierte daher auch den Großteil der materiellen Schäden am Fahrzeug der Klägerin.

Klägerin fordert Entschädigung für erlittene Verletzungen

Die Klägerin machte geltend, durch den Aufprall erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen erlitten zu haben. Sie forderte deshalb ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000 Euro. Dieser Betrag sollte die körperlichen und seelischen Belastungen ausgleichen, die sie infolge des Unfalls erdulden musste.

Detaillierte Beschreibung der Beschwerden

Konkret behauptete die Klägerin, eine Halswirbelsäulen-Distorsion (HWS-Distorsion), umgangssprachlich oft als Schleudertrauma bezeichnet, sowie eine Prellung erlitten zu haben. Sie beschrieb eine schmerzhaft eingeschränkte Beweglichkeit der Halswirbelsäule und einen beidseitigen Hartspann der Trapezmuskulatur. Unmittelbar nach dem Unfall sei ihr schwindelig gewesen, die eigentlichen Schmerzen hätten aber erst am Folgetag eingesetzt. Zudem habe sie zeitweise unscharf gesehen.

Medizinische Behandlung und Arbeitsunfähigkeit

Aufgrund dieser Beschwerden suchte die Klägerin ärztliche Hilfe. Der behandelnde Arzt stellte eine Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum vom 7. Mai bis zum 24. Mai 2019 fest, also für mehr als zwei Wochen. Zur Linderung der Symptome wurden ihr zunächst Schmerzmittel und später muskelentspannende Präparate verschrieben. Zusätzlich erhielt sie eine Verordnung für 12 krankengymnastische Behandlungen, die sie nach eigenen Angaben auch vollständig wahrnahm.

Position der Versicherung: Zweifel an Verletzung und Kausalität

Die beklagte Haftpflichtversicherung weigerte sich, das geforderte Schmerzensgeld zu zahlen. Sie zweifelte sowohl das Vorliegen der behaupteten Verletzungen als auch deren Ursächlichkeit durch den Unfall an. Die Versicherung führte mehrere Argumente ins Feld, um ihre Ablehnung zu begründen.

Argumentation der Beklagten im Detail

Die Beklagte argumentierte, die Diagnosen der Ärzte würden maßgeblich auf den subjektiven Schilderungen der Klägerin beruhen. Objektive medizinische Befunde, die die Verletzungen zweifelsfrei belegen könnten, lägen nicht ausreichend vor. Weiterhin führte die Versicherung an, dass die Klägerin nach dem Unfall einen Mietwagen genutzt habe. Eine HWS-Distorsion führe jedoch typischerweise zu einer Fahruntauglichkeit, was hier widersprüchlich erscheine.

Zentral war das Argument, dass die bei der Kollision aufgetretenen Kräfte zu gering gewesen seien, um die behaupteten Verletzungen, insbesondere die HWS-Distorsion, hervorzurufen. Selbst wenn die gesundheitlichen Beeinträchtigungen bestünden, seien sie somit nicht kausal auf den Unfall zurückzuführen. Dies ist ein häufiger Einwand in Fällen von leichten Auffahrunfällen oder Kollisionen bei niedriger Geschwindigkeit.

Gerichtliche Aufklärung durch Sachverständigengutachten

Um die strittigen Punkte zu klären – insbesondere die Frage der Kausalität zwischen Unfall und Verletzung – zog das Gericht zwei Sachverständige hinzu. Diese sollten objektive Grundlagen für die richterliche Entscheidung liefern.

Unfallanalytisches Gutachten zur Kollisionsstärke

Zunächst wurde ein unfallanalytisches Gutachten durch einen Diplomingenieur eingeholt. Dieses technische Gutachten hatte die Aufgabe, die physikalischen Kräfte zu ermitteln, die während der Kollision auf die Fahrzeuginsassen gewirkt haben. Insbesondere die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung (Delta-v) ist hierbei ein wichtiger Faktor zur Beurteilung des Verletzungsrisikos für eine HWS-Distorsion.

Medizinisches Gutachten zur Verletzungsfrage

Ergänzend dazu beauftragte das Gericht einen medizinischen Sachverständigen, einen Professor der Medizin. Dieser sollte die von der Klägerin geltend gemachten Verletzungen aus ärztlicher Sicht bewerten. Das Gutachten umfasste die Prüfung der ärztlichen Unterlagen, die Beurteilung der geschilderten Symptome und deren Plausibilität im Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen und den ermittelten Kollisionskräften.

Die Entscheidung des Amtsgerichts Recklinghausen

Nach Auswertung der Beweise, insbesondere der beiden Sachverständigengutachten, fällte das Amtsgericht Recklinghausen sein Urteil. Die Klage hatte nur teilweise Erfolg.

Zuspruch eines teilweisen Schmerzensgeldes

Das Gericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 500 Euro nebst Zinsen. Die darüber hinausgehende Forderung der Klägerin von weiteren 500 Euro wurde abgewiesen. Das Gericht sah es also als erwiesen an, dass die Klägerin durch den Unfall eine entschädigungspflichtige Verletzung erlitten hatte, bewertete deren Schwere jedoch geringer als von der Klägerin gefordert.

Begründung des Gerichts

Die Entscheidung stützt sich auf die gesetzlichen Grundlagen §§ 7 StVG (Straßenverkehrsgesetz), 249, 253 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) und § 115 VVG (Versicherungsvertragsgesetz). Obwohl die detaillierte Begründung im vorliegenden Auszug fehlt, lässt das Ergebnis darauf schließen, dass das Gericht nach Würdigung aller Umstände, einschließlich der Gutachten, zu dem Schluss kam, dass eine kausale Verletzung vorlag. Die Höhe von 500 Euro spiegelt wider, dass die Beeinträchtigungen als eher leicht bis mittelschwer eingestuft wurden, aber dennoch einen Schmerzensgeldanspruch rechtfertigen.

Kostenentscheidung und vorläufige Vollstreckbarkeit

Da die Klägerin nur zur Hälfte mit ihrer Forderung erfolgreich war, entschied das Gericht, die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben. Das bedeutet, dass jede Partei ihre eigenen Anwaltskosten trägt und die Gerichtskosten geteilt werden. Das Urteil wurde zudem für vorläufig vollstreckbar erklärt, was bedeutet, dass die Klägerin die zugesprochenen 500 Euro von der Beklagten einfordern kann, auch wenn diese noch Berufung einlegen sollte.

Bedeutung des Urteils für Betroffene

Dieses Urteil verdeutlicht typische Herausforderungen bei Schmerzensgeldforderungen nach Verkehrsunfällen, insbesondere bei HWS-Distorsionen.

Nachweispflicht für Verletzung und Kausalität

Auch wenn die Haftung für den Unfall klar ist, muss der Geschädigte beweisen, dass er tatsächlich eine Verletzung erlitten hat und diese direkt durch den Unfall verursacht wurde. Subjektive Schmerzangaben allein reichen oft nicht aus, besonders wenn Versicherungen die Kausalität anzweifeln.

Rolle von Sachverständigengutachten

Die Entscheidung unterstreicht die zentrale Bedeutung von Sachverständigengutachten. Sowohl unfallanalytische als auch medizinische Gutachten sind oft entscheidend, um die physikalischen Kräfte des Aufpralls und die Plausibilität der Verletzungen objektiv zu beurteilen. Gerichte stützen ihre Entscheidungen maßgeblich auf diese Expertisen.

Angemessene Höhe des Schmerzensgeldes

Die Höhe des zugesprochenen Schmerzensgeldes hängt stark von der Schwere und Dauer der Beeinträchtigungen ab. Das Gericht wägt hierbei alle Umstände des Einzelfalls ab. Eine Forderung kann auch teilweise zugesprochen werden, wenn das Gericht die Verletzungsfolgen als geringer einschätzt als vom Kläger dargestellt.

Argument der Mietwagennutzung

Das Argument der Versicherung, die Nutzung eines Mietwagens spreche gegen eine ernsthafte Verletzung, zeigt, dass Versicherer oft versuchen, aus dem Verhalten des Geschädigten nach dem Unfall Rückschlüsse zu ziehen. Betroffene sollten sich bewusst sein, dass solche Umstände im Prozess thematisiert werden können, auch wenn sie nicht zwingend gegen einen Anspruch sprechen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Durchsetzung von Schmerzensgeldansprüchen bei vermeintlich leichten Verletzungen wie HWS-Distorsionen komplex sein kann und oft eine genaue Prüfung durch Sachverständige erfordert. Das Urteil zeigt, dass auch bei Zweifeln der Versicherung ein Anspruch bestehen kann, dessen Höhe jedoch vom Gericht anhand objektiver Kriterien bemessen wird.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil zeigt, dass für gesundheitliche Beeinträchtigungen nach einem Verkehrsunfall wie eine HWS-Distorsion ein angemessenes Schmerzensgeld zusteht, wenn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Unfall und Verletzung nachgewiesen werden kann. Entscheidend ist dabei, dass medizinische und unfallanalytische Gutachten die Unfallkausalität bestätigen, wobei keine absolute Gewissheit, sondern ein überwiegendes Maß an Überzeugung ausreicht. Die Höhe des Schmerzensgeldes (hier 500 EUR statt geforderter 1.000 EUR) richtet sich nach der Schwere der Verletzung, der Dauer der Beeinträchtigung und dem Behandlungsaufwand.

Benötigen Sie Hilfe?

Unterstützung bei strittigen Schmerzensgeldansprüchen nach Verkehrsunfall

Nach einem Unfall stellen sich viele Betroffene die Frage, wie sie ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen ausreichend belegen und ihre Ansprüche erfolgreich durchsetzen können. Insbesondere wenn Versicherungen Zweifel an der Verletzung oder deren Ursächlichkeit äußern, kommt es häufig zu Unsicherheiten und langen Auseinandersetzungen.

In solchen Situationen kann eine rechtliche Begleitung helfen, die komplexe Beweisführung zielgerichtet zu steuern und die relevanten medizinischen sowie technischen Gutachten zu koordinieren. Unsere Kanzlei berät umfassend zu den rechtlichen Möglichkeiten und unterstützt bei der Durchsetzung berechtigter Schmerzensgeldforderungen.

Ersteinschätzung anfragen

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was ist Schmerzensgeld und wann habe ich nach einem Verkehrsunfall Anspruch darauf?

Schmerzensgeld ist eine finanzielle Entschädigung für erlittene körperliche oder seelische Schmerzen und Leiden, die Ihnen durch das Verhalten einer anderen Person zugefügt wurden. Es handelt sich dabei um einen Ausgleich für sogenannte „immaterielle Schäden“ – also Schäden, die nicht direkt am Eigentum (wie z.B. am Auto) entstanden sind, sondern Ihre Person betreffen. Die rechtliche Grundlage hierfür findet sich unter anderem im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 253 Abs. 2 BGB).

Nach einem Verkehrsunfall haben Sie grundsätzlich dann einen Anspruch auf Schmerzensgeld, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind:

Verantwortlichkeit des Unfallgegners

  • Ein anderer Verkehrsteilnehmer muss für Ihre Verletzungen verantwortlich sein. Das bedeutet, der Unfall und Ihre daraus resultierenden Verletzungen dürfen in der Regel nicht (allein) durch Sie selbst verschuldet worden sein. Die Verantwortlichkeit kann sich aus einem Verschulden (z.B. Missachtung der Vorfahrt, zu schnelles Fahren) oder aus der sogenannten Gefährdungshaftung ergeben. Die Gefährdungshaftung bedeutet, dass der Halter eines Fahrzeugs oft auch dann für Schäden verantwortlich ist, wenn ihn kein direktes Verschulden trifft, einfach weil der Betrieb eines Autos eine gewisse Gefahr darstellt.
  • Beispiel: Fährt Ihnen jemand aus Unachtsamkeit hinten auf und Sie erleiden dadurch ein Schleudertrauma, ist der Auffahrende in der Regel für Ihre Verletzung verantwortlich.

Nachweisbare Verletzungen

  • Sie müssen durch den Unfall tatsächlich körperliche oder seelische Beeinträchtigungen erlitten haben. Dazu zählen alle Arten von Verletzungen, von Prellungen und Knochenbrüchen über Schleudertraumata bis hin zu psychischen Folgen wie Angstzuständen oder posttraumatischen Belastungsstörungen.
  • Diese Verletzungen und die damit verbundenen Leiden müssen nachgewiesen werden. Das geschieht üblicherweise durch ärztliche Atteste, Behandlungsberichte, Gutachten oder auch Zeugenaussagen. Es ist wichtig, Verletzungen nach einem Unfall zeitnah ärztlich dokumentieren zu lassen. Der Nachweis dient dazu, den Zusammenhang zwischen dem Unfall und Ihren gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufzuzeigen.

Zweck des Schmerzensgeldes

Das Schmerzensgeld soll zwei Hauptfunktionen erfüllen:

  1. Ausgleichsfunktion: Es soll Ihnen einen finanziellen Ausgleich für die erlittenen Schmerzen, Leiden und die Beeinträchtigung Ihrer Lebensfreude bieten. Es soll helfen, die Folgen der Verletzung zumindest symbolisch abzumildern.
  2. Genugtuungsfunktion: Es soll auch eine Art Genugtuung dafür sein, dass Sie durch das Verhalten eines anderen unverschuldet Schmerzen und Leiden ertragen mussten.

Die Höhe des Schmerzensgeldes hängt von vielen Faktoren des Einzelfalls ab, wie der Schwere der Verletzungen, der Dauer der Behandlung, möglichen Dauerfolgen und dem Grad des Verschuldens des Verursachers.


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Wie wird die Höhe des Schmerzensgeldes nach einem Verkehrsunfall berechnet?

Die Höhe des Schmerzensgeldes nach einem Verkehrsunfall lässt sich nicht nach einer festen Formel oder Tabelle berechnen. Es handelt sich immer um eine Entscheidung im Einzelfall, bei der verschiedene Aspekte berücksichtigt werden. Das Schmerzensgeld soll einen Ausgleich für die erlittenen immateriellen Schäden (also Schmerzen und Leiden, die nicht direkt in Geld messbar sind) bieten und dem Geschädigten Genugtuung verschaffen.

Einflussfaktoren auf die Höhe

Gerichte berücksichtigen bei der Festlegung der Schmerzensgeldhöhe eine Vielzahl von Faktoren, um der individuellen Situation gerecht zu werden. Die wichtigsten sind:

  • Art, Schwere und Dauer der Verletzungen: Leichte Verletzungen wie Prellungen führen in der Regel zu geringerem Schmerzensgeld als schwere Verletzungen wie Knochenbrüche, innere Verletzungen oder gar eine Querschnittslähmung. Auch die Anzahl der Verletzungen spielt eine Rolle.
  • Dauer und Intensität der Behandlung: Langwierige Krankenhausaufenthalte, Operationen, Rehabilitationsmaßnahmen und eine lange Genesungszeit erhöhen tendenziell das Schmerzensgeld. Auch besonders schmerzhafte Behandlungen werden berücksichtigt.
  • Bleibende Schäden (Dauerschäden): Wenn der Unfall zu dauerhaften körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen führt (z.B. chronische Schmerzen, Narben, Bewegungseinschränkungen, posttraumatische Belastungsstörungen), wirkt sich dies erheblich auf die Höhe aus. Auch dauerhafte Entstellungen sind relevant.
  • Grad des Verschuldens des Verursachers: Ein besonders rücksichtsloses oder vorsätzliches Verhalten des Unfallverursachers kann zu einem höheren Schmerzensgeld führen (Genugtuungsfunktion). Umgekehrt kann ein Mitverschulden des Geschädigten das Schmerzensgeld mindern.
  • Individuelle Lebensumstände des Geschädigten: Das Alter, der Beruf, Hobbys und die persönlichen Lebensumstände können eine Rolle spielen. Wenn beispielsweise ein junger Mensch dauerhaft entstellt wird oder jemand seinen Beruf oder seine Hobbys aufgrund der Verletzungen nicht mehr ausüben kann, kann dies die Bemessung beeinflussen.
  • Wirtschaftliche Verhältnisse: In Ausnahmefällen können auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten eine Rolle spielen, dies ist aber eher nachrangig.

Orientierung an Schmerzensgeldtabellen

Oft werden sogenannte Schmerzensgeldtabellen (wie z.B. die Beck’sche Schmerzensgeldtabelle oder die ADAC-Schmerzensgeldtabelle) herangezogen. Diese Tabellen sammeln und systematisieren frühere Gerichtsentscheidungen zu ähnlichen Verletzungsfällen.

Wichtig ist: Diese Tabellen bieten lediglich eine Orientierungshilfe und sind für Gerichte nicht bindend. Jedes Gericht entscheidet den Fall individuell unter Berücksichtigung aller spezifischen Umstände. Zwei auf den ersten Blick ähnliche Verletzungen können aufgrund der unterschiedlichen Begleitumstände (z.B. Behandlungsdauer, Dauerschäden, Verschulden) zu ganz unterschiedlichen Schmerzensgeldbeträgen führen. Die Tabellen können also nur einen groben Anhaltspunkt geben, wie Gerichte in der Vergangenheit entschieden haben.


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Welche Beweise brauche ich, um meine Verletzungen nach einem Verkehrsunfall nachzuweisen und Schmerzensgeld zu fordern?

Um nach einem Verkehrsunfall Ansprüche auf Schmerzensgeld geltend machen zu können, müssen Sie nachweisen, dass Sie durch den Unfall Verletzungen erlitten haben und dass diese Verletzungen eine Folge des Unfalls sind. Die Beweislast liegt hier in der Regel bei Ihnen als geschädigter Person. Ihre reinen Schilderungen der Schmerzen oder Beschwerden reichen dafür meist nicht aus. Es kommt entscheidend auf objektive und nachvollziehbare Beweismittel an.

Ärztliche Dokumentation als zentraler Beweis

Der wichtigste Baustein für den Nachweis Ihrer Verletzungen ist eine umfassende ärztliche Dokumentation. Suchen Sie daher möglichst zeitnah nach dem Unfall einen Arzt auf, auch wenn Sie die Verletzungen zunächst als geringfügig einschätzen.

  • Ärztliche Atteste und Berichte: Lassen Sie sich alle Verletzungen, Beschwerden und Diagnosen schriftlich von den behandelnden Ärzten (Hausarzt, Fachärzte, Krankenhaus) bestätigen. Diese Berichte beschreiben die Art und Schwere der Verletzungen.
  • Krankenunterlagen: Dazu gehören Entlassungsberichte aus dem Krankenhaus, Befunde von Untersuchungen (z.B. Röntgenbilder, MRT-Berichte) und Nachweise über erfolgte Behandlungen (z.B. Physiotherapie).
  • Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen: Diese belegen Zeiträume, in denen Sie aufgrund der unfallbedingten Verletzungen nicht arbeiten konnten.
  • Lückenlose Dokumentation: Es ist sehr wichtig, dass die gesamte Behandlung und der Verlauf Ihrer Beschwerden lückenlos dokumentiert sind. Regelmäßige Arztbesuche und die genaue Schilderung Ihrer Beschwerden gegenüber dem Arzt helfen dabei. Lücken können später zu Problemen beim Nachweis führen, dass die Beschwerden tatsächlich auf den Unfall zurückzuführen sind.
  • Ärztliche Gutachten: Bei länger andauernden oder komplexen Verletzungsfolgen kann ein medizinisches Gutachten erforderlich sein. Ein Gutachter beurteilt dann die Verletzungen, deren Ursache und mögliche Dauerfolgen.

Weitere wichtige Beweismittel

Neben den ärztlichen Unterlagen können weitere Dokumente und Aussagen helfen, Ihre Ansprüche zu untermauern:

  • Unfallprotokoll: Wenn die Polizei den Unfall aufgenommen hat, enthält das polizeiliche Unfallprotokoll oft erste Angaben zu Verletzungen oder zumindest zum Unfallhergang, der Rückschlüsse auf mögliche Verletzungen zulässt. Auch ein gemeinsam mit dem Unfallgegner erstellter Unfallbericht kann hilfreich sein.
  • Zeugenaussagen: Personen, die den Unfall beobachtet haben, können Angaben zum Hergang machen. Manchmal können Zeugen auch bestätigen, dass Sie unmittelbar nach dem Unfall über Schmerzen geklagt haben oder sichtbare Verletzungen hatten.
  • Fotos und Videos: Zeitnah aufgenommene Fotos Ihrer sichtbaren Verletzungen (z.B. Prellungen, Wunden, Schwellungen) können sehr aussagekräftig sein. Auch Fotos vom Unfallort oder den beschädigten Fahrzeugen können indirekt die Schwere des Aufpralls und damit die Plausibilität von Verletzungen belegen.
  • Schmerztagebuch: Ein persönlich geführtes Tagebuch, in dem Sie über einen längeren Zeitraum Ihre Schmerzen, Beschwerden, Arztbesuche und Beeinträchtigungen im Alltag festhalten, kann Ihre Schilderungen unterstützen und als Gedächtnisstütze dienen. Es ersetzt jedoch keine ärztlichen Befunde, sondern ergänzt diese.

Bedeutung der Lückenlosigkeit und Objektivität

Entscheidend für die Durchsetzung von Schmerzensgeldansprüchen ist der Nachweis des Zusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und den eingetretenen Gesundheitsbeeinträchtigungen. Je vollständiger und objektiver Ihre Beweise sind, desto besser stehen die Chancen, den Unfall als Ursache für Ihre Verletzungen nachzuweisen.

Subjektive Schilderungen allein genügen nicht. Die ärztliche Dokumentation liefert die notwendige objektive Grundlage. Eine lückenlose Dokumentation von der Erstbehandlung bis zum Ende der Beschwerden ist wichtig, um zu zeigen, dass die gesundheitlichen Probleme durchgehend bestanden und auf den Unfall zurückzuführen sind. Fehlende Arztbesuche über längere Zeiträume können als Argument genutzt werden, dass die Beschwerden nicht mehr unfallbedingt oder nicht mehr vorhanden waren.

Die Art, Schwere und Dauer der nachgewiesenen Verletzungen sowie deren Folgen für Ihr Leben sind maßgeblich für die Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes. Eine sorgfältige Sammlung und Aufbewahrung aller relevanten Beweismittel ist daher von großer Bedeutung.


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Welche Rolle spielt die Versicherung des Unfallverursachers bei der Geltendmachung von Schmerzensgeld?

Nach einem Verkehrsunfall ist die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers Ihr zentraler Ansprechpartner, wenn es um die Regulierung der Schäden geht. Dazu gehört auch der Anspruch auf Schmerzensgeld, wenn Sie verletzt wurden.

Zuständigkeit der Versicherung

In Deutschland besteht für Fahrzeughalter die Pflicht, eine Kfz-Haftpflichtversicherung abzuschließen. Diese Versicherung tritt für die Schäden ein, die der Versicherte (der Unfallverursacher) anderen Personen zufügt. Sie übernimmt also im Auftrag des Verursachers die Prüfung und Bezahlung berechtigter Ansprüche, wozu auch das Schmerzensgeld zählt. Das bedeutet für Sie als Geschädigten, dass Sie Ihre Forderungen direkt an diese Versicherung richten.

Kontaktaufnahme und notwendige Informationen

Die Kontaktaufnahme erfolgt entweder durch den Unfallverursacher, der den Schaden seiner Versicherung meldet, oder Sie können sich auch direkt an die Versicherung wenden. Um Ihre Ansprüche auf Schmerzensgeld geltend zu machen, benötigt die Versicherung detaillierte Informationen zum Unfallhergang und zu Ihren Verletzungen. Dazu gehören typischerweise:

  • Angaben zum Unfall (Ort, Zeit, Hergang, beteiligte Fahrzeuge, polizeiliches Aktenzeichen)
  • Nachweise über Ihre Verletzungen (ärztliche Atteste, Berichte von Krankenhausaufenthalten, Diagnosen)
  • Informationen über die bisherige und voraussichtliche Dauer der Behandlung und Arbeitsunfähigkeit
  • Belege für entstandene Kosten (z.B. für Medikamente, Therapien)
  • Gegebenenfalls eine Beschreibung der erlittenen Schmerzen und Beeinträchtigungen im Alltag

Je umfassender und genauer Ihre Unterlagen sind, desto besser kann die Versicherung den Anspruch prüfen.

Mögliche Vorgehensweisen von Versicherungen

Es ist wichtig zu verstehen, dass Versicherungen Wirtschaftsunternehmen sind. Sie werden die gemeldeten Ansprüche genau prüfen. Dabei untersuchen sie, ob ihr Versicherungsnehmer tatsächlich für den Unfall verantwortlich ist (Haftungsgrund) und ob die geltend gemachte Höhe des Schmerzensgeldes angemessen ist (Haftungshöhe).

Versicherungen können verschiedene Strategien verfolgen:

  • Prüfung der Haftung: Es wird geprüft, ob der eigene Versicherte überhaupt oder in vollem Umfang für den Unfall verantwortlich ist. Bei unklarer Schuldfrage oder Mitverschulden des Geschädigten kann die Zahlung gekürzt oder abgelehnt werden.
  • Bewertung der Verletzungen: Die Schwere der Verletzungen, die Dauer der Heilung und mögliche Dauerfolgen werden bewertet. Hierbei kann es zu unterschiedlichen Einschätzungen zwischen Ihnen und der Versicherung kommen.
  • Vergleichsangebote: Versicherungen unterbreiten manchmal frühzeitig Vergleichsangebote, um den Fall schnell abzuschließen. Solche Angebote sollten sorgfältig geprüft werden, da sie möglicherweise nicht alle zukünftigen Folgen der Verletzung abdecken.
  • Verzögerungstaktiken: In manchen Fällen kann die Bearbeitung länger dauern, etwa wenn noch Ermittlungen laufen oder Gutachten eingeholt werden müssen.

Es ist Ihr Recht, Ihre Ansprüche auf Schmerzensgeld geltend zu machen. Die Versicherung des Unfallverursachers ist gesetzlich verpflichtet, berechtigte Ansprüche zu regulieren. Eine sorgfältige Dokumentation Ihrer Verletzungen und deren Folgen ist dabei von zentraler Bedeutung.


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Welche Fristen muss ich bei der Geltendmachung von Schmerzensgeld nach einem Verkehrsunfall beachten?

Nach einem Verkehrsunfall ist es wichtig, mögliche Ansprüche auf Schmerzensgeld rechtzeitig geltend zu machen, da diese verjähren können. Das bedeutet, nach Ablauf einer bestimmten Frist können Sie Ihren Anspruch nicht mehr durchsetzen.

Die regelmäßige Frist: Drei Jahre ab Jahresende

Für Schmerzensgeldansprüche gilt grundsätzlich die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren. Diese Frist beginnt jedoch nicht sofort am Tag des Unfalls.

Der Fristbeginn ist entscheidend: Die dreijährige Frist startet erst am Ende des Jahres, in dem beide folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. Der Unfall hat stattgefunden und der Anspruch auf Schmerzensgeld ist entstanden (Sie haben also eine Verletzung erlitten).
  2. Sie haben Kenntnis von den Umständen, die den Anspruch begründen (Sie wissen, dass Sie verletzt sind) und von der Person, die dafür verantwortlich ist (also vom Schädiger bzw. dessen Versicherung), oder Sie hätten diese Kenntnis ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müssen.

Beispiel: Sie hatten im Mai 2023 einen Verkehrsunfall und wissen, wer der Unfallverursacher ist und dass Sie verletzt wurden. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt dann am 31. Dezember 2023 zu laufen und endet am 31. Dezember 2026.

Wann kann die Frist anders laufen?

In bestimmten Situationen kann der Lauf der Verjährungsfrist beeinflusst werden:

  • Hemmung der Verjährung: Die Frist kann „pausieren“, zum Beispiel während ernsthafter Verhandlungen zwischen Ihnen und der gegnerischen Versicherung über das Schmerzensgeld. Die Zeit der Hemmung wird nicht in die Dreijahresfrist eingerechnet. Auch die Erhebung einer Klage bei Gericht hemmt die Verjährung.
  • Längere Fristen in Ausnahmefällen: Unabhängig von Ihrer Kenntnis verjähren Schadensersatzansprüche wegen Körperverletzung spätestens 30 Jahre nach dem Unfallereignis. Diese lange Frist spielt vor allem dann eine Rolle, wenn Spätfolgen erst sehr viel später auftreten oder der Schädiger lange unbekannt bleibt.

Warum ist die Einhaltung der Frist entscheidend?

Die Beachtung dieser Fristen ist sehr wichtig. Wenn die Verjährungsfrist abgelaufen ist, kann die gegnerische Seite (meist die Versicherung des Unfallverursachers) die Zahlung des Schmerzensgeldes verweigern, selbst wenn Ihr Anspruch ursprünglich berechtigt war. Man spricht dann davon, dass der Anspruch „verjährt“ ist.

Es ist daher ratsam, sich frühzeitig nach einem Unfall um die Klärung und Geltendmachung Ihrer Ansprüche zu kümmern, um den möglichen Verlust durch Verjährung zu vermeiden.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Haftung

Haftung bedeutet die rechtliche Verpflichtung, für einen entstandenen Schaden einzustehen und diesen auszugleichen. Im Text ist die Haftung der Beklagten (bzw. des bei ihr versicherten Fahrers) für den Unfall selbst unstrittig, was bedeutet, dass sie grundsätzlich für die Unfallfolgen verantwortlich ist (§ 7 StVG, § 823 BGB). Streitig war hier nur noch, welche Folgen (insbesondere Verletzungen) dem Unfall zuzurechnen sind und wie hoch der Ausgleich dafür sein muss. Die Haftung kann sich aus einem Vertrag oder direkt aus dem Gesetz ergeben, wie hier bei einem Verkehrsunfall.

Beispiel: Wenn jemand versehentlich eine Vase im Laden umstößt, haftet er für den Schaden und muss den Wert der Vase ersetzen.


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Kausalität

Kausalität beschreibt den ursächlichen Zusammenhang zwischen einem Ereignis (Ursache) und einem daraus folgenden Schaden (Wirkung). Im juristischen Sinne muss geprüft werden, ob ein bestimmtes Verhalten oder Ereignis – hier der Verkehrsunfall – die eingetretene Rechtsgutverletzung – hier die HWS-Distorsion – tatsächlich verursacht hat. Ohne diesen Nachweis der Kausalität besteht kein Anspruch auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld, selbst wenn feststeht, wer den Unfall verschuldet hat. Im Text zweifelte die Versicherung genau diese Kausalität zwischen dem Unfall (geringe Kollisionskräfte) und den behaupteten Verletzungen an.

Beispiel: Stolpert jemand über ein schlecht gesichertes Kabel auf einem Gehweg und bricht sich den Arm, ist das Verlegen des Kabels kausal für den Bruch.


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Schmerzensgeld

Schmerzensgeld ist ein finanzieller Ausgleich für sogenannte immaterielle Schäden, also Schäden, die nicht direkt am Vermögen eintreten. Es soll erlittene körperliche oder seelische Schmerzen, Leiden und Beeinträchtigungen der Lebensqualität kompensieren (§ 253 Abs. 2 BGB). Im vorliegenden Fall forderte die Klägerin Schmerzensgeld für die durch den Unfall verursachte HWS-Distorsion und die damit verbundenen Beschwerden und die Arbeitsunfähigkeit. Die Höhe des Schmerzensgeldes richtet sich nach der Schwere und Dauer der Verletzungen und Beeinträchtigungen.

Beispiel: Nach einem ärztlichen Behandlungsfehler leidet ein Patient dauerhaft unter Schmerzen und kann sein Hobby nicht mehr ausüben; dafür kann er Schmerzensgeld verlangen.


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Sachverständigengutachten

Ein Sachverständigengutachten ist das fachliche Urteil eines Experten (Sachverständigen), das ein Gericht einholt, um spezielle Fachfragen zu klären, für die dem Richter die nötige Sachkunde fehlt. Es dient als Beweismittel im Prozess (§§ 402 ff. ZPO – Zivilprozessordnung). Im Text wurden Gutachten eingeholt, um die technischen Aspekte des Unfalls (Kollisionsstärke durch Unfallanalytiker) und die medizinischen Fragen (Verletzung und deren Unfallbedingtheit durch Mediziner) zu beurteilen. Diese Gutachten helfen dem Gericht, über strittige Tatsachen wie die Kausalität zu entscheiden.

Beispiel: Bei einem Streit über Baumängel an einem Haus beauftragt das Gericht einen Bausachverständigen, der den Zustand prüft und in einem Gutachten bewertet.


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Anspruch

Ein Anspruch ist das subjektive Recht, von einer anderen Person ein bestimmtes Tun oder Unterlassen verlangen zu können (§ 194 Abs. 1 BGB). Im Zivilrecht bedeutet dies meist das Recht, eine Zahlung (z.B. Schadensersatz, Schmerzensgeld) oder eine Handlung (z.B. Herausgabe einer Sache) zu fordern. Im Text macht die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld gegen die Beklagte geltend, der sich aus den gesetzlichen Haftungsregeln (§§ 7 StVG, 253 BGB, 115 VVG) ergibt. Das Gericht prüft, ob dieser Anspruch besteht und in welcher Höhe.

Beispiel: Wer eine Ware online kauft und bezahlt, hat einen Anspruch gegen den Verkäufer auf Lieferung der Ware.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 7 Abs. 1 StVG (Straßenverkehrsgesetz): Diese Norm begründet die Gefährdungshaftung des Fahrzeughalters. Sie besagt, dass der Halter eines Kraftfahrzeugs zum Schadensersatz verpflichtet ist, wenn durch den Betrieb des Fahrzeugs ein Mensch verletzt oder eine Sache beschädigt wird. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Da der Unfall durch den Betrieb des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs verursacht wurde und die Beklagte die Haftung anerkannt hat, ist die Beklagte als Haftpflichtversicherer grundsätzlich zum Schadensersatz verpflichtet.
  • § 249 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Dieser Paragraph normiert den Grundsatz der Naturalrestitution im Schadensersatzrecht. Er besagt, dass der Schädiger verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der schädigende Umstand nicht eingetreten wäre. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Klägerin hat aufgrund des Unfalls einen Anspruch darauf, dass ihr durch den Unfall entstandener Schaden, sowohl am Fahrzeug als auch immateriell in Form von Schmerzensgeld, ausgeglichen wird.
  • § 253 Abs. 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Diese Vorschrift regelt den Anspruch auf Schmerzensgeld bei Verletzungen des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung. Sie ermöglicht den Ersatz für immaterielle Schäden, also für Schmerzen und Leiden. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Klägerin macht aufgrund ihrer behaupteten HWS-Distorsion und Prellung einen Anspruch auf Schmerzensgeld geltend, welcher durch § 253 Abs. 2 BGB grundsätzlich legitimiert ist, sofern die Verletzungen unfallbedingt sind.
  • § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG (Versicherungsvertragsgesetz): Diese Norm statuiert den Direktanspruch des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer. Sie ermöglicht es dem Unfallopfer, seinen Schadensersatzanspruch direkt gegen die Versicherung des Schädigers geltend zu machen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Klägerin kann ihren Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz direkt gegen die Beklagte als Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers richten, anstatt sich nur an den Fahrer oder Halter des anderen Fahrzeugs wenden zu müssen.

Hinweise und Tipps

Praxistipps für Unfallgeschädigte bei Schmerzensgeld nach einem Verkehrsunfall

Ein Verkehrsunfall ist schnell passiert, und neben dem Blechschaden können auch körperliche Beschwerden auftreten. Gerade bei Verletzungen wie einem Schleudertrauma stellt sich oft die Frage nach Schmerzensgeld. Die gegnerische Versicherung zeigt sich dabei nicht immer zahlungsbereit.

Hinweis: Diese Praxistipps stellen keine Rechtsberatung dar. Sie ersetzen keine individuelle Prüfung durch eine qualifizierte Kanzlei. Jeder Einzelfall kann Besonderheiten aufweisen, die eine abweichende Einschätzung erfordern.

Tipp 1: Verletzungen sofort ärztlich dokumentieren lassen
Gehen Sie nach einem Unfall umgehend zu einem Arzt, auch wenn die Beschwerden zunächst gering erscheinen. Lassen Sie alle Verletzungen und Beeinträchtigungen genau dokumentieren. Diese ärztlichen Atteste sind entscheidend, um den Zusammenhang zwischen Unfall und Verletzung später gegenüber der Versicherung oder vor Gericht nachweisen zu können.


Tipp 2: Schmerzensgeld ausdrücklich fordern
Die Regulierung des Fahrzeugschadens durch die gegnerische Versicherung bedeutet nicht automatisch, dass auch Schmerzensgeld gezahlt wird. Fordern Sie Schmerzensgeld für Ihre erlittenen Verletzungen aktiv und separat bei der Versicherung ein. Setzen Sie hierfür am besten eine konkrete Frist.


Tipp 3: Hartnäckigkeit bei Versicherungsablehnung
Versicherungen lehnen Schmerzensgeldforderungen, insbesondere bei HWS-Syndromen („Schleudertrauma“), häufig zunächst ab oder bieten nur geringe Beträge an. Lassen Sie sich von einer ersten Ablehnung nicht entmutigen. Oft ist eine gerichtliche Klärung notwendig, um einen angemessenen Betrag durchzusetzen, wie der Fall zeigt.

⚠️ ACHTUNG: Die Beweislast für die Verletzung und deren Ursache durch den Unfall liegt bei Ihnen als Geschädigtem. Eine lückenlose ärztliche Dokumentation ist daher unerlässlich.


Tipp 4: Realistische Schmerzensgeldhöhe einschätzen
Die Höhe des Schmerzensgeldes hängt von der Schwere und Dauer der Verletzungen sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen im Alltag ab. Gerichte orientieren sich oft an Vergleichsurteilen. Eine zu hoch angesetzte Forderung kann dazu führen, dass Sie bei teilweisem Erfolg im Prozess einen Teil der Gerichtskosten tragen müssen (wie im Beispielfall, wo nur 500 € statt der geforderten 1.000 € zugesprochen wurden).


Tipp 5: Zinsen ab Zahlungsverzug geltend machen
Sobald die gegnerische Versicherung die Zahlung des Schmerzensgeldes endgültig ablehnt oder eine gesetzte Zahlungsfrist verstreichen lässt, befindet sie sich in Verzug. Ab diesem Zeitpunkt können Sie auf das (später zugesprochene) Schmerzensgeld zusätzlich Zinsen verlangen. Notieren Sie sich das Datum der endgültigen Ablehnung.


Weitere Fallstricke oder Besonderheiten?
Ein häufiger Streitpunkt ist die Kausalität – also der Nachweis, dass die Verletzung tatsächlich durch den Unfall verursacht wurde. Gerade bei geringen Aufprallgeschwindigkeiten („Harmlosigkeitsgrenze“) bestreiten Versicherungen oft den Zusammenhang. Auch die Dauer der Arbeitsunfähigkeit und der Behandlungen spielt eine wesentliche Rolle für die Bemessung des Schmerzensgeldes. Das Risiko, bei einer Klage nur teilweise zu gewinnen und entsprechend Kosten tragen zu müssen, sollte ebenfalls bedacht werden.

✅ Checkliste: Schmerzensgeld nach Verkehrsunfall

  • Unfallhergang und gegnerisches Kennzeichen notiert?
  • Zeitnah ärztliche Untersuchung und Dokumentation der Verletzungen erfolgt?
  • Gegnerische Haftpflichtversicherung informiert und Schmerzensgeld (mit Frist) gefordert?
  • Alle Nachweise gesammelt (Arztberichte, Atteste über Arbeitsunfähigkeit, Behandlungsnachweise)?
  • Bei Ablehnung oder zu niedrigem Angebot: Anwaltliche Beratung zur Einschätzung der Erfolgsaussichten und Höhe in Erwägung gezogen?

Das vorliegende Urteil


AG Recklinghausen – Az.: 16 C 21/20 – Urteil vom 25.05.2022


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