AG Schwedt, Az.: 3 C 1/14, Urteil vom 16.09.2014
1. Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn die Beklagten nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leisten.
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten um Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom … auf der Bundesstraße 2 zwischen Schwedt und Vierraden.
Der Kläger war am Unfalltag Eigentümer und Halter des Pkw … mit dem amtlichen Kennzeichen … und der Fahrgestellnummer … .
Der Beklagte zu 1. war am Unfalltag Fahrer des Ackerschleppers Typ John Deere mit dem amtlichen Kennzeichen …, dessen Halter die Beklagte zu 2. ist und der bei der Beklagten zu 3. haftpflichtversichert ist.
Am 21.09.2010 befuhr der Kläger gegen 19.30 Uhr die Bundesstraße 2 aus Richtung Schwedt kommend in Richtung Gatow/Vierraden. Es war dunkel, die Fahrbahn war trocken. Der Kläger fuhr mit abgeblendeten Scheinwerfern. Er fuhr mit einer Geschwindigkeit von mindestens 169 km/h und damit mindestens 69 km/h schneller als die dort zulässigen 100 km/h. Als er sich den Gärten im Bereich des Fuchsweges näherte, nahm er plötzlich vor sich quer in seiner Fahrspur ein großes dunkles Objekt wahr. Er leitete sofort eine Gefahrenbremsung ein, konnte jedoch den Zusammenstoß nicht mehr verhindern. Als der Kläger sein Fahrzeug verlassen hatte, stellte er fest, dass es sich bei dem Objekt um den Anhänger eines Traktors handelte, der hoch aufgetürmt mit Tabak beladen war und sich unbeleuchtet mittig in seiner Fahrspur befand. Der Beklagte zu 1. als Fahrer des davor befindlichen Traktors der Beklagten zu 2. hatte versucht, aus einem Feldweg an der gegenüberliegenden Fahrbahn nach links in die vorfahrtberechtigte Fahrspur des Klägers abzubiegen.
Die Beklagten anerkannten mit Schreiben vom 10.02.2011 eine Mithaftung des Beklagten zu 1. von 33 %.
Der Kläger beziffert den Gesamtschaden, der sich aus materiellen und immateriellen Schadenspositionen zusammensetzt, auf 14.016,19 € und führt hierzu im Einzelnen genauer aus. Er macht geltend, dass ihm unter Anrechnung eines Mitverschuldens von 1/3 der Betrag von 9.344,12 € zur Zahlung zustehe.
Insgesamt zahlte die Beklagte zu 3. mit dem letzten Regulierungsschreiben vom 19.10.2011 in dieser Sache an den Kläger 5.173,64 €.
Den Differenzbetrag von 4.170,49 € zu dem klägerseitig geltend gemachten Schadensbetrag macht der Kläger mit der Klage geltend.
Hierneben macht der Kläger einen Freistellungsanspruch bezüglich entstandener vorgerichtlicher Rechtsanwalts-Gebühren geltend, den er aus einer 1,8 Geschäftsgebühr betreffend einen Gegenstandswert von 9.344,12 € nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer (1.064,81 €) errechnet und von dem er den Differenzbetrag zu beklagtenseits gezahlten 546,69 € zur Zahlung verlangt.
Der Kläger meint, der Beklagte zu 1. habe den Verkehrsunfall schuldhaft verursacht, indem er unter Missachtung der Regelung in § 8 Abs. 1 Nr. 2 StVO mit seinem langsamen Gespann von einem Feldweg aus in den Fließverkehr einer Bundesstraße eingebogen sei. Daraus folge, dass der Beklagte zu 1. grundsätzlich die volle Haftung zu tragen habe. Da der Kläger aber mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei, treffe ihn hier ein Mitverschulden an der Unfallverursachung. Die Beklagten müssten dem Kläger daher jedenfalls zu 2/3 für die ihm infolge des Unfalls entstandenen Schäden haften.
Der Kläger hat zunächst beantragt, die Beklagten zu 1., zu 2. und zu 3.
1. zu verurteilen, als Gesamtschuldner 4.170,48 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.10.2011 an den Kläger zu zahlen und
2. zu verurteilen, als Gesamtschuldner den Kläger von einer Forderung seines Prozessbevollmächtigten über 518,12 € freizustellen.
Mit Schriftsatz vom 10.03.2014 hat der Kläger die Klage bezüglich des Beklagten zu 1. zurückgenommen und beantragt nunmehr noch, die Beklagten zu 2. und zu 3. zu verurteilen,
1. als Gesamtschuldner 4.170,48 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.10.2011 an den Kläger zu zahlen,
2. als Gesamtschuldner den Kläger von einer Forderung seines Prozessbevollmächtigten über 518,12 € freizustellen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Sie behaupten, dass die Geschwindigkeit des klägerischen Fahrzeuges sogar mindestens 187 km/h betragen habe.
Sie sind der Ansicht, das Eigenverschulden des Klägers stelle sich als derart gravierend dar, dass ein etwaiger Vorfahrtsverstoß des Beklagten zu 1. als nahezu unvermeidbar zu werten sei und eine Mithaftung von 20, höchstens aber 33 % zu rechtfertigen vermöge.
Bezüglich einzelner klägerisch erhabener Schadenspositionen bestreiten die Beklagten zudem deren Höhe und erachten auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren, die eine 1,8-Gebühr zugrundelegen, für überhöht.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage hat – soweit sie nicht zurückgenommen worden ist – keinen Erfolg.
Sie ist zwar zulässig, nicht aber begründet.
Der zugunsten des Klägers durch das Verkehrsunfallereignis entstandene Schadensersatzanspruch gemäß der §§ 7, 17 StVG, 823 BGB, 115 VVG, 421 BGB sowie der sich aus den §§ 280 Abs. 2, 286 BGB ergebende Anspruch auf Ersatz/Freistellung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren sind durch Erfüllung gemäß § 362 BGB erloschen, indem beklagtenseits der Betrag von 5.173,64 € als Schadensregulierung und von 546,69 € für vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren gezahlt wurde.
Dahinstehen kann insoweit, ob der Gesamtschaden tatsächlich – wie klägerseits behauptet – 14.016,19 € beträgt oder wie – beklagtenseits vorgetragen – geringer ist.
Denn selbst bei Zugrundelegung des klägerseits angesetzten Gesamtschadens hätten die Beklagten ihre Schuld bereits erfüllt: Der Kläger hat gegen die Beklagten nämlich lediglich einen Anspruch auf Ersatz, der ihm durch den Verkehrsunfall entstandenen Schäden in Höhe von 1/3: Der Unfall war für keine der Parteien unabwendbar im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG. Für den Kläger war eine Unabwendbarkeit bereits deshalb nicht gegeben, weil er unstreitig die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um mindestens 69 % überschritten hat. Ihm ist daher ein Verstoß gegen § 3 StVO anzulasten. Demnach steht fest, dass sich der Kläger durch das erhebliche Überschreiten der höchst zulässigen Geschwindigkeit mindestens grob fahrlässig außerstande gesetzt hat, den Unfall durch sachgerechtes Abbremsen zu vermeiden. Damit hat sich eine der Gefahren schädigend ausgewirkt, um derentwillen die Fahrgeschwindigkeit begrenzt wurde, so dass der haftungsbegründende Ursachenzusammenhang nicht zweifelhaft ist.
Der Unfall war jedoch auch für den Beklagten zu 1. nicht unabwendbar in Sinne des § 7 Abs. 2 StVG, da er einer Vorfahrtsverletzung beim Ausfahren aus einem Feldweg nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 StVO begangen hat. Nach der vorgenannten Norm hat derjenige, der wie der Beklagte zu 1. von einem Feldweg einfährt, dem fließenden Verkehr den Vorrang zu gewähren. Kommt es daher im Zusammenhang mit einem Ausfahren aus einem Feldweg zu einem Unfall spricht der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des Ausfahrenden. Dieses Vorfahrtsrecht des Klägers bestand auch unabhängig von der Tatsache, dass er die Geschwindigkeit überschritten hat.
War dem gemäß der Unfall für keine der Parteien unabwendbar, so bemisst sich die Haftungsquote gemäß § 17 StVG nach dem jeweiligen Verursachungsbeitrag der Parteien am Zustandekommen der Kollision. Wie bereits ausgeführt wird ein Vorfahrtsverstoß des Beklagten zu 1. bereits aufgrund des Beweises des ersten Anscheins der Verkehrssituation vermutet. Der Beklagte zu 1. war bei der Ausfahrt aus dem Feldweg zu besonderer Sorgfalt verpflichtet, die er offensichtlich verletzt hat.
Allerdings folgt aus dieser Risikozuweisung nicht, dass der fließende Verkehr stets von jeder Verantwortung für einen Unfall frei wäre. Vielmehr darf auch der ausfahrende Fahrer auf die Einhaltung wesentlicher Verkehrsregeln durch andere Verkehrsteilnehmer vertrauen. Soweit hierbei die Beachtung der Geschwindigkeitsbeschränkung nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 StVO in Rede steht, ist zu berücksichtigen, dass allgemein eine mäßige Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit durch den fließenden Verkehr in Rechnung gestellt werden muss. Im vorliegenden Fall war die Geschwindigkeitsüberschreitung des Klägers selbst bei der unstreitig mindestens gefahrenen Geschwindigkeit von 169 km/h jedoch derart hoch und damit groß verkehrswidrig, dass das Gericht unter Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge eine Haftungsquote von 2/3 zulasten des Klägers für angemessen erachtet.
Selbst unter Zugrundelegung des klägerseits behaupteten Gesamtschadens von 14.016,19 € hat dem Kläger mithin einen Betrag von nur 4.672,06 € zugestanden, den die Beklagten mit Zahlung von 5.173,64 € um 501,58 € überbezahlt haben.
Die klägerseits geltend gemachte Freistellung für außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren ist indes selbst bei Ansatz einer 1,8-Geschäftsgebühr bei einem Gegenstandswert von 4.672,06 € gemäß 2300 VVG (541,80 €) zuzüglich Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VVRVG (20,00 €) zuzüglich Umsatzsteuer gemäß 7008 VVRVG (106,74 €) (= 686,54 €) unter Berücksichtigung der beklagtenseitigen Zahlung von 546,69 € ebenfalls im Wege der Erfüllung erloschen, da der noch offene Differenzbetrag von 121,85 € durch die oben aufgeführte Überbezahlung aufgezehrt ist.
Mangels Bestehens einer Hauptforderung hat der Kläger auch keinen Zinsanspruch.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 269 Abs. 3 S. 2, 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwert: 4.170,48€