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Verkehrsunfall – Haftung bei Kreuzungsunfall – Anscheinsbeweis

LG Osnabrück, Az.: 4 S 414/15, Beschluss vom 13.01.2016

I.

Die Kammer beabsichtigt, die Berufung durch nicht anfechtbaren einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Es wird Gelegenheit gegeben, zu diesem Hinweisbeschluss binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen.

Gründe

II.

Verkehrsunfall - Haftung bei Kreuzungsunfall - Anscheinsbeweis
Symbolfoto: Richtsteiger/Bigstock

Die Kammer lässt sich bei ihrer Absicht, nach § 522 Abs. 2 ZPO zu verfahren, von folgenden Überlegungen leiten:

Der Kläger und Berufungskläger macht geltend, dass das Amtsgericht Bersenbrück seine Klage zu Unrecht abgewiesen habe.

Das Amtsgericht habe verkannt, dass die streitgegenständliche Örtlichkeit des Verkehrsunfalls auch für die Beklagte zu 1) eine gesteigerte Sorgfaltsanforderung an ihre Fahrweise erfordert habe. Für die Beklagte zu 1) sei nicht erkennbar gewesen, dass der PKW des Klägers aus einem verkehrsberuhigten Bereich gekommen sei. Entsprechend habe die Beklagte zu 1) davon ausgehen müssen, dass die Vorfahrtsregelung „rechts vor links“ gelte und hätte damit eine höhere Vorsicht walten lassen müssen. Bei gehöriger Sorgfalt hätte die Beklagte zu 1) vor der Kollision bemerken müssen, dass die Zeugin W. im klägerischen Fahrzeug von rechts langsam in den Kreuzungsbereich eingefahren sei und sich vor ihm im Einmündungsbereich befunden habe. Die Zeugin W. sei langsam in die Straße eingebogen, so dass er zu bemerken gewesen wäre. Wenn die Beklagte zu 1) ihn dennoch nicht wahrgenommen habe, zeige dies, dass sie nicht mit der gebotenen Sorgfalt im Verkehr unterwegs gewesen sei. Die Beklagte zu 1) hätte in Anbetracht der Situation nicht auf ihr Vorfahrtsrecht vertrauen dürfen. Zumindest unterliege auch sie der Rücksichtnahmepflicht nach § 1 StVO. In Anbetracht der Besonderheiten falle der Beklagten zu 1) sogar das alleinige Verschulden an der Kollision zur Last.

Die Rügen der Kläger an dem Urteil des Amtsgerichts gehen jedoch fehl.

Zutreffend hat das Amtsgericht darauf hingewiesen, dass die Verpflichtung eines Verkehrsteilnehmers, der sich in einem verkehrsberuhigten Bereich befindet, nicht auf der Höhe des Verkehrsschildes, das den verkehrsberuhigten Bereich beendet, aufhört, sondern erst dann, wenn sich das Gebot aktualisiert, d.h. beim Einfahren aus dem verkehrsberuhigten Bereich in eine andere Straße eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen ist, was im Regelfall an der nächsten Einmündung oder Kreuzung am Ende des verkehrsberuhigten Bereichs der Fall ist.

Dass das Amtsgericht nach Ausschöpfung der ihm bis zur Entscheidungsfindung vorliegenden Beweismittel zu der Überzeugungsbildung gelangt ist, dass bei einem vorliegenden Abstand von 21,5 m noch der dazu erforderliche unmittelbare räumliche Zusammenhang besteht und dieser für den Verkehrsteilnehmer erkennbar ist, so dass erkennbar nicht die Vorfahrtsregel „rechts vor links“ galt, ist nicht zu beanstanden. Die Feststellung ist aufgrund der freien tatrichterlichen Beweiswürdigung nach § 286 ZPO getroffen worden. Gemäß § 286 ZPO hat das Gericht nach Erhebung der angebotenen und entscheidungserheblichen Beweise nach seiner freien, nicht an Beweisregeln gebundenen Überzeugung zu entscheiden. Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts kann die Kammer im Hinblick auf § 286 ZPO nur darauf prüfen, ob sie in sich widersprüchlich ist, den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen zuwiderläuft oder Teile der Beweiswürdigung ungewürdigt lässt. Diese Prüfung ergibt eine fehlerhafte Beweiswürdigung nicht. Das Amtsgericht hat zutreffend die in Augenschein genommenen Lichtbilder gewürdigt. Mit der Rechtsmittelbegründung wird die Beweiswürdigung des Tatrichters lediglich durch eine eigene andere Würdigung ersetzt. Damit ist eine fehlerhafte Beweiswürdigung des Amtsgerichts jedoch nicht dargetan.

Entsprechend hat das Amtsgericht zutreffend den Anscheinsbeweis des § 10 Satz 1 StVO bejaht, der gegen die Zeugin W. spricht. Diesen Anscheinsbeweis konnte der Kläger nicht entkräften, zumal die Zeugin W. offensichtlich von der Regelung „rechts vor links“ ausging. Die Beklagte zu 1) durfte darauf vertrauen, dass ihr Vorfahrtsrecht auch unter Berücksichtigung der Örtlichkeiten beachtet wird. Eine unklare Verkehrssituation bestand nicht. Ebenfalls galt keine gesteigerte Sorgfaltsanforderung für die Beklagte zu 1), so dass ihre allgemein anzulastende Betriebsgefahr vorliegend vollständig hinter dem schweren Verkehrsverstoß der Zeugen zurücktrat.

Relevanter Vortrag und Beweisantritte sind nicht übergangen worden.

Die zur Entscheidung stehende Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Urteilsentscheidung ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten, § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO. Ein rechtlich relevanter neuer Tatsachenvortrag i.S.d. § 531 Abs. 2 ZPO liegt nicht vor. Das angefochtene Urteil beruht aus den genannten Gründen nicht auf einer falschen Rechtsanwendung.

Eine mündliche Verhandlung i.S.v. § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO ist nicht geboten.

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