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Wildschadensrecht – Wirksames Vorverfahren bei der Wildschadensanmeldung

AG Prüm –  Az.: 6 C 10/14 – Urteil vom 15.10.2014

1. Der Bescheid der Streitverkündungsempfängerin vom 13.12.2013, Az.: 2/171-33/09-mü, wird aufgehoben; insoweit wird kein Wildschadensersatz geschuldet.

2. Die Kosten des Rechtsstreites werden der Beklagten und der Streitverkündungsempfängerin auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte und die Streitverkündungsempfängerin dürfen die gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Beiden Parteien wird nachgelassen, Sicherheit auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Bank, öffentlich-rechtlichen Sparkasse oder Genossenschaftskasse zu erbringen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Wildschadensersatz.

Die Kläger haben einen Jagdbezirk gepachtet, in welchem die Beklagte Landwirtschaft betreibt. Die Streitverkündungsempfängerin erließ am 13.12.2013 unter dem Aktenzeichen 2/171-33/09-mü einen Vorbescheid, demzufolge die Kläger für der Beklagten in einer Maiskultur entstandenen Wildschaden in Höhe von 1.038,06 € ersatzpflichtig sind.

Die Kläger behaupten, Anfang August 2013 sei die von der Beklagten bewirtschaftete Parzelle erheblich geschädigt gewesen.

Die Kläger meinen, keinen Wildschadensersatz zu schulden, weil die Beklage einen etwaigen Schaden nicht ordnungsgemäß, insbesondere nicht fristgerecht, angemeldet habe. Zudem habe das behördliche Vorverfahren rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht genügt.

Gegen den ihnen am 20.12.2013 zugestellten Vorbescheid haben die Kläger am 09.01.2014 Klage erhoben und beantragen sinngemäß,

unter Aufhebung des Bescheides der Streitverkündungsempfängerin vom 13.12.2013, Az.: 2/171-33/09-mü, auszusprechen, daß insofern Wildschadensersatz nicht geschuldet ist.

Die Beklagte und die Streitverkündungsempfängerin, die dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten ist, beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, Mitte August 2013 habe nur ein geringer Schaden durch Rotwild vorgelegen, nämlich 700-800 von 40.000 qm. Deswegen seien die Kläger um Maßnahmen zur Verhütung weiterer Schäden gebeten worden. Am 07.09.2013 sei dann angesichts des inzwischen auf mehrere tausend Quadratmeter vergrößerten Schadens eine ordnungsgemäße Anmeldung erfolgt. Die Kläger seien über den Abschätztermin informiert worden. Bei diesem habe der Sachverständige den Wildschaden zutreffend auf 1.038,06 € geschätzt.

Die Streitverkündungsempfängerin behauptet, der Wildschaden sei ordnungsgemäß am 07.09.2013 erfolgt, nachdem die Beklagte am 05.09.2013 Kenntnis von dem Schaden erlangt habe. Telephonisch sei die Beklagte darauf hingewiesen worden, daß eine Meldung an die Kläger zu erfolgen habe. Termine zur Vorbesichtigung und zur Schadensschätzung seien fernmündlich koordiniert und hierbei dem Jagdhüter der Kläger mitgeteilt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien, die zur Akte gereichten Unterlagen und auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere haben die Kläger die Klagefrist von einem Monat gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 Landesjagdgesetz Rheinland-Pfalz gewahrt. Denn nachdem den Klägern am 20.12.2013 der Vorbescheid der Streitverkündungsempfängerin vom 13.12.2013 zugestellt worden war, haben sie ihre hiergegen gerichtete Klage am 09.01.2014 bei Gericht eingereicht. Im Übrigen bestehen an der Zulässigkeit der Klage keine Zweifel.

 

B.

Die Klage ist auch begründet. Obwohl die Streitverkündungsempfängerin im Vorbescheid vom 13.12.2013, Aktenzeichen 2/171-33/09-mü, festgestellt hat, daß die Kläger für einen der Beklagten entstandenen Wildschaden in Höhe von 1.038,06 € ersatzpflichtig sind, steht der Beklagten dieser Wildschadensersatzanspruch nach § 29 Bundesjagdgesetz nicht zu.

Es fehlt schon an einer ordnungsgemäßen Wildschadensmeldung.

Zwar stellt das Gesetz keine besonderen Anforderungen an Form und Inhalt von Wildschadensanmeldungen auf. Diese ergeben sich aber aus der Natur der Sache: Grundsätzlich ist der Landwirt in vollem Umfang darlegungs- und beweispflichtig für den ihm entstandenen Wildschaden. Die Wildschadensanmeldung soll der zuständigen Behörde vermitteln, welche Schäden an welchem Ort der Landwirt wann festgestellt haben will. Infolge einer solchen hinreichend konkreten Anmeldung muß die Behörde als Herrin des Vorverfahrens in der Lage sein, einen Sachverständigen zu beauftragen, diese Schäden hinsichtlich Art, Ausmaß und Entstehungszeit zu begutachten und einen durch Wild entstandenen wirtschaftlichen Verlust abzuschätzen. Damit weder die Verwaltungsbehörde noch der von ihr beauftragte Sachverständige eine unzulässige Ausforschung betreiben, müssen die Angaben in der Schadensmeldung so genau sein, daß eine Abgrenzung zu älteren Schäden, seien sie gemeldet oder nicht, und insbesondere zu jüngeren noch nicht gemeldeten Schäden möglich ist. Ein Grund hierfür liegt auch darin, daß die nach § 322 Abs. 1 ZPO eintretende Rechtskrafterstreckung infolge einer möglichen gerichtlichen Überprüfung ohne hinreichend genaue Angaben des Landwirts nicht feststellbar wäre.

Andererseits dürfen die Anforderungen an den Wildschaden meldenden Landwirt nicht überspannt werden. Es genügt grundsätzlich, wenn er die geschädigte Grundstücksparzelle angibt – bei größeren Grundflächen mit näherer geographischer Eingrenzung -, die dort vorhandene Kultur, den geschätzten Zeitraum der Entstehung der Schäden, den Zeitpunkt ihrer Feststellung, die konkrete Art der Schäden (also beispielsweise Wühlschäden, Verbiß) und ihr ungefähres Flächenausmaß.

Die Schadensmeldungen der Beklagten genügen den dargestellten Anforderungen nicht.

So befindet sich in der Schadensanmeldung vom 07.09.2013, die sich allerdings nur als Kopie in der Verwaltungsakte findet, eine 3,97 ha große Fläche, ohne daß auch nur ansatzweise erkennbar ist, wo sich auf dieser riesigen Fläche die aufgeführten „etwa 3000 m2 Totalschaden“ befinden sollen.

Zur Art der Wildschäden gab die Beklagte lediglich „Wildschaden“ an, so daß die Behörde nicht erfuhr, mit welcher Schadensart sie sich befassen sollte.

Es fehlt jede Angabe zu einem geschätzten Zeitraum, wann der Wildschaden entstanden sein könnte. Hierzu bestand besonderer Anlaß, da die Beklagte selbst einräumt, schon Mitte August 2013 sei die Fläche auf geschätzten 700-800 qm durch Wild geschädigt worden. Die Beklagte verschwieg der Verwaltungsbehörde in ihrer Schadensanmeldung daher diesen Altschaden, seinen Ort und jeglichen Hinweis, wie dieser Altschaden von der Fläche, deren Schädigung die Beklagte am 05.09.2013 festgestellt haben will, zu unterscheiden sein soll.

Daß es sich bei 700-800 qm um eine verhältnismäßig geringe Fläche handeln mag, wäre zum einen belanglos. Denn eine ordnungsgemäße Schadensanmeldung muß wahrheitsgemäß und insbesondere vollständig erfolgen. Zudem stellen 700-800 qm schon rund ein Viertel der von der Beklagten gemeldeten Schadensfläche von etwa 3.000 qm und damit keine verhältnismäßig geringe Fläche mehr dar.

Zudem genügt das seitens der Streitverkündungsempfängerin durchgeführte Vorverfahren nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen, so daß der angefochtene Vorbescheid keinen Bestand haben kann. Das dem Zivilprozeß vorgeschaltete Wildschadensverfahren bei der Verwaltungsbehörde dient dazu, Art und Ausmaß der vor Ort vorhandenen Schäden zeitnah festzustellen und den dem Landwirt entstandenen Schaden abzuschätzen. Damit stellt es ein Verfahren der Beweiserhebung dar, das zu im nachgeschalteten Zivilprozeß verwertbaren Beweisergebnissen führen soll. Es versteht sich von selbst, daß das behördliche Vorverfahren damit rechtsstaatlichen Standards entsprechen muß, wozu insbesondere der Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör zählt.

Ausweislich der Wildschadensakte folgte auf die Schadensmeldung der Beklagten hin der Abschätztermin, an welchem außer dem Sachverständigen die Gesellschafter der Beklagten teilnahmen. In der Akte findet sich kein Hinweis, daß den Klägern dieser Termin bekanntgegeben worden wäre. Die Streitverkündungsempfängerin hat auch ausdrücklich eingeräumt, daß sich in ihrer Verwaltungsakte kein Vermerk befindet, der ihren Verfahrensgang hinsichtlich Ladungen oder Benachrichtigungen dokumentiert.

Auf die Behauptungen der Streitverkündungsempfängerin, telephonisch sei die Beklagte darauf hingewiesen worden, daß eine Meldung an die Kläger zu erfolgen habe, und außerdem seien Termine zur Vorbesichtigung und zur Schadensschätzung fernmündlich koordiniert und hierbei dem Jagdhüter der Kläger mitgeteilt worden, kam es nicht an. Denn nicht der geschädigte Landwirt, sondern die Streitverkündungsempfängerin als verfahrensführende Behörde mußte die Kläger von der Wildschadensmeldung in Kenntnis setzen. Es ist nichts dazu vorgetragen und nichts dafür ersichtlich, daß der Jagdhüter die Kläger rechtlich vertreten darf.

In einem rechtsstaatlichen Verfahren muß die Person, deren Rechte durch das Verfahren betroffen sein können, wenigstens die Gelegenheit erhalten, an Terminen zur Beweisaufnahme teilzunehmen. Damit muß sie wenigstens über einen anberaumten Termin zur Beweisaufnahme informiert, wenn nicht sogar hierzu geladen werden. In Wildschadenssachen bestimmt § 61 Abs. 1 Satz 3 der rheinland-pfälzischen Landesverordnung zur Durchführung des Landesjagdgesetzes (LJGDVO), daß die Verwaltungsbehörde zu laden hat.

Die Beklagte hat ihre pauschale und unsubstantiierte Behauptung, die Kläger seien über den Abschätztermin informiert worden, weder durch Mitteilung konkreter Umstände einer solchen Benachrichtigung untermauert noch in zulässiger Weise unter Beweis gestellt. Der seitens der Beklagten benannte Zeuge M., Bediensteter der Verbandsgemeindeverwaltung, war nicht zu vernehmen. Denn seine Vernehmung hätte zu einem im Zivilprozeß unzulässigen Ausforschungsbeweis geführt. Insoweit hätten nämlich – möglicherweise – erst die Bekundungen des Zeugen den auf Seiten der Beklagten fehlenden konkreten Tatsachenvortrag ergeben. Eine Beweiserhebung im Zivilprozeß findet immer erst statt, wenn die beweisbelastete Partei hinreichend konkreten Tatsachenvortrag unterbreitet hat, über dessen Richtigkeit das angebotene Beweismittel Beweis erbringen soll.

Es findet sich in der behördlichen Akte auch kein Hinweis, daß den Klägern nachträglich Gelegenheit gegeben worden wäre, zu den Feststellungen des Schadensschätzers Stellung zu nehmen, bevor der angefochtene Vorbescheid erlassen ward. Dies versäumt zu haben, ist um so unverständlicher, als die Gewährung rechtlichen Gehörs vor Erlaß einer behördlichen Entscheidung auch zu den fundamentalen und unabdingbaren Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens gehört. Dies wissen auch die Mitarbeiter der Streitverkündungsempfängerin.

Schließlich ist das seitens der Verwaltungsbehörde durchgeführte Verfahren nicht nachvollziehbar. Weder der Wildschadensakte noch dem Vortrag der Beklagten ist zu entnehmen, wie das dem Zivilprozeß vorgeschaltete Verfahren ablief.

Nach ständiger obergerichtlicher Rechtssprechung gehen Fehler des behördlichen Vorverfahrens grundsätzlich zu Lasten des Landwirts, der seinen ihm möglicherweise entstandenen Wildschaden nach längerem Zeitablauf nicht mehr beweisen kann.

C.

Die Kosten des Rechtsstreites fallen nach §§ 91, 100, 101 Abs. 2 ZPO der Beklagten und der ihr im Prozeß beigetretenen Streitverkündungsempfängerin zur Last, da sie den Prozeß verloren haben.

Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, §711 Satz 1, 2 ZPO.

Streitwert: 1.038,06 €.

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