Streit um Reparaturkosten endet mit Zahlungsaufforderung
Ein Interesse weckender Fall hat das Amtsgericht Niebüll (Az.: 10a C 188/20) beschäftigt, in dem es um die spannende Frage ging, wer die Kosten für zusätzliche Reparaturarbeiten nach einem Verkehrsunfall zu tragen hat. Genauer gesagt, konzentrierte sich die Diskussion auf sogenannte Verbringungskosten, die entstehen, wenn ein beschädigtes Fahrzeug in eine markengebundene Fachwerkstatt transportiert werden muss, die nicht über eine eigene Lackiererei verfügt. Während das Autohaus, das die Reparatur durchgeführt hat, die Kosten von der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers einforderte, lehnte diese die vollständige Übernahme ab. Ein klassischer Fall, der die subtilen Facetten des Rechts und die damit verbundenen möglichen Missverständnisse aufzeigt.
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Übersicht
Uneinigkeit über die Höhe der Kosten
In dem Rechtsstreit ging es im Wesentlichen um die Erstattung der Kosten, die durch die Reparatur und speziell durch die Lackierung entstanden sind. Die Haftpflichtversicherung hatte bereits einen Teil der Kosten erstattet, war jedoch nicht bereit, die vollständigen Kosten in Höhe von 140,42 € zu übernehmen. Die Klägerin, das Autohaus, bestand jedoch auf der vollen Erstattung. Sie argumentierte, dass die Verbringungskosten normalerweise bei einer Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallen, da die meisten solcher Werkstätten nicht über eine eigene Lackiererei verfügen.
Verantwortung der Haftpflichtversicherung
Das Gericht gab der Klägerin in der Hauptsache Recht und verurteilte die Beklagte, die Haftpflichtversicherung, zur Zahlung weiterer 45,22 €. Es folgte der Argumentation, dass ein Autohaus kein finanzielles Risiko tragen sollte, wenn es zu lange, zu teuer oder unwirtschaftlich repariert. Solche Risiken sollten vielmehr vom Schädiger und damit von der Haftpflichtversicherung getragen werden. Es wäre schließlich widersinnig, wenn der Geschädigte mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, die außerhalb seines Einflussbereichs entstehen und in einer fremden Einflusssphäre stattfinden müssen.
Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten und die Entscheidung über den Streitwert
Neben den Hauptkosten wurde die Beklagte auch dazu verurteilt, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,20 € zu zahlen. Der Streitwert wurde auf den Betrag der zusätzlichen Reparaturkosten, also 45,22 €, festgesetzt. Insgesamt wurden die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt, was bedeutet, dass die Haftpflichtversicherung diese zu tragen hat.
Mit dieser Entscheidung hat das Amtsgericht Niebüll die Rechte des Geschädigten gestärkt und verdeutlicht, dass die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers grundsätzlich für die vollständigen Reparaturkosten aufkommen muss.
Das vorliegende Urteil
AG Niebüll – Az.: 10a C 188/20 – Urteil vom 09.01.2021
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 45,22 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.02.2020.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 70,20 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.05.2020.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird festgesetzt auf einen Betrag in Höhe von 45,22 €.
Gründe
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Nachdem keine Partei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, entscheidet das Gericht gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung. Im Rahmen des § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Dabei berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Die Klage ist zulässig. In der Sache hat sie in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
1) Die Klägerin hat gegen die Beklagte in der Hauptsache einen Anspruch auf Zahlung weiterer Verbringungskosten in Höhe von 45,22 €. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 7 Abs. 1 StVG in Verbindung mit den §§ 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 398 BGB. Die vollständige Einstandspflicht der Beklagten dem Grunde nach aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall ist zwischen den Parteien unstreitig, streitgegenständlich ist lediglich noch die Höhe der von der Beklagten zu erstattenden Verbringungskosten. Diese sind – entgegen der Auffassung der Beklagten – in Höhe von insgesamt 140,42 € ersatzfähig. Verbringungskosten fallen bei einer Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt regelmäßig an, weil – allgemein bekannt – die wenigsten solcher Werkstätten über eine eigene Lackiererei verfügen (LG Kiel, Beschluss vom 15.02.2010, 1 S 107/09, zitiert nach juris) – die Tatsache, dass die Klägerin auf ihrer Internetseite mit einem „Lackservice“ wirbt, bedeutet nicht, dass die Klägerin über eine eigene Lackiererei verfügt. Dementsprechend hat die Beklagte vorgerichtlich auch einen Teil der von der Klägerin abgerechneten Lackierkosten erstattet.
Auch in der Höhe sind die abgerechneten Verbringungskosten nicht zu beanstanden – wie die Beklagte auf die von ihr für angemessen gehaltene und bereits regulierte Pauschale in Höhe von 80,00 € netto kommt, trägt sie auch gar nicht vor.
Im Übrigen entspricht es dem üblichen Werkstattrisiko, wenn ein Autohaus zu lange, zu teuer oder sonst außerhalb des Einflussbereichs der Auftraggeberin unwirtschaftlich reparieren sollte. Ein solches Risiko trägt jedenfalls nicht die Geschädigte als Auftraggeberin, sondern der Schädiger, mithin die eintrittspflichtige Haftpflichtversicherung (AG Coburg, Urteil vom 13.07.2017, 15 C 466/17, zitiert nach juris). Es würde nämlich dem Sinn und Zweck des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zum ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht mehr kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss. Das Werkstattrisiko geht zulasten des Schädigers (AG Coburg, Urteil vom 27.11.2018, 14 C 1819/18, zitiert nach juris). Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Werkstatt dem Geschädigten unnötige Arbeiten in Rechnung stellt, überhöhte Preise oder Arbeitszeiten in Ansatz bringt oder Arbeiten berechnet, die in dieser Weise nicht ausgeführt worden sind. Es besteht kein Grund, dem Schädiger das Risiko für ein solches Verhalten abzunehmen (LG Köln, Urteil vom 07.05.2014, 9 S 314/13, zitiert nach juris).
Dementsprechend sind die Verbringungskosten in voller Höhe von 140,42 € als ersatzfähiger Schaden anzusehen. Da die Beklagte bereits einen Betrag in Höhe von 95,20 € gezahlt hat, verbleibt ein Anspruch in Höhe des geltend gemachten Betrages von 45,22 €.
Den entsprechenden Anspruch hat die Zedentin als Geschädigte entgegen der Auffassung der Beklagten auch wirksam an die Klägerin abgetreten, dies jedenfalls mit der als Anlage K3 vorliegenden Abtretungserklärung vom 16.10.2020.
2) Der Anspruch auf Verzinsung des zugesprochenen Betrages in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jedenfalls seit dem 22.02.2020 ergibt sich aus den §§ 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB – denn die Beklagte hat die weitergehende Regulierung bereits mit Schreiben vom 12.11.2019 verweigert, so dass sie durch dieses Schreiben in Verzug geraten ist.
3) Der Anspruch erstreckt sich auf die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe 70,20 €. Die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts war vorliegend zweckmäßig und erforderlich, um den Schadensersatzanspruch geltend zu machen und durchzusetzen. Der klägerische Prozessbevollmächtigte ist im Übrigen auch erst tätig geworden, nachdem die Beklagte die hier noch streitgegenständliche Regulierung des Schadens mit Schreiben abgelehnt hat.
Ein Anspruch auf Verzinsung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.05.2020 ergibt sich aus den §§ 291, 288 BGB. Dass die Beklagte bezüglich der Rechtsanwaltskosten zu einem früheren Zeitpunkt in Verzug geraten wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere ergibt sich ein Verzug nicht aus dem Verstreichenlassen der vom klägerischen Prozessbevollmächtigten gesetzten Zahlungsfrist.
4) Die Klägerin hat gegen die Beklagte hingegen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf die geltend gemachte Verzinsung der von ihr eingezahlten Gerichtskosten. Ein solcher Anspruch ergibt sich entgegen der klägerischen Auffassung vorliegend nicht aus den §§ 280, 288 BGB – denn zwar hat die Klägerin vorgetragen, dass ihr ein konkreter Zinsschaden durch die Aufnahme eines Bankkredits entstanden sei, dies jedoch ist nicht unstreitig. Einen Beweis hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin nicht angetreten. Entgegen der klägerischen Auffassung ist die Beklagte hinsichtlich der Gerichtskosten auch nicht in Verzug geraten. Ein solcher Verzug ergibt sich insbesondere nicht im Zusammenhang mit der in der Klageschrift gesetzten Zahlungsfrist von vier Wochen ab Rechtshängigkeit – zum einen löst bereits das Verstreichen lassen einer einseitig gesetzten Zahlungsfrist keinen Verzug aus, zum anderen war der klägerische Anspruch bei Ablauf dieser Frist auch nicht fällig – denn fällig wird der Kostenerstattungsanspruch erst mit der Kostengrundentscheidung, nicht bereits ab Rechtshängigkeit oder ab Stellung eines Klagabweisungsantrags (OLG München, Urteil vom 30.11.2016, 7 U 2038/16, zitiert nach juris).
5) Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.