Straßenbahnbetreiber haftet für Unfall trotz Mitverschulden – OLG Saarbrücken
In einem Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken (Az.: 4 U 15/14) wurde entschieden, dass die Berufung der Beklagten gegen ein früheres Urteil abgewiesen wird, bei dem es um Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen nach einem Straßenbahnunfall ging, bei dem die Klägerin schwer verletzt wurde. Das Gericht befasste sich mit der Beweislast zur Unabwendbarkeit des Unfalls und wies darauf hin, dass trotz des erheblichen Mitverschuldens der Klägerin die Betriebsgefahr der Straßenbahn nicht vollständig hinter diesem Verschulden zurücktritt.
Übersicht
- ✔ Das Wichtigste in Kürze
- ➜ Der Fall im Detail
- Straßenbahnunfall in Saarbrücken führt zu umfassender rechtlicher Auseinandersetzung
- Gerichtliche Entscheidung beleuchtet Beweislast und Mitverschulden
- Detaillierte Betrachtung des Unfallhergangs und der rechtlichen Folgen
- Rechtliche Konsequenzen für die Beteiligten
- Abschließende Betrachtungen zum Straßenbahnunfall
- ✔ Häufige Fragen – FAQ
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- Das vorliegende Urteil
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✔ Das Wichtigste in Kürze
- Das Oberlandesgericht Saarbrücken wies die Berufung der Beklagten gegen ein früheres Urteil zurück, bei dem es um Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen nach einem Straßenbahnunfall mit schweren Verletzungen ging.
- Die Beweislast zur Unabwendbarkeit des Unfalls lag bei der Betreiberin der Straßenbahn, die nicht nachweisen konnte, dass der Unfall für den Straßenbahnführer unvermeidbar war.
- Trotz des erheblichen Mitverschuldens der Klägerin, die die Gleise ohne ausreichende Aufmerksamkeit betrat, trat die Betriebsgefahr der Straßenbahn nicht vollständig hinter diesem Verschulden zurück.
Straßenbahnverkehr – eine besondere Betriebsgefahr
Eine Straßenbahn ist ein großes und schweres Fahrzeug, das sich auf festgelegten Schienen bewegt. Zwar verfügt sie über moderne Sicherheitssysteme, dennoch birgt ihr Betrieb Gefahren für Fahrgäste und andere Verkehrsteilnehmer.
Kommt es zu einem Straßenbahnunfall, stellt sich häufig die Frage nach der Verantwortlichkeit. Insbesondere bei Personenschäden ist zu klären, ob ein Mitverschulden des Geschädigten vorliegt und wie die Betriebsgefahr der Bahn zu bewerten ist.
Das Gesetz sieht den Betreiber einer Straßenbahn in der Beweispflicht, einen Unfall unvermeidbar gewesen zu sein. Diese Pflicht berücksichtigt die erhöhte Gefährdungslage, die vom Schienenverkehr ausgeht. Eine ausgewogene Abwägung aller Umstände ist für eine gerechte Haftungsverteilung entscheidend.
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➜ Der Fall im Detail
Straßenbahnunfall in Saarbrücken führt zu umfassender rechtlicher Auseinandersetzung
Am 04. November 2009 ereignete sich in der Lebacher Straße in Saarbrücken ein tragischer Straßenbahnunfall, bei dem eine Frau schwer verletzt wurde.
Die Klägerin wollte die Straße überqueren, als sie von einem Zug der Beklagten zu 1, der von dem Beklagten zu 2 geführt wurde, erfasst wurde. Dies führte zu einem komplexen Rechtsstreit, der die Frage der Beweislast zur Unabwendbarkeit des Unfalls in den Mittelpunkt rückte. Die Klägerin forderte Schadensersatz und Schmerzensgeld für die erlittenen Verletzungen und deren langfristige Folgen, welche eine erhebliche Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität zur Folge hatten.
Gerichtliche Entscheidung beleuchtet Beweislast und Mitverschulden
Das Oberlandesgericht Saarbrücken bestätigte in seinem Urteil vom 16. April 2015 (Az.: 4 U 15/14) die Entscheidung des Landgerichts Saarbrücken, die Berufung der Beklagten zu 1 abzuweisen und die Beweislast hinsichtlich der Unabwendbarkeit des Unfalls bei der Betreiberin der Straßenbahn zu sehen. Zentral war die Feststellung, dass nicht eindeutig bewiesen werden konnte, dass der Straßenbahnführer alle erforderlichen und möglichen Maßnahmen zur Vermeidung des Unfalls ergriffen hatte. Trotz des erheblichen Mitverschuldens der Klägerin, die die Gleise betrat, ohne die herannahende Straßenbahn zu beachten, konnte die allgemeine Betriebsgefahr der Straßenbahn nicht vollständig hinter diesem Verschulden zurückgestellt werden.
Detaillierte Betrachtung des Unfallhergangs und der rechtlichen Folgen
Die gerichtlichen Ausführungen geben Einblick in den komplexen Sachverhalt des Unfalls und dessen Aufarbeitung. Sie zeigen auf, wie die Klägerin infolge des Unfalls massive gesundheitliche Schäden erlitt, die eine umfassende medizinische Behandlung und Rehabilitation nach sich zogen. Die Bewertung des Mitverschuldens der Klägerin, die Annahme der Betriebsgefahr der Straßenbahn und die Beweislastverteilung waren entscheidende Aspekte, die das Gericht in seiner Urteilsfindung berücksichtigte.
Rechtliche Konsequenzen für die Beteiligten
Das Urteil hatte weitreichende finanzielle und rechtliche Konsequenzen für die beteiligten Parteien. Die Beklagte zu 1 wurde verpflichtet, der Klägerin Schadensersatz und ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, wobei das Gericht ein Mitverschulden der Klägerin von 70% berücksichtigte. Die Entscheidung verdeutlicht die Bedeutung der sorgfältigen Abwägung aller Umstände des Einzelfalls sowie die Relevanz der Beweislastverteilung in zivilrechtlichen Streitigkeiten.
Abschließende Betrachtungen zum Straßenbahnunfall
Die gerichtliche Aufarbeitung des Straßenbahnunfalls in Saarbrücken wirft ein Schlaglicht auf die komplexen rechtlichen Fragestellungen, die sich aus solchen tragischen Ereignissen ergeben können. Sie unterstreicht die Notwendigkeit einer umsichtigen Bewertung aller Faktoren, die zu einem Unfall geführt haben, und betont die zentrale Rolle der Beweisführung und -last in der juristischen Auseinandersetzung.
✔ Häufige Fragen – FAQ
Wie wird die Betriebsgefahr bei Straßenbahnen bewertet?
Die Betriebsgefahr bei Straßenbahnen wird als eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung betrachtet. Das bedeutet, dass der Halter einer Straßenbahn für Schäden haftet, die durch den Betrieb der Straßenbahn entstehen, unabhängig davon, ob ein Verschulden vorliegt oder nicht. Diese Regelung spiegelt die Anerkennung wider, dass Straßenbahnen aufgrund ihrer Größe, ihres Gewichts und der Tatsache, dass sie auf festgelegten Schienenwegen fahren, eine inhärente Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer und Fußgänger darstellen können. Die Betriebsgefahr berücksichtigt die potenzielle Gefährdung, die von Straßenbahnen ausgeht, und stellt sicher, dass Opfer von Unfällen, die durch den Betrieb von Straßenbahnen verursacht wurden, einen Anspruch auf Schadensersatz haben, auch wenn kein direktes Verschulden des Straßenbahnbetreibers nachgewiesen werden kann.
In der Rechtsprechung wird die Betriebsgefahr von Straßenbahnen oft im Kontext von Unfällen diskutiert, bei denen es um die Haftungsverteilung geht. Ein Beispiel hierfür ist ein Urteil des OLG Celle, das sich mit einem Straßenbahnunfall mit ungeklärtem Unfallhergang befasst. In solchen Fällen wird die Betriebsgefahr als ein wesentlicher Faktor bei der Bestimmung der Haftungsverteilung zwischen den beteiligten Parteien berücksichtigt.
Zusätzlich zur Betriebsgefahr können auch andere Faktoren, wie z.B. das Verhalten der Verkehrsteilnehmer, bei der Bewertung von Unfällen mit Straßenbahnen eine Rolle spielen. Die Betriebsgefahr dient jedoch als Grundlage für die Haftung und unterstreicht die besondere Verantwortung, die Straßenbahnbetreiber für die Sicherheit im Straßenverkehr tragen.
Welche Schadensarten können im Rahmen eines Straßenbahnunfalls geltend gemacht werden?
Im Rahmen eines Straßenbahnunfalls können verschiedene Schadensarten geltend gemacht werden, die sowohl materielle als auch immaterielle Schäden umfassen. Zu den materiellen Schäden zählen beispielsweise Reparaturkosten für beschädigte Fahrzeuge oder andere Eigentumsgegenstände, medizinische Behandlungskosten für Verletzungen, die durch den Unfall entstanden sind, sowie möglicherweise entgangener Lohn, falls die Verletzungen eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge haben.
Immaterielle Schäden beziehen sich auf nicht-materielle Verluste und Beeinträchtigungen, die durch den Unfall verursacht wurden. Ein häufig geltend gemachter immaterieller Schaden ist das Schmerzensgeld. Dieses soll den körperlichen und seelischen Leidensdruck der betroffenen Person ausgleichen. Es ist wichtig zu beachten, dass der Anspruch auf Schmerzensgeld von verschiedenen Faktoren abhängt, wie der Schwere der Verletzungen und den langfristigen Auswirkungen des Unfalls.
In den meisten Fällen, wenn jemand unverschuldet in einen Unfall mit einer Straßenbahn gerät, übernimmt die Versicherung des jeweiligen Verkehrsbetriebs die Kosten für die entstandenen Schäden. Es ist jedoch zu beachten, dass die Schuldfrage eine entscheidende Rolle spielt und in manchen Fällen auch eine Haftungsteilung zwischen den Unfallbeteiligten möglich ist, insbesondere wenn die Schuldfrage nicht eindeutig geklärt werden kann.
Zusammenfassend können Betroffene eines Straßenbahnunfalls Ansprüche auf Schadensersatz für materielle Schäden sowie auf Schmerzensgeld für immaterielle Schäden geltend machen. Die genaue Höhe und Art der Ansprüche hängen von den spezifischen Umständen des Unfalls und den daraus resultierenden Schäden ab.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 1 Abs. 1 HaftPflG (Haftpflichtgesetz): Dieser Paragraph regelt die Grundlage für die Haftung bei Körper- und Gesundheitsschäden durch den Betrieb von Schienenbahnen. Im vorliegenden Fall ist relevant, da die Klägerin durch eine Straßenbahn verletzt wurde und die Betreiberin der Straßenbahn nach diesem Gesetz grundsätzlich haftet.
- § 13 Abs. 3 Satz 1 und 2 HaftPflG: Bestimmt die Voraussetzungen, unter denen die Haftung für Schäden, die beim Betrieb einer Schienenbahn innerhalb des Verkehrsraumes einer öffentlichen Straße entstehen, ausgeschlossen ist. Ein unabwendbares Ereignis, das weder auf einem Fehler der Fahrzeuge noch auf einem Versagen der Vorrichtungen beruht und bei dem alle gebotene Sorgfalt beachtet wurde, führt zum Haftungsausschluss. Im Kontext des Unfalls war zu prüfen, ob der Unfall für den Straßenbahnführer unabwendbar war.
- § 254 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Regelt das Mitverschulden und die entsprechende Schadensaufteilung. Wenn beide Parteien einen Teil der Schuld am Unfall tragen, wird der Schaden entsprechend ihrem jeweiligen Verschuldensanteil aufgeteilt. Im Urteil war dies zentral für die Entscheidung über die Höhe des Schadensersatzes und Schmerzensgeldes, da der Klägerin ein Mitverschulden angelastet wurde.
- § 4 HaftPflG: Ergänzt § 254 BGB im Kontext des Haftpflichtgesetzes und spezifiziert, wie das Mitverschulden des Geschädigten bei der Haftung nach dem Haftpflichtgesetz zu berücksichtigen ist. Dies war relevant für die Beurteilung des Mitverschuldens der Klägerin.
- § 17 Abs. 3 StVG (Straßenverkehrsgesetz): Während dieser Paragraph im Urteil nicht direkt zitiert wird, ist das darin verankerte Prinzip des Idealfahrers für die Bewertung der Unabwendbarkeit eines Ereignisses nach § 13 Abs. 3 HaftPflG relevant. Es wurde diskutiert, ob der Straßenbahnführer sich wie ein „Idealfahrer“ verhalten hat.
- § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO (Zivilprozessordnung): Erlaubt dem Berufungsgericht, auf die tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichts Bezug zu nehmen. Dieser Paragraph wurde im Urteil genutzt, um die Feststellungen des Landgerichts als Grundlage für die Entscheidung des Oberlandesgerichts zu übernehmen.
Diese Gesetze und Paragraphen bilden die rechtliche Grundlage für die Entscheidungsfindung im vorliegenden Straßenbahnunfall und erläutern, wie Schadensersatzansprüche bei Verkehrsunfällen mit Personenschäden bewertet und entschieden werden.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 4 U 15/14 – Urteil vom 16.04.2015
I. Die Berufung der Beklagten zu 1) gegen das am 13.12.2013 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken (1 O 353/12) wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte zu 1) trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dieses Urteil und das am 13.12.2013 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte zu 1) darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld auf Grund eines Unfallereignisses vom 04.11.2009 in der Lebacher Straße in S. in Anspruch.
Am Unfalltag wollte die Klägerin gegen 13.50 Uhr die Lebacher Straße überqueren. Während des Passierens der Straße wurde sie von einem Zug der Beklagten zu 1), der von dem Beklagten zu 2) gesteuert wurde, erfasst und schwer verletzt. Der Saarbahnzug befuhr von der Haltestelle Cottbuser Platz kommend die Lebacher Straße stadtauswärts in Richtung Haltestelle Pariser Platz.
Der Beklagte zu 2) sah die Klägerin, als diese in normalem Tempo über die Gleiskörper ging. Er verlangsamte daraufhin die Geschwindigkeit und ging in die Bremsvorbereitung. Nachdem die Klägerin keine Reaktion zeigte, betätigte er die Glocke und bremste den Zug ab. Da die Klägerin auch hierauf nicht reagierte, leitete er eine Gefahrenbremsung ein, wobei die Glocke während der Gefahrenbremsung automatisch betätigt wurde.
Durch das Unfallereignis erlitt die Klägerin ein Polytrauma mit traumatischem subduralem Hämatom rechts fronto-temporal, traumatische SAB, Kontusionen rechts temporal und parietal, eine Schädelbasisfraktur, Felsenbeinlängsfrakturen, Frakturen in der linken Kiefergelenkspfanne, Rippenserienfrakturen, eine Lungenkontusion, eine interperitoneal traumatische Blutung und arterielle Hypertonie.
Sie wurde vom 04.11. 2009 bis zum 12.11.2009 stationär behandelt, wobei eine Analgosedierung und Intubierung stattfanden. Eine Entlastungskraniektomie wurde vorgenommen.
Vom 12.11.2009 bis zum 08.12.2009 begab sich die Klägerin in eine stationäre Frührehabilitation in der Neurologischen Klinik der SHG-Klinik S. und sodann vom 08.12.2009 bis zum 16.02.2010 in eine Rehabilitationsmaßnahme in der SHG-Klinik in Q..
Während eines weiteren stationären Aufenthalts vom 03.03.2010 bis zum 10.03.2010 wurde der eigene Knochendeckel rechtsfrontotemporal reimplantiert.
Die Klägerin befindet sich wegen fortbestehender Depressionen und Angstzuständen weiterhin in ärztlicher Behandlung.
Sie leidet nach wie vor an Schwindel und Konzentrationsschwierigkeiten. Sie kann sich nicht mehr alleine im Straßenverkehr bewegen und bedarf beim Verlassen des Hauses stets einer Begleitperson.
Die Klägerin zeigt ausweislich des beim Sozialgericht für das Saarland (Az.: S8 SB 936/10) eingeholten Gutachtens auf Grund des Unfallereignisses aktuell massive Aufmerksamkeitsstörungen, visuo-konstruktive sowie sprachliche und mnestische Defizite. Wegen des weiteren Inhalts wird auf das Gutachten (Bl. 25 d. A.) Bezug genommen.
Seit dem Unfall kann die Klägerin keine Arbeiten im Haushalt mehr ausführen.
Die Klägerin hat behauptet, dass der Beklagte zu 2) den Unfall fahrlässig verursacht habe, weil er eine Gefahrenbremsung viel früher als geschehen hätte einleiten müssen, so dass der Zug rechtzeitig vor der Klägerin zum Halten gekommen wäre.
Vor dem Unfallereignis habe sie, die Klägerin, den Haushalt nahezu alleine versorgt. Die Wohnung sei 94 m2 groß, bestehend aus 4 Zimmern, Küche und Bad. Es handle sich um einen Durchschnittshaushalt. Zur Wohnung gehöre auch eine große Terrasse von ca. 130 m2. Ausgehend von einem 3-Personen-Haushalt und der Tabelle 1 nach Schulz-Borck/Hofmann bestehe ein Arbeitszeitbedarf von 45,6 Stunden bei einer monatlichen Nettovergütung von 1.429,17 €. Vom Unfalltag bis zum 31.12.2012 errechne sich daher ein Haushaltsführungsschaden in Höhe von 54.070,27 €. Unter Berücksichtigung der im Haushalt lebenden erwachsenen Tochter mit 15 % und des voll berufstätigen Ehemannes mit ebenfalls 15 % verbleibe ein Arbeitsaufwand von 70 % = 37.349,19 €.
Bei einem Mitverschulden der Klägerin von 30 % ergebe sich als Schaden ein Betrag von 26.494,43 €.
Der monatliche Haushaltsführungsschaden errechne sich daher auf 700,29 €.
Vor dem Unfall sei die Klägerin als Altenpflegehelferin auf 400-€-Basis tätig gewesen (vgl. Vereinbarung Bl. 68 d. A. und Gehaltsmitteilung Bl. 79 d. A.). Unter Berücksichtigung des gezahlten Verletztengeldes und des Mitverschuldens von 30 % ergebe sich ein Verdienstausfallschaden für den Zeitraum bis zum 04.05.2011 in Höhe von 1.391,36 €.
Ein Schmerzensgeld in Höhe von 70.000,– € sei unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 30 % angemessen.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, der Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird,
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 27.885,79 € zu zahlen,
3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin bis auf weiteres Schadensersatz auf den Haushaltsführungsschaden in Höhe von monatlich 700,29 € zu zahlen,
4. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin 70 % der materiellen und immateriellen Schäden, insbesondere des Haushaltsführungsschadens, zu ersetzen, die aus dem Unfallereignis vom 04.11.2009 künftig entstehen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen sind und
5. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin außergerichtlich angefallene Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 3.418,87 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben behauptet, die Ausgangsgeschwindigkeit des Zuges habe 47 km/h betragen. Bei einer Geschwindigkeit von 42 km/h habe der Beklagte zu 2) die Gefahrenbremsung eingeleitet, nachdem er zuvor Warnsignale abgegeben habe. Der Zug sei nach 25,8 m zum Stehen gekommen. Der Zug habe über eine Strecke von insgesamt 43 m geklingelt. Der Unfall sei für den Beklagten zu 2) unvermeidbar gewesen. Ihm sei kein Verschuldensvorwurf zu machen.
Mit dem am 13.12.2013 verkündeten Urteil (Bl. 121 d. A.) hat das Landgericht – nach informatorischer Anhörung des Beklagten zu 2) (Bl. 85 d. A.), Beiziehung der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Saarbrücken (Az.: 61 Js 9/10) und Beweiserhebung durch Vernehmung der Zeugen C. St. (Bl. 109 d. A.), M. St. V. (Bl. 111 d. A.) und Luigi L. V. (Bl. 112 d. A.) – die Beklagte zu 1) verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000,– € zu zahlen, an die Klägerin 11.951,07 € zu zahlen, an die Klägerin ab dem 01.01.2013 bis auf Weiteres einen Betrag in Höhe von 300,13 € pro Monat als Haushaltsführungsschaden zu zahlen, festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin 30 % der künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden auf Grund des Unfallereignisses vom 04.11.2009 zu ersetzen, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen, die Beklagte zu 1) weiter verurteilt, der Klägerin außergerichtlich angefallene Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 2.429,27 € zu zahlen. Das Landgericht hat die Klage gegen die Beklagte zu 1) im Übrigen und die Klage gegen den Beklagten zu 2) insgesamt abgewiesen.
Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils Bezug.
Gegen dieses Urteil haben zunächst die Beklagte zu 1) und der Beklagte zu 2) durch ihre Prozessbevollmächtigte Berufung eingelegt (Bl. 150 d. A.). Die Prozessbevollmächtigte hat sodann die Berufung des Beklagten zu 2) zurückgenommen (Bl. 165 d. A.).
Die Beklagte zu 1) ist der Auffassung, das Landgericht habe fehlerhaft nicht das extrem fahrlässige Verhalten der Klägerin berücksichtigt (Bl. 165 d. A.).
Aus den Videoaufzeichnungen der Außenbordkamera des unfallbeteiligten Saarbahnzugs in Verbindung mit der Auswertung der Magnetkarte des Kurzwegeregistriergerätes folge, dass die Kollision für die Beklagtenseite nicht vermeidbar gewesen sei (Bl. 165 f d. A.).
Der Beklagte zu 2) als Triebwagenführer habe gesehen, dass in der Lebacher Straße in Höhe des Anwesens Nr. … eine Fußgängerin auf die Saarbahntrasse getreten und zwischen beiden Richtungsgleisen stehen geblieben sei. Die Geschwindigkeit des Saarbahnzugs habe zu diesem Zeitpunkt 47 km/h betragen bei einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h. Der Beklagte zu 2) habe sofort Warnsignale in Form von Klingelzeichen gegeben, den Zug auf 42 km/h abgebremst und sei in Bremsstellung geblieben. Als die Klägerin trotz der Warnsignale für den Beklagten zu 2) unerwartet und nicht erklärbar weitergegangen sei, habe dieser unverzüglich bei einer Geschwindigkeit von 42 km/h die Gefahrenbremsung eingeleitet. Der Zug sei nach 25,8 m zum Stehen gekommen, was einer mittleren Bremsverzögerung von 2,64 m/s2 entspreche und die Grenzwerte der Tabelle 2 zu § 36 BOStrab (Straßenbahn-Bau und Betriebsordnung) erfülle. Der Zug sei jedoch nicht mehr rechtzeitig zum Stehen gekommen und die zwischenzeitlich auf dem Richtungsgleis stadtauswärts befindliche Klägerin sei von dem Zug seitlich erfasst worden (Bl. 166 d. A.).
Die Videoaufzeichnungen der Außenbordkamera des Unfallzugs zeigten deutlich das Verhalten der Klägerin, was die zur Akte gereichten Einzelbilder belegten (im Einzelnen Bl. 166 d. A.). Dies ergebe sich aber auch aus den Angaben des Beklagten zu 2) bei seiner informatorischen Anhörung. Seine Angaben stimmten mit der vorgelegten Dokumentation überein (Bl. 166 d. A.).
Auf Grund der – auch über einen Laptop vorgeführten – Dokumentation des Unfallhergangs habe der Zeuge C. St. bei seiner Vernehmung die Reaktionen des Triebwagenführers und das Funktionieren der Gefahrenbremsung detailliert beschrieben und auch in seiner Eigenschaft als Ausbildungsleiter festgestellt, dass der Beklagte zu 2) keinerlei Fehler gemacht habe, sondern in der Situation optimal reagiert habe, wie das auch in der Ausbildung vermittelt werde (Bl. 166 d. A. und im Einzelnen Bl. 167 d. A.). Zu berücksichtigen sei insoweit auch, dass beim Einleiten einer Gefahrenbremsung Gefahren für die Gesundheit der im Zug befindlichen Fahrgäste bestünden, da diese durch eine solche Körperschäden erleiden könnten. Für den Beklagten zu 2) habe kein Anlass bestanden, bereits beim Auslösen des Klingelzeichens eine Gefahrenbremsung auszulösen, da die Klägerin zwischen den beiden Richtungsgleisen gestanden habe. Erst als sie trotzdem weitergegangen sei, habe er eine Gefahrenbremsung ausgelöst, nachdem der Beklagte zu 2) zuvor die Geschwindigkeit bereits reduziert habe. Der Beklagte zu 2) habe sich also mit größtmöglicher Sorgfalt wie ein Idealfahrer verhalten, während der Unfall auf Grund des extrem fahrlässigen Verhaltens der Klägerin nicht vermeidbar gewesen sei (bl. 167 d. A.).
Der Beklagte zu 2) habe nach der Rechtsprechung darauf vertrauen dürfen, dass die Klägerin den Gleisbereich rechtzeitig vor dem herannahenden Zug verlasse, weil er anhaltend geklingelt habe. Er habe sogar, ohne hierzu verpflichtet zu sein, in dieser Situation vorsorglich auf 42 km/h verlangsamt und sei in Bremsstellung geblieben (Bl. 167 d. A.).
Nach der Rechtsprechung sei der Vertrauensgrundsatz nur dann eingeschränkt, wenn eine erkennbar schutzbedürftige Person den Gleisbereich quere. Vorliegend seien jedoch auf Grund der Videoaufzeichnungen keine Einschränkungen der Klägerin erkennbar (Bl. 167 d. A.). Die Klägerin sei zum Unfallzeitpunkt 48 Jahre alt gewesen und behaupte selbst nicht, körperlich oder geistig eingeschränkt gewesen zu sein (Bl. 167 f d. A.). Da der Beklagte zu 2) unverzüglich die Gefahrenbremsung durchgeführt habe, als er bemerkt habe, dass die Klägerin auf die Klingelzeichen und das Bremsen nicht reagiert habe, sei ihm kein Vorwurf zu machen und er habe optimal reagiert (Bl. 168 d. A.).
Den Unfall habe die Klägerin selbst verursacht, indem sie unter Missachtung von Verkehrszeichen und Signalen das Richtungsgleis stadtauswärts vor dem herannahenden Saarbahnzug überquert habe. Ihr Verschulden sei derart extrem, dass eine Haftung der Beklagten zu 1) aus allgemeiner Betriebsgefahr gänzlich entfalle. Die Klägerin hätte angesichts der sich nähernden, läutenden und eine Gefahrenbremsung durchführenden Saarbahn das Richtungsgleis gar nicht erst betreten oder aber nach dem Betreten zügig verlassen müssen. Die Gefahrenbremsung selbst habe 5 Sekunden gedauert, wie aus der Auswertung der Magnetkarte des Kurzwegregistriergeräts hervorgehe. Daraus gehe auch hervor, dass der Beklagte zu 2) über 25 Meter vor Einleitung der Gefahrenbremsung durchgehend manuell geläutet habe (Bl. 168 d. A.).
Mit Einleitung der Gefahrenbremsung seien Klingeln und Sanden automatisch erfolgt und hätten erheblichen Lärm verursacht. Es seien Geräusche hinzu gekommen, die durch den Bremsvorgang selbst entstünden, nämlich das Knallgeräusch, das die Magnetblöcke von jeweils mehr als 5 Tonnen beim Fall auf die Schienen verursachten und das Reiben der Laufräder auf den Schienen. Das habe der Zeuge C. St. bekundet, der auch für die Auswertung der gesamten Unfalldokumentation, nämlich der Videoaufzeichnungen der Außenbordkamera und der Magnetkarte des Kurzwegregistriergeräts benannt werde (Bl. 168 d. A.).
Das Landgericht habe ferner nicht berücksichtigt, dass die Klägerin ausweislich der Klageschrift unweit der Unfallörtlichkeit wohne, so dass ihr der Saarbahnverkehr in der Lebacher Straße bekannt gewesen sei. Die Streckenführung sei auch eben (Bl. 204 d. A.) und sehr gut einsehbar und auf Gefahren beim Überqueren der Trasse sei durch entsprechende Piktogramme mit der Aufschrift „Vorsicht“ auf drei Verkehrszeichen in der Laufrichtung der Klägerin hingewiesen worden. Diese seien auch auf der Videoaufzeichnung erkennbar. Es gebe weitere zwei Hinweis- bzw. Warntafeln, was durch die zur Akte gereichten Lichtbilder, die die Schilder sowohl aus Sicht der Klägerin als auch aus Sicht des Triebwagenführers zeigten, nachgewiesen sei (Bl. 169 d. A.).
Hinter die Fahrlässigkeit der Klägerin trete die allgemeine Betriebsgefahr auf Grund der Schienengebundenheit, dem längeren Bremsweg und der größeren Aufprallwucht einer Eisenbahn vollständig zurück. Nach der Rechtsprechung verstießen wartepflichtige Fußgänger gegenüber dem Fahrzeugverkehr gegen ihre Verpflichtung in erheblicher Weise, wenn sie noch kurz vor einem sich nähernden Schienenfahrzeug die Schienen beträten und überquerten. Daher entfalle die Haftung der Beklagten zu 1) auf Grund der allgemeinen Betriebsgefahr gänzlich. Das ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des Senats (Bl. 169 d. A.).
Die Klägerin erkläre sich auch nicht zu dem Ergebnis des Verfahrens vor dem Sozialgericht, so dass nicht beurteilt werden könne, ob von ihr im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachte Ansprüche eventuell auf Dritte übergegangen seien (Bl. 195 d. A.).
Vorsorglich hat die Beklagte zu 1) die Aufrechnung mit Ansprüchen wegen geleisteter Lohnfortzahlung für den Triebwagenführer, den Beklagten zu 2), erklärt. Dieser sei in der Zeit vom 04.11.2009 bis zum 15.03.2010 arbeitsunfähig erkrankt gewesen und sei in Folge der erheblichen Traumatisierung durch den streitgegenständlichen Unfall auf eigenen Wunsch zum 31.10.2010 aus den Diensten der Beklagten zu 1) ausgeschieden. Dies ergebe sich aus Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (Bl. 176 d. A.) sowie einer vorgelegten Bescheinigung des Herrn H. P. (Bl. 170 d. A.).
Die Zahlungen der Beklagten zu 1) für die Zeit vom 04.11.2009 bis zum 16.12.2009 betrügen insgesamt 4.461,70 € (Bl. 170 d. A. und Berechnung Bl. 177 d. A.).
Die Ansprüche seien aus ethischen Gründen bisher nicht gerichtlich geltend gemacht, wenn auch außergerichtlich angemeldet worden. Dies ergebe sich aus vorgelegten Schreiben (Bl. 196 u. 197 d. A.). Für die Höhe der geleisteten Zahlungen habe sie, die Beklagte zu 1), Beweis angetreten (Bl. 195 d. A.).
Die Beklagte zu 1) beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage auch bezüglich der Beklagten zu 1) abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin ist der Auffassung, das Landgericht habe den Vertrauensgrundsatz auf Beklagtenseite ausreichend berücksichtigt, was sich aus den Ausführungen auf Seite 10 Mitte des Urteils ergebe (Bl. 190 d. A.).
Das Landgericht habe bei seiner Abwägung ausweislich Seite 11 des angefochtenen Urteils auch das fahrlässige Verhalten der Klägerin berücksichtigt und sei dabei gemäß §§ 4 HaftPflG, 254 BGB zum Ergebnis gekommen, dass das Verschulden der Klägerin überwiege, dass aber die Betriebsgefahr des Saarbahnzugs nicht ganz hinter dieses zurücktreten könne. Das Verhalten der Klägerin sei als Mitverschulden zu berücksichtigen, bringe jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Haftung der Beklagten zu 1) nicht vollständig zum Erlöschen (Bl. 190 d. A.).
Aus der Bilddokumentation ergebe sich, dass die Klägerin von Weitem zu erkennen gewesen sei. Daher hätte die Saarbahn durch Verlangsamung der Fahrt nach Wahrnehmung der Klägerin vor deren Erfassen zum Stillstand gebracht werden können (Bl. 191 d. A.).
Der Vertrauensgrundsatz ändere nichts daran, dass bei Wahrnehmung einer gefahrenträchtigen Lage eine Notbremsung durchzuführen sei. Wenn genügend Zeit vor dieser Maßnahme verbleibe, sei die Geschwindigkeit der Straßenbahn sofort so weit herabzusetzen, dass der Zug notfalls noch vor der Gefahrenstelle angehalten werden könne (Bl. 191 d. A.).
Der Lenker der Straßenbahn habe bereits seit einer erheblichen Zeitspanne und aus einiger Entfernung die Überquerung der Gleise durch die Klägerin beobachten können. Die Klägerin habe die Fahrtrasse nicht kurz vor dem herannahenden Schienenfahrzeug betreten (Bl. 191 d. A.). Da der Beklagte zu 2) parallel zu dem über 25 m erfolgten manuellen Klingeln die Fahrt nicht verlangsamt habe, wodurch der streitgegenständliche Unfall auch ohne Notbremsung vermieden worden wäre, habe er nicht als Idealfahrer gehandelt (Bl. 202 f d. A.).
Soweit die Beklagte zu 1) mit geleisteten Lohnfortzahlungsansprüchen vorsorglich und hilfsweise aufrechne, werde dies als verspätet gerügt. Eine auf das Unfallereignis zurückzuführende arbeitsunfähige Erkrankung des Beklagten zu 2) im Zeitraum vom 04.11.2009 bis zum 15.03.2010 werde mit Nichtwissen bestritten, ebenso die Behauptung der Beklagten, für den Zeitraum vom 04.11.2009 bis zum 16.12.2009 Zahlungen in Höhe von 4.461,70 € erbracht zu haben. Die vorgelegte Berechnung sei nicht nachvollziehbar, insbesondere soweit Urlaubsentgeltansprüche, Jahresprämien, Weihnachtszuwendungen und Nachtzuschläge mit aufgeführt würden (Bl. 191 f d. A.). Gehalt und Besitzstandszulage des Beklagten zu 2) seien nicht bekannt und müssten bestritten werden, ebenso, dass Weihnachtszuwendungen, Jahresprämien und Urlaubsentgelte bezahlt worden seien (Bl. 192 d. A.).
Hinsichtlich des Sachverhalts und des Parteivortrages im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 19.07.2013 (Bl. 84 d. A.), vom 22.11.2013 (Bl. 108 d. A.) und des Senats vom 26.03.2015 (Bl. 209 d. A.) sowie auf das Urteil des Landgerichts vom 13.12.2013 (Bl. 121 d. A.) und die Beiakten 61 Js 9/10 der Staatsanwaltschaft Saarbrücken sowie 300000599 des Landesverwaltungsamts Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 1) den vom Landgericht zugesprochenen Anspruch gemäß §§ 1 Abs. 1, 6 HaftPflG.
1.
Gemäß § 1 Abs. 1 HaftPflG wurden der Körper und die Gesundheit der Klägerin beim Betrieb einer Schienenbahn verletzt, da die Klägerin unstreitig auf den Schienen der Saarbahn von einem fahrenden Zug erfasst und hierdurch erheblich verletzt wurde. Die Beklagte zu 1) ist unstreitig Betriebsunternehmerin i. S. d. § 1 Abs. 1 HaftPflG.
Das Landgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass kein Fall höherer Gewalt i. S. d. § 1 Abs. 2 HaftPflG vorliegt, da in keiner Weise ersichtlich ist, dass ein betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung auch durch die äußerste nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit vom Betriebsunternehmer in Kauf zu nehmen ist, den Unfall verursacht hat (vgl. RGZ 109, 172; BGH, Urt. v. 15.11.1966 – VI ZR 280/64, VersR 1967, 138 – 139, juris Rdn. 13; BGH, NJW 1988, 2733; Filthaut, Haftpflichtgesetz, 8. Auflage, § 1 HaftPflG, Rdn. 158; Geigel-Kaufmann, Der Haftpflichtprozess, 26. Auflage, 26. Kap., Rdn. 28).
2.
Die Haftung der Beklagten zu 1) entfällt auch nicht gem. § 13 Abs. 3 Satz 1 und 2 HaftPflG deshalb, weil ein unabwendbares Ereignis vorläge.
a)
Gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 HaftPflG ist die Verpflichtung zum Ersatz für den nach § 1 zum Schadensersatz Verpflichteten ausgeschlossen, soweit die Schienenbahn innerhalb des Verkehrsraumes einer öffentlichen Straße betrieben wird und wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht ist, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit der Fahrzeuge oder Anlagen der Schienenbahn noch auf einem Versagen ihrer Vorrichtungen beruht. Gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 gilt als unabwendbar ein Ereignis nur dann, wenn sowohl der Betriebsunternehmer als auch die beim Betrieb tätigen Personen jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet haben.
b)
Vorliegend wurde die Saarbahn unstreitig zum Unfallzeitpunkt innerhalb einer öffentlichen Straße betrieben.
c)
Ein Fehler in der Beschaffenheit des unfallbeteiligten Schienenfahrzeugs oder der Anlagen der Schienenbahn kommt vorliegend nicht in Betracht, da nach der auf Grund der Auswertung der automatischen Aufzeichnungen auf der Magnetkarte der Bahn (Bl. 55 f d. A.) und der Videoaufnahmen (Bl. 49 – 54 d. A.) getätigten Aussage des Zeugen C. St. das Bremssystem bei der Gefahrbremsung ordnungsgemäß funktioniert hat und auch das automatische Klingelzeichen ausgelöst wurde (Bl. 110 d. A.). Die Auswertung hat weiter ergeben, dass auch die zuvor erfolgte Verlangsamung der Geschwindigkeit und das vom Beklagten zu 2) ausgelöste Klingeln ordnungsgemäß erfolgt sind.
d)
Unabwendbar ist ein Ereignis gemäß § 13 Abs. 3 Satz 2 HaftPflG im Übrigen schon dann, wenn sowohl der Betriebsunternehmer als auch die beim Betrieb tätigen Personen jede nach den Umständen des Falls gebotene Sorgfalt beobachtet haben (vgl. Geigel-Kaufmann, aaO., 26. Kap. 26, Rdn. 41). Dies ist zu bejahen, wenn sie eine über die gewöhnliche hinausgehende, nach den Umständen erforderliche äußerste Sorgfalt, Aufmerksamkeit, Umsicht und Geistesgegenwärtigkeit anwenden (vgl. BGH, VersR 1957, 779; BGH, NJW 1973, 44; Filthaut, aaO., § 13 HaftPflG, Rdn. 32). Der Fahrer muss sich ebenso wie ein Kraftfahrzeugführer gemäß § 17 Abs. 3 StVG wie ein Idealfahrer verhalten haben (vgl. Geigel-Kaufmann, aaO., 26. Kap. 26, Rdn. 41). Schon ein geringfügiges Verschulden schließt deshalb die Unanwendbarkeit aus (vgl. BGH, VersR 1959, 789; Filthaut, aaO., § 13 HaftPflG, Rdn. 32; Geigel-Kaufmann, aaO., 26. Kap. 26, Rdn. 41).
d)
Bezüglich der Unabwendbarkeit trifft den Betriebsunternehmer die volle Darlegungs- und Beweislast (vgl. BGH, VRS 4, 565; BGH, VersR 1959, 804; LG Aurich, VersR 1994, 871; Filthaut, aaO., § 13 HaftPflG, Rdn. 46). Zweifel bezüglich der tatsächlichen Umstände gehen ebenso zu Lasten des Betriebsunternehmers wie Zweifel daran, ob ein Fehlverhalten für den Unfall ursächlich war (vgl. RGZ 162, 1 (3); BGH, VersR 1956, 765; BGH, VersR 1969, 827; Filthaut, aaO., § 13 HaftPflG, Rdn. 46).
d)
Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die beweisbelastete Beklagte zu 1) nicht dargelegt und bewiesen hat, dass der streitgegenständliche Unfall für den Führer der Saarbahn, den Beklagten zu 2), unvermeidbar war.
Dies ergibt sich daraus, dass nach der Beweisaufnahme nicht feststeht, dass der Beklagte zu 2) auch bei stärkerer Verminderung der Geschwindigkeit als auf 42 km/h zu dem Zeitpunkt, als der Beklagte zu 2) die Klägerin auf der Saarbahntrasse wahrgenommen hat, den Unfall nicht verhindert hätte.
aa)
Der Zeuge C. St. hat bekundet, dass der Beklagte zu 2) ausweislich der Aufzeichnungen des Saarbahnzuges anfänglich mit einer Geschwindigkeit von 47 km/h gefahren ist. Beim Erkennen der Klägerin hat er ein Klingelzeichen ausgelöst und die Geschwindigkeit des Zuges auf 42 km/h herabgebremst. Als die Klägerin den Gefahrenbereich daraufhin nicht verlassen, sondern sich weiter in Richtung auf das Gleis des Saarbahnzugs begeben hat, hat er eine Gefahrbremsung ausgeführt. Hierdurch kam der Zug nach Einleitung der Gefahrbremsung nach 25,8 m zum Stillstand, während das Klingelzeichen über eine Wegstrecke von insgesamt 43 m erfolgte (Bl. 109 f d. A.). Das Landgericht ist auf nicht zu beanstandende und durch die Berufung nicht angegriffene Weise davon ausgegangen, dass diese Aussage des Zeugen C. St. durch die zur Akte gereichte technische Auswertung der Ermittlungsakten (Bl. 22 d. BA. 300000599 des Landesverwaltungsamts) bestätigt wird.
bb)
Das Landgericht hat hieraus zutreffend gefolgert, dass wegen des Umstands, dass einerseits zwischen der ersten Auslösung des Klingelzeichens durch den Beklagten zu 2) bis zum Stillstand des Zuges 43 m zurückgelegt wurden, der Bremsweg aber andererseits nach Einleitung der Gefahrenbremsung nur ca. 25,8 m betragen hat, nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass bei einer früheren Einleitung der Gefahrenbremsung, insbesondere schon zum Zeitpunkt des ersten Erkennens der Klägerin im Bereich der Trasse, durch den Beklagten zu 2) die Kollision hätte vermieden werden können. Der Beklagte zu 2) hat bei seiner informatorischen Anhörung durch das Landgericht bekundet, dass die Klägerin sich bereits auf dem Gleiskörper befunden habe, als er, der Beklagte zu 2), sie wahrgenommen habe. Sie sei zwar auf sein, des Beklagten zu 2), Klingelzeichen hin stehen geblieben, er könne jedoch nicht mehr sicher sagen, ob sie in Richtung des Zuges geschaut habe. Das Landgericht hat hieraus auf nicht zu beanstandende Weise gefolgert, dass ein Idealfahrer in der konkreten Situation eine Gefahrenbremsung sofort, jedenfalls aber zu einem früheren Zeitpunkt eingeleitet hätte und hierdurch der Unfall hätte vermieden werden können.
Des Weiteren kann auch, worauf die Klägerin zutreffend hinweist, nicht ausgeschlossen werden, dass der Unfall auch dann hätte vermieden werden können, wenn der Beklagte zu 2) beim ersten Erkennen der Klägerin auf der Saarbahntrasse zwar nicht sofort eine Gefahrenbremsung eingeleitet, jedoch die Geschwindigkeit zunächst deutlich stärker als auf 42 km/h herabgesetzt hätte. Aus diesem Grund kann die Beklagte zu 1) nicht damit argumentieren, dass eine Gefahrenbremsung mit erheblichen Gefahren für die körperliche Unversehrtheit der Insassen der Bahn verbunden ist, so dass gerade ein Idealfahrer von einer sofortigen Gefahrenbremsung Abstand genommen hätte. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass der Beklagte zu 2) den Unfall auch dann vermieden hätte, wenn er den Zug zwar stärker heruntergebremst hätte, jedoch nicht so stark, dass hierdurch die Gefahr der Verletzung von Insassen bestand.
cc)
Die genauen räumlich-zeitlichen Zusammenhänge, insbesondere bezüglich eines hypothetisch stärkeren Bremsvorgangs, ergeben sich aus der bisherigen Beweisaufnahme nicht. Auch ist der Senat nicht in der Lage, diesbezüglich auf Grund des vorliegenden Materials eigene Berechnungen durchzuführen. Diesbezüglich wäre vielmehr die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich. Indes hat die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte zu 1) weder in erster Instanz noch in der Berufungsinstanz die Einholung eines solchen Gutachtens beantragt. Sie hat lediglich die Vernehmung des sachverständigen Zeugen C. St. beantragt (Bl. 43 d. A.), die auch erfolgt ist. Jedoch ergibt sich aus dieser nicht, ob und unter welchen Voraussetzungen der Unfall bei einem anderen Bremsverhalten des Beklagten zu 2) vermieden worden wäre. Allein die nicht beweisbelastete Klägerin hat die Einholung eines entsprechenden Gutachtens beantragt (Bl. 4 d. A.).
Die Beklagte zu 1) ist daher beweisfällig geblieben, was auf Grund ihrer Beweislast zu ihren Lasten geht.
dd)
Etwas anderes gilt vorliegend nicht deshalb, weil der Beklagte zu 2) darauf vertrauen durfte, dass die Klägerin den Gleisbereich rechtzeitig vor dem herannahenden Zug verlassen würde.
Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der im Straßenverkehr geltende Vertrauenstatbestand zwar einen Verschuldensvorwurf gegenüber dem Beklagten zu 2) entfallen lässt, jedoch nicht dazu führt, dass das streitgegenständliche Unfallereignis als unvermeidbar anzusehen ist.
3.
Zutreffend ist das Landgericht weiter davon ausgegangen, dass sich die Klägerin gemäß §§ 4 HaftPflG, 254 Abs. 1 BGB ein Mitverschulden in Höhe von 70 % anrechnen lassen muss.
a)
Nach § 4 HaftPflG ist das Eigenverschulden des Verletzten nach Maßgabe des § 254 Abs. 1 BGB zu berücksichtigen. Dies führt nach allgemeinen Regeln dazu, dass der Schadensersatzanspruch herabzusetzen ist oder ausnahmsweise sogar völlig entfallen kann. Dabei hat eine Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile stattzufinden, wobei nur die bewiesenen oder unstreitigen Umstände in die Abwägung miteinbezogen werden können (vgl. BGH, NJW 2002, 1263; Kaufmann in Geigel-Kaufmann, aaO., 26. Kap. 26, Rdn. 45).
Das Mitverschulden des Geschädigten hat – ebenfalls nach allgemeinen Grundsätzen – der Schädiger darzulegen und zu beweisen (vgl. BgH, NJW-RR 1986, 1083; BGH, NJW 2007, 1063 (1064); Filthaut, aaO, § 4 HaftPflG, Rdn. 118; Geigel-Knerr, aaO., 2. Kap., Rdn. 60).
b)
Fällt zu Lasten des Bahnbetriebsunternehmers nur die allgemeine Betriebsgefahr, die sich aus der Schienengebundenheit, dem längeren Bremsweg und der größeren Aufprallwucht einer Eisenbahn ergibt, ins Gewicht, so tritt diese gegenüber dem erheblichen Verschulden eines Fußgängers, der ohne auf die Bahn zu achten verbotswidrig die Gleise betreten hat, unter Umständen vollständig zurück (vgl. OLG Nürnberg, NJW-RR 2002, 449 (450); Filthaut, aaO., § 4 HaftPflG, Rdn. 44; Geigel-Kaufmann, aaO., 26. Kap., Rdn. 49). Allerdings folgt aus einem derart groben Verschulden des Geschädigten nicht zwangsläufig, dass die Betriebsgefahr der Bahn bei Abwägung der Verantwortungsanteile gemäß § 4 HaftPflG i. V. m. § 254 Abs. 1 BGB unberücksichtigt zu lassen ist (vgl. BGH, VersR 1986, 707; BGH, NZV 1994, 146; OLG Schleswig, NZV 2008, 89; Geigel-Kaufmann, aaO., 26. Kap., Rdn. 49).
c)
Im vorliegenden Fall ist das Landgericht auf nicht zu beanstandende Weise davon ausgegangen, dass das Mitverschulden der Klägerin als solches zwischen den Parteien nicht streitig ist.
Die Klägerin hätte bei gehöriger Aufmerksamkeit den Saarbahnzug ohne Weiteres erkennen können. Dies ergibt sich zum einen aus der Tatsache, dass die Klägerin als Fußgängerin ohnehin gehalten war, die Straße vor dem Betreten und Überqueren zu beobachten. Hierbei hätte ihr nicht nur das Vorhandensein von Saarbahngleisen auffallen müssen, sondern sie hätte bei der erforderlichen Umschau erkennen müssen, dass sich gerade ein Zug näherte. Hinzu kam, dass vor den Schienen durch diverse, für die Klägerin gut sichtbare Warnschilder mit der Aufschrift „Vorsicht“ gewarnt wurde (Lichtbilder Hülle Bl. 175 d. A.). Daher hätte sie entweder von dem Betreten der Gleise Abstand nehmen oder zumindest beim Herannahen der Saarbahn diese wieder umgehend verlassen müssen.
Hinzu kam, dass der Beklagte zu 2) nach seinen eigenen Angaben und ausweislich der zur Akte gereichten automatisch aufgezeichneten Unterlagen geklingelt hatte, sobald er die Klägerin erkannt hatte, und dass darüber hinaus beim Einleiten der Gefahrenbremsung erheblicher Lärm entstand, der von dem Reiben der Laufräder auf den Schienen sowie daher rührte, dass schwere Magnetblöcke auf die Fahrbahn fielen, was ein lautes Knallgeräusch verursachte. Während der Gefahrbremsung hat sich darüber hinaus das Klingelgeräusch automatisch permanent fortgesetzt (so die Aussage C. St. Bl. 110 d. A.).
d)
Dagegen ist dem Beklagten zu 2) nach den ebenfalls überzeugenden Ausführungen des Landgerichts seinerseits kein Verschulden anzulasten.
Das Landgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass zu Gunsten des Beklagten zu 2) in diesem Zusammenhang der Vertrauensgrundsatz streitet, mag sich aus diesem auch nicht ergeben, dass der Unfall für ihn ein unabwendbares Ereignis war.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf der Führer eines Zuges grundsätzlich darauf vertrauen, dass ein die Gleise querender Fußgänger den Gleisbereich rechtzeitig vor dem herannahenden Zug verlässt und er daher nicht vorsorglich zu verlangsamen braucht (vgl. BGH, Urt. v. 15.11.1966 – VI ZR 280/64, VersR 1967, 138 – 139, juris Rdn. 15 ff; BGH; VersR 1975, 259; BGH, Urt. v. 30.10.1990 – VI ZR 340/89, NJW-RR 1991, 347 – 348, juris Rdn. 6). Dies gilt jedenfalls deshalb, weil keine Anzeichen dafür ersichtlich waren, dass es sich bei der Klägerin gemäß § 3 Abs. 2a StVO um eine besonders schutzbedürftige Person im Sinne dieser Vorschrift handelte. Der Beklagte zu 2) hat zudem zunächst sofort beim Erkennen der Klägerin auf dem Gleiskörper ein Klingelzeichen gegeben und die Geschwindigkeit des Zuges von 47 km/h auf 42 km/h reduziert. Aus dieser Geschwindigkeit hat er nach ca. 2 Sekunden die Gefahrenbremsung eingeleitet. Dass er dies nicht früher getan hat, vermag einen Verschuldensvorwurf nicht zu begründen. Der Beklagte zu 2) hat nämlich sowohl ein Klingelzeichen abgegeben als auch seine Geschwindigkeit verlangsamt und damit den an ihn zu stellenden Sorgfaltsanforderungen Genüge getan. Zutreffend hat das Landgericht insoweit ausgeführt, dass hierbei zu berücksichtigen ist, dass die im Zug befindlichen Fahrgäste durch die Einleitung einer Gefahrenbremsung einer nicht unerheblichen Gefährdung ausgesetzt werden. Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass das Einleiten der Gefahrenbremsung nach 2 Sekunden schuldhaft zu spät erfolgt ist. Nach der Aussage des als Leiter der Fahrschule Saartal Busse und Bahnen tätigen sachverständigen Zeugen C. St. entspricht es nämlich den für Zugführern geltenden Vorgaben, die diesen auch in ihrer Ausbildung für einen Fall wie den vorliegenden vermittelt werden (Bl. 200 d. A.).
Es ist daher auf Seiten der Beklagten zu 1) kein schuldhaftes Verhalten, sondern lediglich die einfache Betriebsgefahr des Saarbahnzuges zu berücksichtigen, die sich daraus ergibt, dass mit einem Zug nicht ausgewichen werden kann und seine erhebliche Masse auf den Schienen zu einem längeren Bremsweg als bei Kraftfahrzeugen führt. Auch muss die erhöhte Verletzungsgefahr auf Grund der Bauweise des Zugs berücksichtigt werden (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 02.10.2002 – 13 U 30/02, MDR 2003, 627- 628), juris Rdn. 29; OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.10.2007 – I-1 U 268/06, juris Rdn. 17).
e)
Dies führt jedoch nach den Besonderheiten des konkreten Falls nicht dazu, dass diese Betriebsgefahr gemäß §§ 4 HaftPflG, 254 Abs. 1 BGB gänzlich hinter das als grob fahrlässig zu wertende Verschulden der Klägerin zurücktritt, sondern vielmehr dass die Klägerin ein zwar ganz überwiegendes jedoch lediglich mit 70 % zu bewertendes Mitverschulden trifft.
Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung an, wonach bei Unfällen von Fußgängern, die aus einer Position mittig zwischen zwei Gleisen plötzlich auf den Gleiskörper treten, ohne sich über das Nicht-Herannahen einer Straßenbahn zu vergewissern, den Straßenbahnbetreiber ein Mitverschulden von 30 % trifft (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 02.10.2002 – 13 U 30/02, MDR 2003, 627- 628, juris Rdn. 29; OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.10.2007 – I-1 U 268/06, juris Rdn. 17). Dies gilt unbeschadet der konkreten Umstände des streitgegenständlichen Falls, nämlich, dass die Klägerin zusätzlich durch das warnende Klingeln sowie die oben dargestellten Bremsgeräusche hätte gewarnt sein müssen. Auch dies führt angesichts der erheblichen, von einer Straßenbahn ausgehenden Gefahren, die trotz der Geschwindigkeitsreduktion dazu geführt haben, dass der Beklagte zu 2) nicht mehr anhalten konnte, nicht zu einem vollen Zurücktreten der Haftung der Beklagten zu 1) (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.10.2007 – I-1 U 268/06, juris Rdn. 17).
Die zitierten Entscheidungen haben dabei die 30-prozentige Haftung des Straßenbahnbetreibers lediglich mit der Betriebsgefahr der Bahn und nicht mit der Hilfsbedürftigkeit des Geschädigten und sich aus dieser ergebenden besonderen Verhaltensanforderungen an den Straßenbahnführer begründet.
f)
Dagegen ist der vorliegende Fall mit früherer Senatsrechtsprechung zu Unfällen unter Beteiligung der Saarbahn (vgl. Senat, Urt. v. 14.03.2013 – 4 U 445/11 – 139 -, zitiert nach juris) vergleichbar, da zwar auch in dem seinerzeit entschiedenen Fall von einem fehlenden Verschulden des beklagten Straßenbahnunternehmens einerseits sowie von einem erheblichen, nämlich grob fahrlässigen Mitverschulden des Geschädigten andererseits auszugehen war, jedoch die Besonderheiten des damaligen Falls nicht mit denjenigen des vorliegenden Falls identisch waren, da es sich in dem dort entschiedenen Fall um einen mittels einer Ampel mit Signalknopf gesicherten Übergang handelte und der dortige Kläger gleichwohl den Gleiskörper betreten hatte. Bei einer solchen Fallgestaltung ist es anders als im vorliegenden Fall gerechtfertigt, die Betriebsgefahr der Straßenbahn vollständig hinter dem ganz erheblichen Mitverschulden des Geschädigten zurücktreten zu lassen.
Das Mitverschulden der Klägerin im streitgegenständlichen Fall ist zwar auch erheblich. Jedoch verbleibt gleichwohl ein Haftungsanteil der Beklagten zu 1) auf Grund der ebenfalls erheblichen Betriebsgefahr des Saarbahnzuges. Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin sich zunächst zwischen den Gleisen befand und für den Beklagten zu 2) unstreitig zu sehen war. Daher hätte der Beklagte zu 2) die Geschwindigkeit weiter als geschehen herabsetzen können. Auch wenn dem Beklagten zu 2) auf Grund dieses Umstands kein Verschulden anzulasten ist, rechtfertigt es dies dennoch, die Betriebsgefahr des Saarbahnzugs mit 30 % zu berücksichtigen.
4.
Die von der Klägerin erlittenen Verletzungen und deren Unfallbedingtheit sind unstreitig. Ebenso ist die Höhe des vom Landgericht zugesprochenen materiellen Schadens unstreitig. Dies gilt sowohl für den Haushaltsführungsschaden als auch für den Verdienstausfall. Auch die Höhe des zugesprochenen Schmerzensgeldes wird mit der Berufung nicht angegriffen.
Die Ausführungen des Landgerichts bezüglich des Feststellungsinteresses bezüglich zukünftiger materieller und immaterieller Schäden werden ebenfalls nicht angegriffen, sondern ebenfalls nur im Hinblick auf die vom Landgericht zu Grunde gelegte Haftungsquote in Frage gestellt.
Nichts anderes gilt für den Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
5.
Soweit die Beklagte zu 1) geltend macht, die Klägerin erkläre sich nicht zu einem „eventuellen“ Anspruchsübergang auf Dritte vor dem Hintergrund des vor dem Sozialgericht geführten Rechtsstreits (Bl. 195 d. A.), ist unerfindlich, was hiermit gemeint ist. Es wäre insoweit Sache der Beklagten zu 1) gewesen, hierzu konkret vorzutragen. Dass Ansprüche eventuell auf Dritte übergehen, was vorliegend allenfalls bezüglich des Verdienstausfallschadens denkbar ist, reicht insoweit nicht aus.
6.
Schließlich ist auch die Aufrechnung der Beklagten zu 1) mit einem Anspruch auf Ersatz von im Wege der Lohnfortzahlung an den Beklagten zu 2) erbrachten Leistungen in Höhe von 4.461,70 € nicht erfolgreich.
Zum einen ist dieses erstmals in der Berufungsinstanz getätigte Vorbringen als neues Verteidigungsmittel gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO nicht zu berücksichtigen, da die Geltendmachung der Lohnfortzahlungen für die Zeit vom 04.11.2009 bis zum 16.12.2009 bereits in der durch die Klage im Jahr 2012 eröffneten ersten Instanz möglich gewesen wäre und nicht ersichtlich ist, warum entsprechender Vortrag ohne Nachlässigkeit der Klägerin unterblieben ist.
Zum anderen ist allein durch die vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht nachgewiesen, dass die Arbeitsunfähigkeit auf Grund des Unfalls vom 04.11.2009 eingetreten ist. Überdies reicht die vorgelegte Berechnung der Schadensersatzforderung nicht aus, um die Höhe der zu einem eventuellen Anspruchsübergang führenden Leistungen der Beklagten zu 1) sowie des einen Schadensersatzanspruch des Beklagten zu 2) auslösenden Entgeltverlusts nachzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Soweit der Beklagte zu 2) trotz seines vollen Obsiegens in erster Instanz durch einen Fehler der gemeinsamen Prozessbevollmächtigten in Gestalt der automatischen Übernahme des Rubrums erster Instanz gleichwohl Berufung eingelegt hat, diese jedoch dann zurückgenommen hat (Bl. 165 d. A.), ist davon auszugehen, dass die Berufungseinlegung in seinem Namen nicht gewollt war, sondern ein offensichtliches Schreibversehen darstellt, die Einlegung der Berufung durch den Beklagten zu 2) also in Wahrheit nicht gewollt war. Daher ist nicht die Kostenfolge des § 516 Abs. 3 ZPO veranlasst.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. § 713 ZPO ist nicht anwendbar, da die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, nicht für jede der Parteien unzweifelhaft nicht gegeben sind. Dies folgt daraus, dass zwar die Revision nicht zugelassen ist, jedoch gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO n. F. die Nichtzulassungsbeschwerde nicht für jede der Parteien unzulässig ist, da die Beschwer der Beklagten zu 1) im Berufungsverfahren 47.557,53 €, mithin mehr als 20.000,– € beträgt.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO n. F. nicht gegeben sind. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n. F.) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO n. F.).