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Verkehrsunfall – Erkundigungspflicht hinsichtlich der Angemessenheit von Mietwagenkosten

LG Dresden, Az.: 3 S 272/13, Urteil vom 09.05.2014

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Dresden vom 02.05.2013, Az.: 107 C 220/13, wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 876,19 EUR nebst 5 % Zinsen über dem gültigen Basiszinssatz seit dem 29.01.2013 und weiteren vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 101,49 EUR zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits  erster und zweiter Instanz hat die Beklagte zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Wert des Berufungsverfahrens: 876,19 EUR

Gründe

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313a ZPO abgesehen.

II.

Verkehrsunfall - Erkundigungspflicht hinsichtlich der Angemessenheit von Mietwagenkosten
Symbolfoto: Von CandyBox Images /Shutterstock.com

Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, sie ist zulässig und hat in der Sache vollumfänglich Erfolg.

Der Klägerin steht aus abgetretenem Recht ein Anspruch auf Zahlung der entstandenen Mietwagenkosten gemäß §§ 7 StVG i.V.m. 115 VVG zu.

1. Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH (BGH VersR 2013/730; BGH, Urteil  vom 12. Oktober 2004 – VI ZR 151/03, BGHZ 160, 377, 383; vom 19. April 2005 – VI ZR 37/04, BGHZ 163, 19, 22 f.; vom 19. Januar 2010 – VI ZR 112/09, VersR 2010, 494 Rn. 5; vom 2. Februar 2010 – VI ZR 139/08, VersR 2010, 545 Rn. 10 und – VI ZR 7/09, VersR 2010, 683 Rn. 8; vom 9. März 2010 – VI ZR 6/09, VersR 2010, 1053 Rn. 8) kann der Geschädigte vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann. Der Geschädigte verstößt allerdings noch nicht allein deshalb gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, weil er ein Kfz zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber dem Normaltarif teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen u.Ä.) allgemein einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlich sind. Inwieweit dies der Fall ist, hat der bei der Schadensberechnung nach § 287 ZPO besonders frei gestellte Tatrichter zu schätzen, wobei unter Umständen auch ein pauschaler Zuschlag auf den „Normaltarif“ in Betracht kommt (BGH vom 19. Januar 2010 – VI ZR 112/09;  vom 2. Februar 2010 – VI ZR 7/09, ; vom 9. März 2010 – VI ZR 6/09, aaO; vom 12. April 2011 – VI ZR 300/09, VersR 2011, 769 Rn. 18; vom 18. Dezember 2012 – VI ZR 316/11).

2. Bei der Anmietung eines Ersatzwagens ist der Geschädigte nicht dazu verpflichtet, in eine umfängliche Marktanalyse einzusteigen. Es genügt, wenn er sich im Groben ins Bild setzt und kritisch hinterfragt, ob der Mietpreis als angemessen erscheint.

Im konkreten Fall bedeutet dies, dass eine umfangreiche Internetrecherche vor Anmietung des Fahrzeuges nicht gefordert werden kann, so dass es auch als ausreichend anzusehen ist, wenn beispielsweise die jeweils aktuelle Schwacke-Liste, die nach der Rechtsprechung des BGH ein geeignetes Mittel zur Schätzung der Mietwagenkosten darstellt,  zur Hand genommen wird und man sich über die gängigen Mietwagenpreise über diesen Weg informiert. Denn wenn die Schwacke-Liste als taugliches Schätzungsmittel für die Gerichte angesehen wird, dann muss dies auch ein taugliches Preisermittlungsinstrument für den Geschädigten bei Anmietung eines Ersatzwagens sein. Hätte vorliegend der Zedent  dies getan, so wäre ihm aufgefallen, dass die dann später in Rechnung gestellten Mietwagenkosten in einem noch tolerablen Maße über dem Mittelwert der jeweils gültigen Schwacke-Liste gestanden hätten.

Das OLG Dresden vertritt hierzu in mittlerweile gefestigter Rechtsprechung die Auffassung, dass dem Geschädigten erst dann ein beachtliches Missverhältnis, das dann Anlass für weitere Recherchen gibt, aufdrängen muss, wenn der maßgebliche Tarif der Schwacke-Liste um mindestens 50 % überschritten worden ist (OLG Dresden, Urteil vom 31.7.2013 -7 U 1952/12; Urteil vom 18.12.2013 -7 U 606/13; Urteil vom 26.3.2014 -7 U 110/13 -Stichwort Autoholding).

3. Weiterhin steht der Klägerin aus abgetretenem Recht ein Anspruch auf Nebenleistungen zu. Hierbei handelt es sich um Kosten der Haftungsreduzierung, Zustell- und Abholkosten und die Nutzung von Winterreifen.

Zusatzentgelt für Winterreifen ist erstattungsfähig. Das Gericht schließt sich insoweit  dem überwiegenden Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung an (BGH VersR 2013/730; OLG Köln, Urteile vom 22. März 2011 – 3 U 47/10, juris Rn. 18; vom 30. August 2011 – 3 U 183/10, juris Rn. 14; OLG Karlsruhe, VersR 2012, 875, 878; OLG Celle, NJW-RR 2012, 802, 807; OLG Dresden, Urteile vom 4. Mai 2012 – 1 U 1797/11, juris Rn. 17 ff.; vom 18. Juli 2012 – 7 U 269/12, MRW 2012, 51 = juris Rn. 20 ff; OLG Dresden Urteil vom 26.3.2014 -7 U 110/13 -Stichwort Autoholding). Der BGH (VersR 2013/730) hat hierzu ausgeführt,  dass der Autovermieter zwar die Überlassung eines verkehrstauglichen, mithin gegebenenfalls gemäß § 2 Abs. 3a StVO mit Winterreifen ausgerüsteten Fahrzeugs schulde, dies aber nicht bedeute, dass er für eine solche Ausstattung nicht auch eine besondere Vergütung verlangen könne. Nach der Schwacke-Liste sind Winterreifen als typischerweise gesondert zu vergütende Zusatzausstattung ausgewiesen, was auf eine Zusatzberechnung hindeutet.

4. Unter Zugrundelegung der Schwacke-Liste ergibt sich daher folgender Anspruch:

Der Unfall ereignete sich im Jahr 2011. Damit ist der Schwacke-Automietpreisspiegel für das Jahr 2012 auszugehen. Das Unfallfahrzeug des Zedenten ist in die Mietwagengruppe 7 einzuordnen. Tatsächlich wurde für die Reparaturzeit vom 24.10.2011 bis 02.11.2011 ein gruppentieferes Ersatzfahrzeug angemietet.

Für den Anmietort des Zedenten PLZ-Gebiet 012 ergeben sich aus der Schwacke-Liste für die Anmietzeit folgende Beträge:

1 x Wochenpauschale Grundmietpreis á 788,50 EUR =  brutto 788,50 EUR

1 x 3-Tagespauschale Grundmietpreis á 423,00 EUR = brutto 423,00 EUR

10 Tage zusätzliche Haftungsbefreiung mit reduziertem Selbstbehalt auf 0,00 EUR á 23,65 = brutto 236,50 EUR

10 x Winterpauschale á 10,00 EUR = brutto 100,00 EUR

Zustell- und Abholkosten á 23,00 EUR 46,00 EUR

Hieraus ergibt sich ein Gesamtbetrag nach der   Schwacke-Liste in Höhe von  1.594,00 EUR.

Die dem Zedenten erteilte Rechnung vom 04.11.2011 weist hinsichtlich der Mietkosten, der Haftungsbefreiung, der Winterpauschale sowie der Zustell- und Abholkosten einen Gesamtbruttobetrag in Höhe von 1.789,17 EUR aus. Es liegt eine Abweichung von lediglich ca. 11 % vor, die nach der Rechtsprechung des OLG Dresden in keinem auffälligen Missverhältnis zu den sich aus der Schwacke-Liste ergebenden Beträgen liegt  und damit ersatzfähig ist.

5. Die Entscheidung hinsichtlich der Zinsen und der vorgerichtlichen Mahnkosten ergibt sich aus den Verzugsvorschriften.

An außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten steht der Klägerin ein Betrag in Höhe von 101,40 EUR zu.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO.

Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

 

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