LG Saarbrücken, Az.: 13 S 166/14, Urteil vom 09.01.2015
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Merzig vom 15. Juli 2014 – 26 C 473/13 (08) – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert, und die Beklagte wird unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 1.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.000,00 € seit dem 13. Juni 2013 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 3. Mai 2013 in … ereignete. Die Einstandspflicht der Beklagten für den Unfall dem Grunde nach ist unstreitig.
Ein von der Klägerin eingeholtes Schadensgutachten ermittelte voraussichtliche Reparaturkosten von (brutto) 17.186,21 €, einen Wiederbeschaffungswert von 14.550,00 € und eine Wertminderung von 1.000,00 €. Die Klägerin ließ ihr Fahrzeug in einer Fachwerkstatt sach- und fachgerecht reparieren. Dafür wurden ihr Reparaturkosten von 18.502,80 € in Rechnung gestellt.
Erstinstanzlich hat die Klägerin behauptet, sie nutze das Fahrzeug weiterhin.
Mit der Klage hat sie eine Wertminderung von 1.000,00 € nebst vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten und Zinsen geltend gemacht.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie meinen, die Wertminderung sei nicht erstattungsfähig, da ein Totalschadensfall vorliege.
Das Erstgericht, auf dessen Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Anspruch auf Ersatz einer Wertminderung bestehe im Sonderfall eines wirtschaftlichen Totalschadens nicht.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klagebegehren im Umfang der Hauptforderung zzgl. Zinsen weiter.
Die Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und begründet. Die Beklagte, deren Haftung nach § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz iVm. § 115 Versicherungsvertragsgesetz dem Grunde nach unstreitig ist, hat der Klägerin auch die Wertminderung zu ersetzen.
1. Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Erstgericht davon ausgegangen, dass der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag beanspruchen kann. Für die Berechnung von Kraftfahrzeugschäden stehen dem Geschädigten im Allgemeinen zwei Wege der Naturalrestitution zur Verfügung stehen: Die Reparatur des Unfallfahrzeugs oder die Anschaffung eines (gleichwertigen) Ersatzfahrzeugs (vgl. BGH, Urteil vom 2. März 2010 – VI ZR 144/09, VersR 2010, 785 ff.; BGHZ 181, 242 ff.; 168, 43 ff.; 162, 161, 165; 154, 395, 397 f.). Verursacht allerdings bei mehreren zum Schadensausgleich führenden Möglichkeiten eine den geringeren Aufwand, ist der Geschädigte grundsätzlich auf diese beschränkt (vgl. BGH, Urteil vom 22. September 2009 – VI ZR 312/08 – VersR 2009, 1554, 1555; BGHZ 169, 263 ff.; 168, 43-48; 154, 395 ff.). Übersteigen die voraussichtlichen Reparaturkosten einschließlich des merkantilen Minderwerts den Wiederbeschaffungswert zwar, halten sie sich aber innerhalb der sog. 130 %-Grenze, so ist das Kraftfahrzeug nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung dann als reparaturwürdig anzusehen, wenn das Fahrzeug fachgerecht und in einem Umfang repariert wird, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat und das Fahrzeug nach dem Unfall in der Regel sechs Monate weiter genutzt wird (vgl. BGHZ 154, 395; BGH, Urteil vom 13. November 2007 – VI ZR 89/07, zfs 2008, 143; Urteil vom 27. November 2007 – VI ZR 56/07, VersR 2008, 134 f.). Diese Grundsätze werden von der Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen.
2. Im Rahmen der danach gebotenen Vergleichsberechnung ist dem Wiederbeschaffungswert die Summe aus Instandsetzungskosten und Minderwert gegenüberzustellen (vgl. BGHZ 115, 364; BGH, Urteil vom 17. März 1992 – VI ZR 226/91, VersR 1992, 710). Dabei ist jedenfalls dann auf die Bruttoreparaturkosten abzustellen, wenn der Geschädigte – wie hier – nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 2009 – VI ZR 100/08, NJW 2009, 1340; Urteil vom 23. November 2010 – VI ZR 35/10, VersR 2011, 282; Kammerurteil vom 19. März 2010 – 13 S 150/09). Von dieser Berechnungsweise geht auch die Beklagte aus.
3. Danach durfte die Klägerin hier auf Reparaturkostenbasis abrechnen.
a) Die voraussichtlichen Reparaturkosten laut Sachverständigengutachten in Höhe von brutto 17.186,21 € zzgl. 1.000,00 € Wertminderung belaufen sich auf rund 125 % des Wiederbeschaffungswertes in Höhe von (differenzbesteuert) 14.550,00 €.
b) Das klägerische Fahrzeug wurde auch – wie die Beklagte zuletzt unstreitig gestellt hat – fach- und sachgerecht repariert.
c) Da das klägerische Fahrzeug ausweislich der mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2014 vorgelegten Bescheinigung seit dem 7. Juni 2010 ununterbrochen auf die Klägerin zugelassen ist und für eine Überlassung des Fahrzeugs an Dritte keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich sind, hat die Kammer auch keinen vernünftigen Zweifel daran, dass die Klägerin das Fahrzeug nach dem Unfall sechs Monate lang weiter genutzt hat.
4. Dass der Geschädigte unter diesen Umständen neben den Reparaturkosten auch die Wertminderung ersetzt verlangen kann, ist seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15. Oktober 1991 geklärt (vgl. BGH, Urteil vom 15. Oktober 1991 – VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364 ff., juris-Rdn. 8; OLG München NJW 2010, 1462). Die gegenteilige Auffassung des Erstgerichts vermag sich auch nicht auf das Zitat bei Jaeger (zfs 2009, 602 ff.) zu stützen, das sich offenkundig nicht auf die hier in Frage stehenden Fälle der Abrechnung des Reparaturaufwandes bis 130 % bezieht).
5. Unter diesen Umständen schuldet die Beklagte Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe nach §§ 286, 288 BGB. Verzug ist hinsichtlich der Hauptforderung auf der Grundlage des klägerischen Vortrags allerdings nicht vor der Regulierungsverweigerung mit Schreiben vom 5. Juni 2013 eingetreten.
III.
Die Kostenentscheidung gründet auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708Nr. 10, 711,713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und sie keine Veranlassung gibt, eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung herbeizuführen (§ 543 Abs. 2 ZPO).