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Verkehrsunfall – Verjährung von Nutzungsausfallansprüchen

LG Ravensburg, Az.: 1 S 20/16, Urteil vom 07.07.2016

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Tettnang vom 08.12.2015, Az. 8 C 456/15, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Tettnang wird für ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar erklärt.

4. Die Revision wird zugelassen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 1.350,00 €

Gründe

I.

Die Parteien streiten um restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 14.04.2011, an dem neben dem im Eigentum des Klägers stehenden PKW Audi A3, amtl. Kennzeichen …, der bei der Beklagten haftpflichtversicherte Pkw mit dem amtl. Kennzeichen … beteiligt war. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte gem. §§ 7, 18 StVG, 115 VVG, 1 PflVG zu 100 % für den verursachten Schaden einzustehen hat.

Der Beklagte hat seine Ansprüche mit Schreiben vom 08.07.2011 bei der Beklagten angemeldet. Nach Zahlung verschiedener Teilbeträge, darunter 500,- € als Nutzungsausfallentschädigung, und weiterer Korrespondenz teilte die Beklagte zuletzt mit Schreiben vom 22.09.2011 mit, sie halte den Sachschaden nunmehr für abschließend reguliert. Das Schreiben ging dem Klägervertreter am 26.09.2011 zu. Am 25.02.2015 beantragte der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, den Erlass eines Mahnbescheids gegen die Beklagte, mit dem er restliche Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 1.350 € geltend machte. Der Mahnbescheid wurde am 27.02.2015 erlassen.

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 1.350,- € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.04.2011 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der geltend gemachte Anspruch sei verjährt. Verhandlungen zwischen den Parteien im Verlaufe des Jahres 2011 seien nicht geeignet gewesen, den Lauf der Verjährung gem. § 203 BGB zu hemmen, weil der Lauf der Verjährungsfrist zu diesem Zeitpunkt noch nicht begonnen hatte.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch sei verjährt. Die regelmäßige Verjährungsfrist betrage gem. §§ 14 StVG, 115 Abs. 2 S. 1 VVG, 195 BGB 3 Jahre. Gem. § 199 Abs. 1 BGB habe die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres 2011 begonnen und sei daher am 31.12.2014 vollendet gewesen. Damit sei die Verjährung bereits eingetreten gewesen, bevor der Antrag auf Erlass des Mahnbescheides beim Mahngericht eingegangen sei. Die Verhandlungen der Parteien im Jahre 2011 seien bei der Berechnung des Hemmungszeitraumes nicht zu berücksichtigen, da die Verjährungsfrist zu diesem Zeitpunkt noch nicht begonnen hatte und keine Hemmung einer noch nicht in Lauf gesetzten Verjährungsfrist möglich sei. Ein anderes Verständnis von § 203 BGB würde bedeuten, dass dies unter Umständen zu einer doppelten Berücksichtigung des Hemmungszeitraumes führen würde. Endete die Hemmung vor Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei, bleibe es daher beim Verjährungsbeginn zum Jahresende.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Der Kläger trägt vor, die von dem Amtsgericht vorgenommene Auslegung der Regelungen in §§ 115 Abs. 2 VVG, 203 BGB sei dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen. Die von dem Amtsgericht zitierte Entscheidung des LAG Hamm (Urteil vom 02.12.2013, Az. 7 Sa 1012/13) sei rechtlich nicht haltbar. Die Argumentation des Gerichts, wonach die dort vorgenommene Auslegung Rechtssicherheit begründe, überzeuge nicht. Soweit es zu einer doppelten Berücksichtigung des Hemmungszeitraumes komme, sei dies „gesetzessystemimmanent“. Die vom Amtsgericht vertretene Auslegung führe auch dazu, dass der Gläubiger gehalten sei, mit Verhandlungen über den Anspruch zuzuwarten, da dies für die Frage der Verjährung Vorteile nach sich ziehe.

Der Kläger beantragt:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 14.01.2016 verkündete Urteil des Amtsgerichts Tettnang zum Az. 8 C 456/15 abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1350,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.04.2011 zu bezahlen.

Die Beklagte hat konkludent beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen hat die Beklagte im Berufungsverfahren keine Stellungnahme abgegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

1. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Das Berufungsgericht konnte mit Zustimmung der Parteien gem. § 128 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

2. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Amtsgericht hat im Ergebnis richtig und mit einer überzeugenden Begründung entschieden, dass dem Anspruch des Klägers auf restlichen Nutzungsausfall aufgrund des Verkehrsunfalls vom 14.04.2011 die Einrede der Verjährung entgegensteht. Die Kammer schließt sich den zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug. Ergänzend wird ausgeführt:

Der Anspruch des Klägers ist gem. §§ 195, 199 BGB, 115 Abs. 2 VVG mit Ablauf des 31.12.2014 verjährt. Der Mahnbescheid Antrag des Klägers war nicht geeignet, den Lauf der Verjährung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB zu hemmen, weil die Verjährung bereits eingetreten war, als der Kläger den Mahnbescheid beantragt hat. Wie das Amtsgericht zutreffend entschieden hat, waren Verhandlungen, die Parteien im Verlauf des Jahres 2011 geführt und abgeschlossen haben, ebenfalls nicht geeignet, eine Hemmung der Verjährung gem. § 203 BGB herbeizuführen, weil die Verjährung Frist zu diesem Zeitpunkt noch nicht begonnen hatte zu laufen.

Die Kammer teilt die Ansicht des Amtsgerichts, dem LAG Hamm in der Entscheidung vom 03.12.2013 (Az. 7 Sa 1012/13) folgend, wonach Verhandlungen zwischen den Parteien, die geführt wurden und bereits beendet sind, bevor die Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 BGB zu laufen begonnen hat, die Verjährung nicht hemmen können. Diese Auslegung von § 203 BGB entspricht auch der ganz herrschenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur (vgl. auch OLG Sachsen-An halt, Urteil vom 23.10.2008, 9 U 19/08. Rn. 43(juris) und OLG Celle, Urteil vom 26.07.2006, 3 U 87/06, Rn. 23, NJW-RR 2007, 403).

Das Amtsgericht weist zutreffend darauf hin, dass eine abweichende Auslegung zu einer „doppelten“ Berücksichtigung des Hemmungszeitraums führen würde, da der Zeitraum, innerhalb dessen die Verhandlungen stattfinden, bei der Berechnung der Verjährungsfrist abgezogen würde, obwohl in dieser Zeit die Verjährungsfrist noch nicht lief. Der Einwand des Klägers, auch bei Verhandlungen, die während des Laufs der Verjährungsfrist geführt werden, komme dieser Zeitraum dem Gläubiger doppelt zugute, überzeugt nicht. Dass die Verjährungsfrist einerseits um den Zeitraum der Verhandlungen verlängert wird und andererseits während der Hemmung keine Verjährung eintreten kann, ist dem Rechtsinstitut der Verjährungshemmung immanent. Eine doppelte Berücksichtigung liegt hierin nicht. Anders ist es bei Verhandlungen, die geführt werden, bevor die Verjährungsfrist zu laufen begonnen hat. Da die regelmäßige Verjährungsfrist gem. §§ 195, 199 Abs. 1 ZPO erst mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist, und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, liegt schon kraft Gesetzes stets eine „Anlaufhemmung“ vor (vgl. Peters/Jacobi, in: Staudinger, BGS, Neubearbeitung 2014, § 209, Rn. 9). Würden Verhandlungen, die in diesem Zeitraum geführt werden, zusätzlich noch zu einer Verlängerung der dreijährigen Verjährungsfrist führen, käme dieser Zeitraum dem Gläubiger doppelt zugute.

Entgegen der Ansicht des Klägers folgt aus dieser Auslegung der Vorschriften über die Hemmung der Verjährung auch keine unbillige Schlechterstellung des Gläubigers. Zweck der Vorschrift des § 203 BGB ist es nicht, die Verjährungsfrist in jedem Fall um den Zeitraum zu verlängern, in dem die Parteien miteinander verhandelt haben. Es geht vielmehr darum, die Parteien in ihren Verhandlungen nicht unter Zeitdruck geraten zu lassen, der sie veranlassen könnte, die Verhandlungen abzubrechen oder verjährungshemmende Maßnahmen nach § 204 BGB zu ergreifen, die den Verhandlungserfolg gefährden könnten. Damit soll die gütliche Beilegung von Streitigkeiten erleichtert und gefördert werden (vgl. Peters/Jacobi, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2014, § 203, Rn. 1). Beginnen die Parteien bereits mit Verhandlungen, bevor die Verjährungsfrist gem. §§ 195, 199 BGB zu laufen begonnen hat, sind sie aber hinreichend dadurch geschützt, dass die Verjährung ggf. gehemmt wird, falls die Verhandlungen über den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist hinaus andauern. Ein Bedürfnis für eine darüber hinausgehende Verlängerung der Verjährungsfrist um den Zeitraum, in dem die Parteien verhandelt haben, besteht hingegen nicht. Die Kammer sieht hierin auch keinen Anreiz, mit Verhandlungen zuzuwarten, um Vorteile bei der Verjährung zu erlangen.

Der Rechtsauffassung der Kammer steht auch nicht die Argumentation des Bundesgerichtshofs in dem von dem Klägervertreter zitierten Urteil vom 27. September 1995 (Az. VIII ZR 257/94, NJW 1995, 3380) entgegen. Die vom Kläger zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs bezieht sich nicht auf die Hemmung der Verjährung durch Verhandlungen zwischen den Parteien, sondern auf die Zustellung des Mahnbescheids, die nach § 209 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB a.F. zu einer Unterbrechung des Laufs der Verjährungsfrist führte. Im Ausgangspunkt bestätigt der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung zunächst, dass es beim ursprünglichen Verjährungsbeginn bleibe, wenn die Unterbrechung der Verjährung vor dem Beginn des Laufs der Verjährungsfrist ende (BGH e a.O. unter III. 3 b) aa)). Um aber nicht denjenigen zu benachteiligen, der mit der Einreichung des Mahnantrags nicht abwarte, sondern den Antrag bereits lange vor Beginn des Laufs der Verjährungsfrist einreiche, müsse der Zeitraum zwischen der Einreichung des Antrags und dem Verjährungseintritt unberücksichtigt bleiben. Entgegen der Ansicht des Klägers ist diese Konstellation mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Es liegt auf der Hand, dass derjenige, der frühzeitig Rechtsverfolgungsmaßnahmen, wie z.B. einen Mahnbescheidsantrag, ergreift, dadurch keine Nachteile im Hinblick auf die Verjährung erleiden darf. Ein Bedürfnis, Verhandlungen vor dem Beginn des Laufs der Verjährungsfrist verjährungshemmend zu berücksichtigen, ergibt sich dadurch aber aus den oben ausgeführten Gründen nicht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 ZPO.

 

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